Peter Handke und die „Ketzerbriefe“ - Alles nicht so gemeint?
26.10.2019
"Nun ist ein Interview aufgetaucht, das Handke 2011 in Paris einer Zeitschrift gegeben hat, die „Ketzerbriefe“ heißt und in ihrem Untertitel „Flaschenpost für unangepasste Gedanken“ verspricht.
Darin sagt Handke über das Massaker im Juli 1995 in Srebrenica: „Mir kommt es so vor, als sei es ein Racheakt von serbischer Seite gewesen. Nicht, dass ich es verurteilen würde, aber ich kann es auch nicht uneingeschränkt gutheißen. Jetzt kommt man ständig mit den 8000 Opfern und dem angeblich schlimmsten Massaker seit dem Zweiten Weltkrieg; unversehens kommt hier mit Auschwitz der deutsche Faschismus rein.
Das Gerede mit den 8000 Toten wurde immer intensiver. Vielleicht war es ein Rachemassaker oder was auch immer; ich weiß es nicht, ich bin kein Experte. Ich war sechsmal in Srebrenica, habe aber die Leute nie richtig gefragt.“"
"Bei dem Zitat stellt sich die Frage, ob hier die Worte „verurteilen“ und „uneingeschränkt gutheißen“ nicht vertauscht worden sind; doch Handke fragt nicht viel später, ob da – „eigentlich will ich Zahlen vermeiden“ – , tatsächlich „2000– 4000 Menschen“ (!) umgebracht wurden, spricht davon, dass er das Schlimmste in Srebrenica „für konstruiert“ halte und „überhaupt, diese sogenannten Mütter von Srebrenica: Denen glaube ich kein Wort, denen nehme ich die Trauer nicht ab. Wäre ich Mutter, ich trauerte alleine“."
"Über seinen Verlag, den Suhrkamp Verlag, verwies Handke nun auch auf seine Worte von 2006 und sagte, das Gespräch mit den „Ketzerbriefen“ „nicht gegengelesen und auch nicht autorisiert“ zu haben.
Und: „Es entspricht nicht dem von mir Gemeinten. Für mich gilt das, was ich schriftlich festhalte. Dem habe ich nichts und dem wollte ich nichts hinzufügen.“ Das 2011er-Interview steht im Netz, Handke bestreitet nicht, es geführt zu haben, ob er es nun autorisiert hat oder nicht."
"Wie es jetzt weitergeht? Die Schwedische Akademie habe von dem Interview in den „Ketzerbriefen“ nichts gewusst, heißt es jetzt aus Stockholm, sie werde es „prüfen“."
https://www.tagesspiegel.de/kultur/inte ... 58590.html
diese "Ketzerbriefe" erscheinen übrigens im Ahriman-Verlag:
Willkommen beim AHRIMAN-Verlag!
AHRIMAN-Verlag hat ein kleines, aber allen Kräften der Finsternis verhaßtes Programm: Teuflisch gut!
Alles, was Schule, Presse, Uni und Glotze Ihnen vorenthalten wollen, hat eine Chance, bei AHRIMAN zu erscheinen – allerdings nur, soweit es von geeigneten Fachleuten geschrieben wurde. Unsere programmatischen Ursprünge liegen bei den ersten echten Aufklärern (Meslier, Voltaire, Rousseau, Holbach beispielsweise), unsere Schwerpunkte liegen dementsprechend – da wir ja in einer späteren Zeit leben – bei klassischer Psychoanalyse und orthodoxem Marxismus (also dem, in dem sich Marx und Lenin wiedererkennen könnten; nicht etwa Stalin oder unsere Lehrerlein, oder gar staatlich noch fetter bezahlte Hirnwäscher!). Aber auch unterdrückte Informationen zu den Verbrechen des Monoimperialismus unserer Tage (z.B. die Kolonialkriege gegen Irak oder Serbien) finden bei uns eine Veröffentlichungs-Chance.
https://www.ahriman.com/intro_start.htm
kein wunder also, dass sich Handke von diesem verein angezogen fühlt. prompt findet man dort auch eine "verteidigung" Handkes, hier mal die einleitung dazu:
"27.10.2019
Aus aktuellem Anlaß
Peter Handke, der Nobelpreis und die Machenschaften der Lügenpresse
In der FAZ, der Süddeutschen Zeitung, dem Tagesspiegel, der Berliner Zeitung, dem Deutschlandfunk und anderen Schwergewichten der Massenlenkung und Verdummung wurde am 25.10.2019 sowie den darauffolgenden Tagen eine Breitseite gegen unsere Zeitschrift KETZERBRIEFE veröffentlicht. Anlaß war ein Interview, das wir im Jahr 2011 mit Peter Handke in Paris geführt hatten, und das in der Nr. 169 unserer Zeitschrift veröffentlicht wurde. Zur Richtigstellung der suggestiven Verdrehungen und Unterstellungen veröffentlichten wir folgende Erklärung:"
den rest gibts hier:
https://www.ahriman.com/menue.htm
in den "Ketzerbriefen" schreibt auch regelmäßig ein gewisser Fritz Erik Hoevels, der die internetseite http://www.bund-gegen-anpassung.com/ betreibt:
dort wird an Saddam Hussein als so eine art held erinnert ("In Memoriam"):
http://www.bund-gegen-anpassung.com/hom ... s-wir-tun/
und Hoevels schreibt in den Ketzerbriefen beiträge wie:
Bravo, Donald! Halte weiter durch gegen das Lumpenpack von Soros bis Rockefeller!
http://www.bund-gegen-anpassung.com/ass ... Donald.pdf
oder
13 % ! – Wie halten wir’s mit der AfD?
13 % der Deutschen haben bei der letzten Wahl der Pressebehämmerung widerstanden und für eine Partei gestimmt, welche von besagter Propaganda tagaus, tagein mantrahaft madig gemacht wurde. Denn sie steht einerseits für ein Ende der Lohndrückerei und Freiheitsuntergra-bung durch Überschwemmung des Landes zuerst mit Billigarbeitern, also Lohndrückern in der Art der Iren Manchesters, deren Lage und Funktion der junge Engels so treffend und anschaulich beschrieb, und seit Aufbau und Einsatz der AfD sogar aus einer uferlosen Lawine fal-scher Flüchtlinge (zwei Prozent echte, besonders aus religiösen Minder-heiten islamisch verseuchter Länder, mögen darunter sein), die einer qualifizierten Arbeit (die sie freilich auch nur anderen »wegnehmen« könnten) fast nie fähig und zu einer wenig qualifizierten selten willig sind, aber dafür im Gegensatz zu in Not geratenen Einheimischen,deren angesparte Sozialabgaben sie auffressen, großzügig alimentiert werden.
http://www.bund-gegen-anpassung.com/ass ... 06-afd.pdf
da fühlt sich Handke doch sicherlich in bester gesellschaft.
die akademie sollte auch mal das interview mit Handke im profil aus 2007 lesen:
"profil: Die serbische Schriftstellerin Biljana Srbljanovic sagt, Sie hätten keine Ahnung. Milosevic habe Oppositionelle auf offener Straße ermorden lassen.
Handke: Das stimmt überhaupt nicht. Es gab eine total freie Presse in Jugoslawien. Aber es gab das Wirtschaftsembargo des Westens, wodurch ganz von selbst mafiose Strukturen entstanden. Diese kleinen Mafia-Gruppen haben sich gegenseitig bekriegt. Wie kann man das mit Milosevic in Verbindung bringen?
profil: Ich frage nur.
Handke: So etwas zu behaupten ist eine Unverschämtheit. Dieses Mädchen wurde während des NATO-Krieges gegen Jugoslawien vom Spiegel, der ja für diesen Krieg war, beauftragt, ein Tagebuch zu führen. Die schrieb dann, während die Bomben fielen, es sei ganz ungefährlich, es splittere nur da und dort etwas Glas. In Wahrheit sind über tausend Serben in diesem Krieg umgekommen. Diese Frau ist eine Westhure. So nenne ich das.
profil: Sie hat es bedauert, dass Sie sich nicht, statt auf Milosevics Begräbnis zu sprechen, mit einer Trillerpfeife an der zum Zeichen, dass Serbien nicht trauere, in Belgrad abgehaltenen Gegenkundgebung beteiligt hätten.
Handke: Ach, die soll sich ihre Pfeife
profil: Wie bitte?
Handke: Nichts.
profil: Warum sagen Sie den Satz nicht zu Ende?
Handke: Sie können ja drei Punkte machen.
profil: Ein Großteil der Serben distanziert sich inzwischen von Ihnen.
Handke: Ja, aber das ist doch normal. In jedem Land gibt es solche und solche."
https://www.profil.at/home/ich-idiot-sinne-182406
und gehen wir auch mal ein paar jahre zurück, zu den quellen, Handkes texte zu Jugoslawien aus den 90er jahren. es gibt nun doch eine günstige taschenbuch-ausgabe des suhrkamp verlags (14 €), die Handkes wesentliche Jugoslawien-schriften enthält:
1. Abschied des Träumers vom Neunten Land
Handke, selbst sohn einer Kärtner Slowenin, hat in dem 1986 erschienenen buch "Die Wiederholung" von Slowenien, besonders dem slowenischen Karst, als der landschaft der freiheit erzählt. die gründung Sloweniens im Juni 1991 ist anlaß für ihn, auf seine erfahrungen in diesem land in trauer und zorn zurückzublicken, und die frage zu stellen, ob sich Slowenien überhaupt als von Jugoslawien unabhängiger staat hätte erklären dürfen.
"Ich frage: Ist es möglich, nein, notwendig, für ein Land und ein Volk, heutzutage, unvermittelt, sich zum Staatsgebilde zu erklären (samt Maschinerie Wappen, Fahnen, Feiertag, Grenzschranken), wenn es dazu nicht aus eigenem gekommen ist, sondern ausschließlich als Reaktion gegen etwas, und dazu etwas von außen, und dazu noch etwas zwar manchmal Ärgerliches oder Lästiges, nicht tatsächlich Bedrängendes o der gar Himmelschreiendes?"
als ob staatengebilde letzlich nicht immer auf reiner willkür basieren würden. 88,2 % der Slowenen haben diese frage übrigens mit "Ja" beantwortet...
2. Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien
im herbst des jahres 1995 begibt sich Peter Handke mit zwei freunden auf eine reise durch Serbien:
"Es war vor allem der Kriege wegen, daß ich nach Serbien wollte, in das Land der allgemein so genannten "Aggressoren". Doch es lockte mich auch, einfach das Land anzuschauen, das mir von allen Ländern Jugoslawiens das am wenigsten bekannte war, und dabei, vielleicht gerade bewirkt durch die Meldungen und Meinungen darüber, das inzwischen am stärksten anziehende, das, mitsamt dem befremdenden Hörensagen über es, sozusagen interessanteste."
Handke mißtraut den berichten der westlichen presse über den Jugoslawien-krieg und stellt fragen wie diese:
"Wie war das wirklich mit Dubrovnik? Ist die kleine alte wunderbare Stadtschüssel oder Schüsselstadt an der dalmatischen Küste im Frühwinter 1991 tatsächlich gebombt und zerschossen worden? Oder nur - arg genug - episodisch beschossen? Oder lagen die beschossenen Objekte außerhalb der dicken Stadtmauern, und es gab Abweicher, Querschläger? Mutwillige oder zufällige, in Kauf genommene (auch das arg genug)?"
es gibt eine antwort auf diese frage: allein am 6. Dezember 1991 feuerte die jugoslawische armee 650 mörsergranaten in die altstadt von Dubrovnik. insgesamt starben 114 zivilisten und 200 soldaten. mehr als die hälfte der häuser erlitt schäden, ein prozent brannte ganz nieder. der angriff gilt als kriegsverbrechen, da rein zivile objekte und ziele angegriffen wurden. arg genug...
3. Sommerlicher Nachtrag zu einer winterlichen Reise
ein halbes jahr nach seiner ersten serbientour bricht Peter Handke erneut mit seinen beiden serbischen freunden auf, diesmal zu einer ausgedehnteren reise durch Serbien und Bosnien. wieder stellt er dabei fragen, welche die vorherrschende sicht des Jugoslawien-kriegs in zweifel ziehen sollen, insbesondere zum "Klarstellen" der vorgänge in Srebrenica:
"Und keine Bilder so auch von den mutmaßlichen Massakerstätten weiter unten im Tal und in den Nachbartälern (doch davon gibt es ja nicht zu wenige andere und andersartige Bilder, jene Totenschädel auf freiem Feld […], hochglanzbereit und farbraffiniert für den vom Interplanetarischen Photographenverband allsonntäglich verliehenen Goya-, Wurlitzer- oder "Bilder-ohne-Grenzen"-Preis)."
oder:
"Mit solchen Einleitungssätzen beginnt eine einst ernsthafte westliche Zeitung das Gedenken an den Jahrestag des mutmaßlichen (im Augenblick, Mitte Juli 1996, immer noch das richtige und rechtliche Beiwort) Genozids von S."
nun ja, das "mutmaßliche" massaker von Srebrenica wird als das schwerste kriegsverbrechen in europa seit dem ende des Zweiten Weltkriegs angesehen. schon abgeschlossene prozesse vor internationalen gerichten beweisen, dass die verbrechen nicht spontan erfolgten, sondern systematisch geplant und durchgeführt wurden. soviel zum thema "Klarstellen".
und wie reagiert Handke auf die aktuelle kritik seines Kollegen Saša Stanišić ?
Stanišić hatte Handke bei der Verleihung des Deutschen Buchpreises für seine proserbische Haltung in den Jugoslawienkriegen kritisiert.
In seiner österreichischen Heimatgemeinde Griffen berichtete Handke, dass sein Haus seit der Buchpreisverleihung von Journalisten belagert sei. Keiner habe etwas von ihm gelesen. Alle seien nur an seiner Reaktion auf die Buchpreisrede von Stanišić interessiert. Laut dem Österreichischen Rundfunk kündigte Handke an, nie wieder Journalistenfragen zu beantworten.
https://www1.wdr.de/kultur/kulturnachri ... n-100.html
man darf gespannt sein, zu welchem ergebnis die "irritierte" schwedische akademie bei ihrer "prüfung" der beleidigten österreichischen ketzerleberwurst kommt........
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