https://www.sueddeutsche.de/sport/fussb ... -1.6291254Der Entscheidung gingen turbulente Stunden an der Säbener Straße voraus
So schnell, wie sich die Sätze dieser amtlichen Mitteilung lesen lassen, sind sie allerdings nicht zustande gekommen. In jenem Moment, in dem Mazraoui am späten Mittwochnachmittag von einem Fotografen auf dem Weg zum Auto erwischt wurde, begann das Warten auf die Entscheidung des Klubs - das angekündigte Gespräch war ja offenbar vorüber, also würde jetzt bald was kommen, oder?
Dann aber begannen jene turbulenten Stunden, an die sie sich beim FC Bayern noch eine Weile erinnern werden. Der Fußballklub zog sich zum Geschichtsunterricht zurück. Man wolle "das Richtige" tun und sich nicht treiben lassen, so hieß es an der Säbener Straße. Den ganzen Donnerstag wurden weitere Gespräche geführt, in unterschiedlichen Zusammensetzungen, unter Federführung von Dreesen und unter Einbeziehung der Klubgranden Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge.
Erklärtes Ziel war die allmähliche Verfertigung einer Meinung beim Reden; der Zentralrat der Juden wurde am Donnerstag ebenso konsultiert wie Nahost-Experten und Islamwissenschaftler, auch mit Mazraoui selbst gab es weitere Telefongespräche. Offenbar verfestigte sich im Klub dabei das Bild, das sie von dem Spieler bis dahin in etwas unschärferer Variante hatten: das Bild von einem streng gläubigen Moslem, dem die Kollegen im Fastenmonat Ramadan angeblich ansehen, wie viel er abgenommen hat.
Es braucht keine wissenschaftliche Textexegese, um diesem Klubstatement den Kraftaufwand anzusehen, der in ihm steckt. Heraus kam am Ende ein Text, der sich erkennbar Mühe gibt, keine der relevanten Interessensgruppen zu verlieren. So betont der FC Bayern seine Position "an der Seite der jüdischen Gemeinde Deutschlands und an der Seite Israels"; ausdrücklich verurteilt der Klub "den Angriff der Hamas auf Israel". Anschließend erklärt der Spieler, dass er "darüber hinaus" auch "jede Art des Terrorismus und jede Terrororganisation" verurteile - ein mit großer Anstrengung hinformulierter Versuch, die Haltung der Beteiligten mit einer Distanzierung von der Hamas zu verbinden, die gleichzeitig der Verantwortung für einen arabischen Sportler gerecht wird.
"Das Vorgehen des Vereins FC Bayern München halten wir insgesamt und in Anbetracht aller Möglichkeiten auch mit Blick auf die stets klare Haltung des Vereins selbst für angemessen", schrieb der Zentralrat der Juden am Freitag, erneuerte aber die Kritik an Mazraoui, der den "Vorbildcharakter" eines Profifußballers "leider nicht erfüllt" habe. "Dafür hätte es nach einem solch unsäglichen Instagram-Post mehr Reue und Selbstkorrektur bedurft."
Was Daniel Peretz, der israelische Reservetorwart des FC Bayern, davon hält, mit Mazraoui weiterhin die Kabine zu teilen, ist nicht überliefert und wird auch erst mal nicht überliefert werden. "Es ist unsere Fürsorgepflicht, mit Daniel zu sprechen und abzuklären, wie es ihm geht, ob Fußball für ihn möglich ist", sagte der Trainer Tuchel am Freitag, "und wir müssen auch Nous in der Gemeinschaft drin behalten, weil sich das so gehört." Tuchel wird das für sein Ressort mit den Mitteln eines Fußballtrainers versuchen, und so nutzte er die Pressekonferenz für ein durchaus beeindruckendes Plädoyer für den "Mikrokosmos Spielerkabine", wie er das nannte. "Eine Kabine, völlig unabhängig von religiösen Überzeugungen, von kulturellen Unterschieden, ist immer, so habe ich es erlebt, ein Ort, an dem man friedlich, freundschaftlich, kameradschaftlich auf ein gemeinsames Ziel hinarbeitet", sagte Tuchel. Zwar gebe es auch dort "keine heile Welt, aber eine Kabine hat heilsame Wirkung über alle Grenzen". Er habe "großes Vertrauen in die Wirkung der Kabine".
Ist schon nachvollziehbar, auch finde ich nicht das es sich zu einfach gemacht wurde. Allerdings schwingt da eben das Damoklesschwert des "kleinen" Kaders mit.