https://www.deutschlandfunkkultur.de/ph ... g-100.html
der philosoph Hans Jonas (geboren 1903) war schon etwas älter, als er das buch schrieb, das 1979 zum ersten mal erschien. 2020 kam eine neue auflage heraus, das grüngelbe ding auf dem bild oben, mit einem nachwort von Robert Habeck. offenbar ein marketingtrick des Suhrkamp verlags, um das etwas angestaubte werk unters junge klimavolk zu bringen:
„Jonas argumentiert für eine radikale Ethik der ökologischen Verantwortung, der Individuen, Unternehmen und Regierungen gleichermaßen unterworfen sind. Dabei geht er mit unserem bedingungslosen Technikglauben genauso hart ins Gericht wie mit den Dynamiken des Machterhalts in demokratischen Systemen, in denen Zukunft höchstens bis zur nächsten Wahl gedacht wird. Sein Plädoyer für den »Vorrang der schlechten vor der guten Prognose« ist aktueller denn je.“
https://www.suhrkamp.de/buch/hans-jonas ... 3518429549
man kann sich aber auch, wie ich es getan habe, eine ältere, weniger aufdringliche auflage des Suhrkamp verlags besorgen:
der sehr durchschaubare versuch des verlags, das buch in eine bestimmte richtung zu rücken, dabei lautet der untertitel ja nun mal: „Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation“. Denn das „ökologische“ ist gar nicht ausdrücklich der fokus bei Jonas. das zeigt auch die 1987 erschienene ergänzung „Technik, Medizin und Ethik. Zur Praxis des Prinzips Verantwortung“. darin wollte er aufzeigen, wie das „Prinzip der Verantwortung“ in den bereichen biologische forschung und ärztliche praxis angewendet werden kann, also nix praxis im bereich ökologie.
zurück zu Jonas‘ ausgangsposition: nachdem er jahrzehntelang fast nur in englisch publiziert hatte, schrieb er nun auf deutsch, da er in der muttersprache viel schneller schreiben konnte, denn er wollte seine gedanken angesichts der dringlichkeit des themas möglichst noch vor seinem ableben zu papier bringen.
womit wir zu einem grundproblem der wissenschaft/philosophie kommen: des konflikts zwischen „Erkenntnis und Interesse“ (s. dazu das Buch von Jürgen Habermas mit ebendiesem titel). der wissenschaftler/philosoph ist mitglied einer gesellschaft und hat insofern bestimmte meinungen/interessen, diese sein streben nach objektiver erkenntnis subjektiv beeinflussen:
Jonas sah die existenz der menschheit angesichts eines nicht mehr kontrollierbaren technologischen fortschritts stark gefährdet. seiner meinung nach brauchte die menschheit eine neue ethik, um dem entgegenzuwirken. einen neuen kategorischen imperativ, den er wie folgt formulierte:
„Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.“
darüber kann man diskutieren, diese ethik mag man für sich akzeptieren oder nicht. im rahmen subjektiver vorstellungen oder teil einer religiösen überzeugung. aber Jonas reicht das nicht, er versucht nun krampfhaft auf rd. 400 seiten zu beweisen, dass es in der natur objektive zwecke gibt, die zugleich subjektive wertsetzungen implizieren.
das ergebnis ist ein furchtbares geschwurbel in übelstem philosophiejargon, wobei z.b. untersucht wird, ob diese neue ethik eher in einem marxistischen oder in einem kapitalistischen system gedeihen kann. ein (noch eher harmloses) beispiel gefällig?:
„Das Leben ist die explizite Konfrontation des Seins mit dem Nichtsein, denn in seiner konstitutionellen, durch die Notwendigkeit des Stoffwechsels gegebenen Bedürftigkeit, der die Erfüllung versagt bleiben kann, hat es die Möglichkeit des Nichtseins als seine ständig gegenwärtige Antithese, nämlich als Drohung, in sich. Der Modus seines Seins ist Erhaltung durch Tun. Das Ja allen Strebens ist hier verschärft durch das aktive Nein zum Nichtsein. Durch das verneinte Nichtsein wird das Sein zum positiven Anliegen, d.h. zur ständigen Wahl seiner selbst.“
der vorrang des seins der menschheit vor ihrem nichtsein soll sich aus der absoluten verpflichtung zur zukünftigen ermöglichung von zwecken/werten ergeben. daraus ergibt sich der neue kategorische imperativ (s.o.). wegen der unsicherheit unseres wissens über zukünftige auswirkungen neuer technologien haben unheilserprognosen vorrang vor heilserwartungen. das „Prinzip der Verantwortung“ beinhaltet insofern ein prinzip der schadensverhinderung. das bezeichnet Jonas als „Heuristik der Furcht“: furcht im sinne eines vorausdenkens der gefahr macht bewusst, dass die existenz der menschheit auf dem spiel steht.
nebenbei, man findet im vorwort des buchs auch die vorwegnahme eines bekannten fratzen-ausspruchs:
„Das Neuland kollektiver Praxis, das wir mit der Hochtechnologie betreten haben, ist für die ethische Theorie noch ein Niemandsland.“
die geforderte verantwortung vergleicht Jonas mit der verantwortung der eltern gegenüber ihren hilflosen kindern, die sich den eltern aufzwingt und der sich diese auch emotional nicht entziehen können. übertragen auf politiker sei dies eine verantwortung, die sich wie der eltern weit in die zukunft erstreckt.
das soll mal zu den inhalten des buchs ausreichen. die aussage ist im grunde ganz banal, dazu braucht man keine 400 seiten pseudophilosophischen geschwurbels (kein wunder, dass sich in der neuauflage ausgerechnet ein nachwort des oberschwurblers Habeck befindet): der mensch erfindet neue technologien (z.b. atomenergie), die er nicht kontrollieren kann und die existenz der ganzen menschheit gefährden. Daher braucht man eine neue ethik, welche diese entfesselten technologien in grenzen hält.
ziemlich naiv, möchte man meinen: denn die mehrheit der menschen (auch die eltern) ist damit beschäftigt sich irgendwie selbst über wasser zu halten und die eigenen schäfchen ins trockene zu bringen. „furcht“ (allerdings nur vor dem eigenen untergang, nicht vor dem der menschheit) kommt dabei nur sporadisch auf, nämlich wenn mal ein einschlag erfolgt, ein atomkraftwerk fliegt in die luft oder ein paar häuser werden von einer flut weggeschwemmt. die politiker“eltern“ sind mit kurzfristigen zielen wie machterhalt, lobbyismus und vorteilsnahme befasst. menschheitserhaltende maßnahmen werden nur ergriffen, wenn das der machterhaltung förderlich erscheint (z.b. ausstieg aus der atomenergie) oder in irgendeiner zukunft wirksam werden soll (z.b. klimaziele). dabei wird gerne auf das sog. „machbare“ verwiesen, also ob dieses machbare irgendwelchen naturgesetzen folgen würde und nicht politisch gestaltbar wäre.
politik und ethik? s.u. !
mit anderen worten: das „Prinzip der Verantwortung" sind letztendlich nur schöne worte. es geht tatsächlich immer um machtkämpfe, im bereich der klimabewegung letztendlich insbesondere um einen machtkampf zwischen alt und jung: die jungen wollen verhindern, dass die alten sich auf kosten zukünftiger generationen ein schönes leben machen. grundsätzlich haben die alten nichts gegen klimaschutz, aber es soll nichts kosten und natürlich erst recht nicht den luxus der wohlhabenden beschneiden. da hilft es auch nicht, dass einige davon eltern sind. dazu reicht die aktuelle furcht vor dem untergang (noch) nicht aus, zumal die grosse masse sowieso nur angst vor dem eigenen untergang hat und nicht vor dem untergang der menschheit.
das erinnert an den real existierenden marxismus/kommunismus: wenn das revolutionäre potenzial der benachteiligten klasse noch nicht für einen aufstand ausreicht, muss man den aufstand eben „künstlich“ herbeiführen. entsprechend versuchen die kinder (klimaaktivisten) den ihrer verantwortung nicht gerecht werdenden eltern/politikern die nicht vorhandene furcht einzutrichtern.
dabei mit Jonas‘ buch rumzuwedeln ist natürlich vollkommen lächerlich, den jedwede ethik wie z.b. das „Prinzip der Verantwortung“ ist einer menschliche erfindung bzw. eine fiktion, so etwas lässt sich nicht wie eine art naturgesetz ableiten, das ist philosophischer schmarren. eine diktatur kann sich ein solches prinzip aneignen und gewaltsam durchsetzen, oder es kann in einem demokratischen konsens zur geltung kommen. ein solcher konsens kann sich aber nur durch einen ausgleich verschiedener interessen (die klimabewegung ist eins davon) ergeben. momentan scheitert es natürlich am oben beschriebenen interesse der mehrheit, den eigenen nutzen zu maximieren. und zu diesem eigenen nutzen gehört nun mal nicht die einsicht, etwas oder einiges opfern zu wollen, um die zukunft der menschheit zu sichern. die zukunft der menschheit geht der aktuellen menschheit am arsch vorbei.
mit 10 milliarden menschen plus x ist davon abgesehen eine nicht mehr entsprechend kontrollierbare masse erreicht. und so werden die menschen weiter wie die lemminge auf den abgrund zulaufen. das ist eigentlich in der naturgeschichte auch nichts besonderes: wenn eine art, die sich ihre lebensgrundlage selbst entzieht, indem sie ihre eigene nahrungsquelle ausrottet, dezimiert wird, stirbt sie entweder aus oder fängt in kleinem umfang wieder von vorne an.
so wird es der menschheit auch gehen. wir werden unsere lebensgrundlagen selbst vernichten und uns dezimieren. insofern ist die letzte generation tatsächlich die letzte generation, woran kein kleber oder schulschwänzer irgendetwas ändern wird.
vielleicht werden ein paar überleben und in vielleicht dann noch vorhandenen bewohnbaren gebieten von vorne anfangen. und sie werden wie üblich aus dieser geschichte nichts lernen und dieselben fehler machen wie wir, denn schließlich wird sich menschliche natur nicht ändern, wir sind das ende der evolution……..