So mal wieder ein kleines Update zu Berlin und Organisation, bzw. Wahlsonntag:
Dabei ist die ganz reale Realität doch manchmal unglaublicher als jede Fiktion, wie uns der Wahltag vorgeführt hat. Besonders viele Pannen gab es in Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg und in Pankow. Doch auch dort sind sich alle Beteiligten einig: Eine Wiederholung der Wahl ist nicht nötig. Zu diesem Ergebnis kamen die Bezirkswahlausschüsse gestern. In Pankow sagte Bezirkswahlleiterin Christine Ruflett, sie habe keinen Hinweis gefunden, „dass ein Wahlvorstand gesagt hätte: „Stimmzettel aus. Gehen sie nach Haus.“ Allerdings geht aus einer Liste für die Mitglieder des Kreiswahlausschusses, die dem Checkpoint vorliegt, hervor, dass dies sehr wohl der Fall war, und zwar nicht zu knapp (wie die Wahlzettel):
++ In Wahllokal 112 konnten 37 Personen aufgrund fehlender Stimmzettel keine BVV wählen.
++ In Wahllokal 123 konnten 30 Wählende den Volksentscheid nicht abstimmen.
++ In Wahllokal 200 konnten 68 Personen die AGH-Erst- und Zweistimme nicht abstimmen.
++ In Wahllokal 207 konnten 70 Personen nicht wählen, „Wahlart unbekannt“.
++ In Wahllokal 211 fehlten ab 17 Uhr AGH-Stimmzettel, Erst- und Zweitstimme. „Bis Ende der Wahl konnten keine AGH Erst- und Zweitstimmen abgegeben werden. Wählende mussten nach Hause geschickt werden.“
++ In Wahllokal 413 fehlten die AGH-Erststimmen ab 17.45 Uhr, „15 Wählende haben AGH Erst nicht wählen können“.
++ In Wahllokal 619 fehlten ab 16.15 Uhr die Stimmzettel zur Bundestagswahl, „Wähler wurden gebeten bei Wahlwiederaufnahme wiederzukommen“.
Ob sie das getan haben, ist nicht bekannt. Und das sind nur die Wahllokale, in denen die Missstände ordentlich dokumentiert wurden, in vielen weiteren der 916 Wahllokale in Pankow sind zwar fehlende Stimmzettel notiert, aber nicht die Zahl der Betroffenen. Wie sagt man so schön: Jede Stimme zählt.
Übrigens hatten allein in Pankow 60 Wahllokale noch bis 19 Uhr geöffnet, 36 bis 19.30, 15 noch bis 20 Uhr. Und mit Abstand gewonnen hat Wahllokal 815, in dem bis 20.56 noch gewählt wurde. Da war fast die Elefantenrunde schon durch.
Kein Wunder, dass da so mancher keine Lust mehr hatte: Wahllokal 817, 19:12 Uhr: „Wahlvorsteher verlässt wortlos das Wahllokal.“
Lust auf Beschwerde hat derweil „Die Partei“ – und hat deshalb eine Unterschriftenaktion zur Wahlwiederholung gestartet. Auf der Website chaoswahl.berlin sammeln Martin Sonneborn & Co. nun Erfahrungsberichte: „Da keine der Berliner Parteien bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, tun wir das. Wir haben einen Anwalt beauftragt, Wahlprüfungsbeschwerde einzulegen und die Wahl wiederholen zu lassen.“ Eine Beschwerde müsse Substanz haben, „deshalb wollen wir so viele Erfahrungsberichte wie möglich sammeln“. Auf der Website können die direkt eingegeben werden, „nach dem Ausfüllen wird ein Dokument generiert, dass Sie bitte ausdrucken und unterschrieben per Post an uns senden, faxen oder persönlich in der Geschäftsstelle der PARTEI, Kopischstraße 10 in 10965 Kreuzberg, vorbeibringen können.“ Kein Witz. „Auf Wunsch erhalten Sie eine von Martin Sonneborn unterschriebene Teilnahmeurkunde „Demokratieretter“ (wie bei den Bundesjugendspielen).“ Wir verleihen die Ehrenurkunde schon mal an Wahllokal 815, Pankow.
Aus dem heutigen Tgesspiegel Checkpoint Newsletter
Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.
(Oscar Wilde)
Weil das Denken so schwierig ist, urteilt man lieber.
(Sandor Márai)
Gruß
erpie