Interview aus 11 Freunde mit Michael Ott, der das Katar-Sponsoring beim FC Bayern per Mitgliederabstimmung beenden will.
https://11freunde.de/p/club/interviews/ ... 40204.html„Ich habe nicht erwartet, dass der FC Bayern so dreist ist“
von Gunnar Schulte
8-9 Minuten
Herr Ott, wie oft haben Sie darüber nachgedacht, aus dem FC Bayern e.V. auszutreten?
Darüber habe ich tatsächlich noch gar nicht nachgedacht. Weil ich es einfach falsch finde, das Feld kampflos der falschen Meinung zu überlassen. Man muss ja zumindest alles versuchen, was in seinen Möglichkeiten steht.
Der von Ihnen initiierte Katar-Antrag wurde vorerst nicht zur Abstimmung auf der Jahreshauptversammlung zugelassen – ohne Begründung. Hat Sie das überrascht?
Ich habe tatsächlich nicht erwartet, dass der FC Bayern so dreist ist. Dieses Verhalten ist extrem kühl und berechnend. Den Verantwortlichen war klar, dass Sie den Antrag nicht mit einer haltlosen Begründung ablehnen können. Denn dagegen kann man problemlos klagen. Wenn sie aber einfach bis zum letzten Tag gar nichts sagen, dann ist es irgendwann zu spät zum Klagen. Das ist ganz offensichtlich eine Taktik.
„Ihr könnt euch nicht vor dieser Debatte drücken“
Ihr Plan war und ist es, die Mitglieder über die Zusammenarbeit mit Qatar-Airways abstimmen zu lassen und die ausgegliederte AG so dazu zu bringen, den Sponsoring-Vertrag nicht zu verlängern. Wie geht es jetzt weiter?
Ich hatte ihnen (den FCB-Verantwortlichen, d.Red.) bis Mittwoch, den 17. November, eine Frist gesetzt, die jetzt abgelaufen ist. An diesem Donnerstag wurde ein Antrag auf einstweilige Verfügung gestellt, die eine Zulassung erzwingen soll. Wahrscheinlich folgt auch noch eine Klage in der Hauptsache. Falls es dann doch nicht reicht bis zur Jahreshauptversammlung, wären zumindest die Weichen für die Zukunft gestellt.
Wie schätzen Sie denn die Chancen ein, dass es mit der Zulassung des Antrags noch klappt?
Es ist schwierig, das konkret einzuschätzen, weil die Zeit jetzt wirklich extrem knapp ist. Da war ich vielleicht auch etwas zu naiv, habe zu lange auf eine Antwort gewartet und mich einlullen lassen. Wir müssen jetzt halt alles versuchen. Es ist auch wichtig, zu zeigen: Ihr kommt nicht durch, wenn ihr gegen eure eigene Satzung verstoßt. Mit solch feigen Tricks könnt ihr euch nicht vor dieser Debatte drücken. Die müsst ihr führen.
Sie gehören zu vielen Fans in Deutschland, die das Tun ihrer Klubs kritisch sehen. Einige davon sind Mitglieder. Doch die wenigsten versuchen, aktiv etwas zu ändern. Wie kam es bei Ihnen dazu?
Ich habe seit dem Sponsoring-Einstieg von Quatar-Airways ziemlich genau hingeschaut und vieles mitbekommen – die Proteste der Fans, die großen Aktionen der Südkurve. Ich fand das auch immer gut und wichtig. Aber ich habe halt gemerkt: Das stößt beim Verein auf komplette Ignoranz. Je stärker Ignoranz und Verweigerungshaltung des FC Bayern wurden, desto stärker hat sich in mir etwas bewegt. Nach dem Motto: Da muss man doch was machen. Ich bin selten im Stadion und auch nicht in der Szene aktiv. Es kam der Punkt, an dem ich überlegt habe, was ich tun kann.
Sie haben also zu Hause gesessen, die Entwicklungen verfolgt und sind immer wütender geworden?
Ja, so kann man das sagen, Wobei auch eine Menge Fassungslosigkeit dabei war. Wie kann man so unsouverän mit diesem Thema umgehen? Was das Fass dann zum Überlaufen gebracht hat, war die Podiumsdiskussion vom Club Nr. 12 (FCB-Fanvereinigung – Anm.d.Red.). Nepalesische Gastarbeiter wurden aus Katar eingeflogen, dazu auch Menschenrechtler. Und wer erscheint trotz Einladung der eigenen Fans nicht? Die Vertreter des Vereins. Das war einfach nur beschämend.
Warum wurde gerade beim Katar-Sponsoring eine Grenze überschritten?
Man kann natürlich auch andere Themen kritisieren, das Sponsoring von Sportwettenanbietern zum Beispiel. Doch in der Katar-Sache wiegen die Vorwürfe nun einmal am schwersten. Dort geht es um Menschenrechtsverletzungen. Erst diese Woche hat Amnesty noch mal einen neuen Bericht herausgebracht, der diesbezüglich eher Rückschritte oder Stagnation als Fortschritte feststellte. Und noch etwas besonders Absurdes: Es ist völlig widersprüchlich, wenn man auf der einen Seite für Financial Fair Play eintritt, wie es der FC Bayern tut, sich auf der anderen Seite aber mit Unternehmen eines Landes einlässt, das sich aktiv gegen Financial Fairplay einsetzt.
Medial schlägt Ihr Vorhaben hohe Wellen. Sie sind aber keine Person des öffentlichen Lebens. Wie fühlt sich das an?
Ich hatte natürlich gehofft, dass der Antrag auch eine größere Aufmerksamkeit findet. Schon um ein Kräftegleichgewicht herzustellen. Ich als völlig unbekannte Einzelperson brauche die Aufmerksamkeit, um auf die Handlungen des FC Bayern angemessen reagieren zu können. Andererseits ist es auch extrem stressig. Ich hatte keine Erfahrung im Umgang mit Medien und arbeite vier Tage die Woche. Daher bin ich auch ganz froh, wenn die Sache irgendwann nach der Hauptverhandlung – hoffentlich – auch wieder zu Ende ist. Ich habe nämlich keinerlei Interesse, mich langfristig irgendwie in der Öffentlichkeit zu etablieren.
„Der FC Bayern braucht einen unbequemen Stachel im Gesäß“
Sie glauben wirklich, dass Sie etwas verändern können? Die Klub-Führung scheint nicht einmal an einem Dialog interessiert.
Ja, die Mitglieder können schon etwas verändern. Es geht auch darum, ein Zeichen zu setzen, um die verantwortlichen Personen für zukünftige Geschäfte zu sensibilisieren. Und wer weiß: Vielleicht bereuen sie die Partnerschaft mit Katar intern schon, weil sich die Außendarstellung des FC Bayern dadurch so negativ entwickelt hat. Ich kann mir inzwischen auch vorstellen, dass andere Sponsoren nicht mehr so glücklich sind, im Umfeld von einem solch negativen Beispiel genannt zu werden.
Ex-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge spricht von „gutem Geld“, das der Katar-Deal eingebracht habe. Für ihn heiligt der Zweck offenbar die Mittel.
Natürlich kann man nicht garantieren, dass sich an der Denkweise der Verantwortlichen etwas ändert. Die Reaktionen, die bisher kamen, zeigen eher, dass sich wenig bewegt. Aber die einzige Möglichkeit der Mitglieder ist es dann eben, Druck auszuüben. Von Oliver Kahn hat man zuletzt gehört, dass er das Werteprofil des FC Bayern schärfen und dabei eine Neuausrichtung vorantreiben will. Das wäre doch eine gute Möglichkeit, gesichtswahrend aus der Sache herauszukommen.
Ist der Vereinsaustritt für Sie auch zukünftig keine Option?
Zumindest aktuell. Der FC Bayern braucht ja weiterhin einen unbequemen Stachel im Gesäß.