Der moderne Fußball, eine einzige Zumutung?

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Heinz B.
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Der moderne Fußball, eine einzige Zumutung?

Beitrag von Heinz B. »

Ein Kommentar über die Entwicklung des modernen Fussballs, der, wie ich finde, in vielen Teilen Recht hat.
Es gibt im Leben einige Entscheidungen, die man nicht nur sehr schnell bereut, sondern auch lange. Die betrunkene SMS an den Ex. Das Tattoo mit dem Namen von eben jenem Ex am Unterarm. Oder die Einwechslung von drei Spielern extra fürs Elfmeterschießen, die dann alle vergeben – nennen wir dieses Szenario mal "englische Entscheidung".

Gastkommentar von Christian Bartlau

Ich habe mich vor so ziemlich genau drei Jahren entschieden, keinen Profifußball mehr zu schauen. Nach rund einem Vierteljahrhundert als Fan und fünf Jahren als Sportjournalist. So schwer es mir damals fiel, es ist das genaue Gegenteil einer "englischen Entscheidung": Alle paar Wochen gratuliere ich mir selbst – immer dann, wenn der moderne Fußball mal wieder demonstriert, wie kaputt er ist.

Lionel Messi zu Paris St. Germain? Der VAR hat mal wieder falsch gelegen? Zur WM treten bald 48 Teams an? Was früher meinen Puls in ungesunde Höhen getrieben hätte, löst heute nur noch ein müdes Kopfschütteln aus. Nur eine Frage lässt mich nicht los: Warum lassen sich echte Fußballfans diesen Quatsch noch bieten?

Hier stimmt doch was nicht

Wer den Fußball liebt, muss den real existierenden Fußball hassen. Die Transfers für Fantasiesummen. Die 1.000 ganz legalen Steuertricks auf zwei Beinen. Die Klubs in Investorenhand, als nette Ergänzung fürs Portfolio. Oder als verlängerte PR-Abteilung für Energydrinks. Die WM in Katar. Die Champions League als Superleague im Tarnanzug. Den Menschenhandel mit Talenten im Kindesalter. Die Despoten-Kuschelei. Die Doping-Heuchelei. "Die Mannschaft". Die Überwachung in den Stadien. Die Kriminalisierung der Fans. Die Spieltagszerklüftung.

Es ist nicht so, dass diese kleinen und großen Zumutungen des modernen Fußballs den Fußballfans nicht sauer aufstoßen würden. In Umfragen sieht immer wieder eine Mehrheit die Grenze der Kommerzialisierung erreicht, es herrscht ein verbreitetes Grundgefühl: Hier stimmt doch was nicht.

Es gibt eine schnelle Erklärung dafür, was mit dem Fußball schiefläuft: Es geht nur noch ums Geld. Stimmt natürlich, nur haben die wenigsten verstanden, wie sich das auf den Sport auswirkt, den sie im Stadion oder auf der Couch verfolgen – und warum sie sich fast zwangsläufig vom Fußball entfremden.

In meinem Buch "Ballverlust" habe ich die Ursachen dieser Entfremdung beschrieben: Besonders mit dem Aufkommen des Pay-TV und der Fernsehgeldschwemme wurde der Fußball zu einem Big Business, zu einem Teil der globalen Unterhaltungbranche, der wie in einem Goldrausch immer mehr Glücksritter anzieht.

Ausrüster wollen Trikots und Schuhe verkaufen, Sponsoren ihre Marken präsentieren, Berater und Investoren ihre Taschen füllen, Oligarchen ihre Langeweile vertreiben, Ölscheichs und sonstige Autokraten "soft power" aufbauen, Funktionäre ihr Netzwerk spinnen. Sie alle mögen unterschiedliche Interessen haben, das Ziel ähnelt sich: Aus dem Fußball so viel Geld pressen wie möglich, und sei es nur als Mittel zum Zweck.

Das Geschäft Profifußball kennt nur noch das Motto, das Oliver Kahn bei der legendären Last-Second-Meisterschaft der Bayern 2001 durch die HSV-Arena in Hamburg brüllte: "Weiter, immer weiter!" Und es verändert nicht nur den Rahmen, in dem das Spiel gespielt wird. Sondern auch das Spiel an sich.

Es produziert einen anderen Fußball als den, den wir kannten. Ich nenne ihn den marktkonformen Fußball: Er stellt den Profit in den Vordergrund - nicht das Spiel oder die Spieler, und ganz sicher nicht die Fans. Er bevorteilt die großen Klubs und tötet die Spannung – mit Setzlisten, ungerechten TV-Prämien und Schlupflöchern bei der Lizenzierung. Er vermarktet sich um jeden Preis – mit immer mehr Spielen, immer neuen Wettbewerben, mit Werbung bis in den letzten Stadionwinkel. Und er entledigt sich des so wichtigen Faktors Zufall – mit einheitlichen Spielfeldern und Bällen, mit Torlinientechnologie und dem VAR.

Der Sport braucht den VAR nicht

Der Video Assistant Referee, kurz VAR, ist eines der besten Beispiele dafür, wie der marktkonforme Fußball funktioniert. Seit seiner Einführung in Fankreisen umstritten, hat er sich aus Sicht der Funktionäre bewährt: FIFA-Präsident Gianni Infantino frohlockte 2018, dass der Anteil richtiger Referee-Entscheidungen mit dem VAR von 93 auf 98 Prozent gesteigert werden konnte.

Nur: Rechtfertigt so eine minimale Steigerung auf hohem Niveau, dass so viele Emotionen aus dem Spiel gesaugt werden? Dass Fans den Jubelschrei quasi nur auf Bewährung ausstoßen dürfen? Dass Elfmeter mit zwei Minuten Verzögerung gegeben werden? Dass der Fußball, das schöne Spiel, so technisch, so kontrolliert, so langweilig wird wie der Zeitgeist?

Für den marktkonformen Fußball fällt die Antwort leicht: Es steht einfach zu viel Geld auf dem Spiel. Ein Premier-League-Klub kassiert pro Saison mehr als 100 Millionen Euro Fernsehgelder, in der zweitklassigen Championship höchstens ein Zehntel. Ein falscher Pfiff im Abstiegskampf kostet also im Extremfall 100 Millionen Euro. Kein Wunder, dass die Schiedsrichter den VAR begrüßen.

In der Kreisliga braucht den VAR dagegen kein Mensch, der Sport kommt gut ohne solche Hilfsmittel aus. Der marktkonforme Fußball hat die technische Überwachung zum Sachzwang gemacht – und das Spiel verändert, ob es uns gefällt oder nicht.

Die absurde Dominanz der Großen

Es war der Faktor Zufall, der früher noch das ein oder andere Mal dafür gesorgt hat, dass die Underdogs dem Favoriten mal ein Bein stellen konnten. Das vereiste Geläuf, auf dem technisch versierte Ballett-Truppen ins Schwimmen kamen, wird heute von der Rasenheizung aufgetaut. Die Stadien und Spielfelder sind normiert, es wird mit den gleichen Bällen gespielt, nur folgerichtig, dass nun die Auswärtstorregel im Europapokal gekippt wurde. Schöner Nebeneffekt für die UEFA: Das ermöglicht noch mehr Verlängerungen und damit noch mehr Sendezeit.

Wenn heute die immergleichen Vereine mühelos durch die Gruppenphase der Champions League düsen, gibt es dafür aber natürlich noch einen viel wichtigeren Grund: das liebe Geld, das nicht nur Tore schießt, sondern sie auch verhindert. Kleine Quizfrage in dem Zusammenhang: Wann gewann zuletzt ein Klub die Königsklasse, der nicht aus den Top-Vier-Ligen Europas stammt? Richtig, 2004, vor 17 Jahren also, der FC Porto.

Weil die Champions League immer mehr Preisgeld ausschüttet, dominieren die Teilnehmer seit Jahrzehnten recht mühelos ihre heimischen Ligen, in denen sich die sportliche Langeweile meist fortsetzt.

In Deutschland nimmt die Dominanz der Bayern schon absurde Züge an: Insgesamt gab es seit Beginn der Spielzeit 2012/2013 311 Spieltage. 235 davon verbrachten die Bayern ganz oben. Wer es mit solchen Platzhirschen überhaupt noch aufnehmen will, schafft das eigentlich nicht mehr über harte Arbeit, sondern, liebe Grüße nach Leipzig, nur über die goldene Leiter.

Und was ist mit den Fans?

So sieht er aus, der real existierende Profifußball im Jahr 2021: Eine Spielweise für die Reichen und Mächtigen, auf der am Ende die Großen gewinnen. Mit all den Mätzchen, die sich neureiche Emporkömmlinge so erlauben – in der Corona-Pandemie etwa handelte sich der Profifußball durch beharrliche Dreistigkeit Extrawürste aus. Während die Nachwuchskicker im ganzen Land zu Hause hocken musste, zog der Profizirkus wieder los, weil: wirtschaftliche Notwendigkeit. Kann man so argumentieren, muss man aber nicht sympathisch finden.

Wenn auch ungewollt, zeichneten die Geisterspiele ein erhellendes Bewegtbild der Machtverhältnisse im Fußball: Der Fan in der Kurve zählt so gut wie nichts mehr, weil er zu wenig zahlt. Den Großteil der Einnahmen erwirtschaften die Vereine mit TV-Geldern und sonstigen Medienrechten. Ob die Fans nach dem Sonntagsspiel am anderen Ende der Republik noch einen Zug nach Hause kriegen, ist da schnell zweitrangig.

Zumindest die engagierten Fans erschüttert ihre faktische Bedeutungslosigkeit bis ins Mark: Sie sind es, die mit ihrem Support, mit ihren Gesängen und Fahnen einen wichtigen Teil des Produktes Fußball ausmachen und die ihrem Verein immer treu bleiben. Gleichzeitig können sie diesem Produkt und teils sogar mit dem eigenen Verein immer weniger anfangen – sie entfremden sich vom marktkonformen Fußball.

Aussteigen wollen bislang offensichtlich nur wenige Fans. Zwar sinken die Zuschauerzahlen und die Fernsehquoten, doch zumindest den Big Playern wie Bayern, Chelsea oder Real kann das egal sein. Ganze Kontinente warten darauf, die Superstars auf Tourneen oder via Satellitenfernsehen zu sehen. Schon jetzt wird etwa der spanische Supercup in Saudi-Arabien ausgetragen. Warum nicht irgendwann das DFB-Pokalfinale in New York?

Weiter, immer weiter – und wer glaubt, dass sich das nochmal ändert, hat nicht richtig aufgepasst. Ja, eine WM alle zwei Jahre wird es erst einmal nicht geben, aber auch nur, weil es das Geschäftsmodell der UEFA gefährdet. Ja, die Superleauge-Pläne sind gestoppt, aber nur um den Preis der Aufstockung der Champions League. Ja, die DFL hat in einer "Taskforce Zukunft Profifußball" auch Fanvertreter befragt, aber wirklich zugehört hat sie nicht.

Wer vom marktkonformen Fußball wirklich die Schnauze voll hat, für den bleibt nur eins: Raus aus dem Stadion, weg mit dem Sky-Abo.
https://web.de/magazine/sport/fussball/ ... n-36202782
Ich diskutiere nicht, ich erkläre lediglich, warum ich Recht habe. :wink:
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alemao82
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Re: Der moderne Fußball, eine einzige Zumutung?

Beitrag von alemao82 »

Tja, und dann verliert Real Madrid zu Hause gegen Transnistrien und der Dosenmüll gegen Brügge.

Ich teile ja vieles was er sagt, aber dass das Spiel jetzt total anders und komplett vorhersagbar geworden ist... War damals Käse, ist heute Käse. Ein Europacupfinale Skonto Riga gegen Dinamo Tirana war früher auch nicht jedes Jahr.

Und das VAR-Beispiel ist derart hanebüchen... Jeder der der Meinung ist, die großen Klubs hätten früher nicht in erhöhtem Maß von Schiri-Fehlentscheidungen profitiert, möge bitte nur noch Spiele der nordkoreanischen Liga verfolgen. Die Kreisliga braucht den VAR nicht, sehen die Schiris, die dort nach gefühlten Fehlentscheidungen bedroht und im Zweifel verdroschen werden sicher ähnlich.
Managerspiel IA Bundesliga:
Tor: Müller (Heidenheim, 2,3 Mio), Eicher (Heidenheim, 0,8), Batz (Mainz, 0,5)
Abwehr: Buta (Frankfurt, 2,0), Kossounou (Leverkusen, 1,9), Mainka (Heidenheim, 1,8), Zagadou (Stuttgart, 1,6), Finkgräfe (Köln, 0,5), Krätzig (Bayern, 0,5)
Mittelfeld: Musiala (Bayern, 6,5), Wirtz (Leverkusen, 5,5), Silas (Stuttgart, 2,4), Millot (Stuttgart, 1,6), Röhl (Freiburg, 1,0), Reitz (Gladbach, 0,7), Aourir (Leverkusen, 0,5), Shabani (Mainz, 0,5)
Sturm: Kane (Bayern, 8,5),Waldschmidt (Köln, 1,6), Gruda (Mainz, 0,7), Opitz (Bremen, 0,5), Pejcinovic (Wolfsburg, 0,5)
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Re: Der moderne Fußball, eine einzige Zumutung?

Beitrag von ABC...XYZ »

Der Artikel trifft mein Empfinden und Denken zu 95 % als Fußballfan, ehemaliger Fußballer im Leistungssport und Sportwissenschaftler.

Zu Einzelheiten kann man anderer Auffassung sein, das Wesen der Sache in der Entwicklung des Profisports im Fußball trifft es nach meiner Ansicht 100 pro.
Ändern wird sich daran in absehbarer Zeit wohl wenig bis nichts.
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Re: Der moderne Fußball, eine einzige Zumutung?

Beitrag von Eckfahnenfan »

Heinz B. hat geschrieben: Mittwoch 29. September 2021, 18:42
Wer vom marktkonformen Fußball wirklich die Schnauze voll hat, für den bleibt nur eins: Raus aus dem Stadion, weg mit dem Sky-Abo.
https://web.de/magazine/sport/fussball/ ... n-36202782
Zu kurz gesprungen.
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Re: Der moderne Fußball, eine einzige Zumutung?

Beitrag von Atlan »

Wer vom marktkonformen Fußball wirklich die Schnauze voll hat, für den bleibt nur eins: Raus aus dem Stadion, weg mit dem Sky-Abo.
Steht so im verlinkten Artikel.

Dann mache ich es ja richtig. Das Sky-Abo habe ich nie gehabt und aktuell kein Bezahl-TV-Fußball.
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Re: Der moderne Fußball, eine einzige Zumutung?

Beitrag von sampenza »

ABC...XYZ hat geschrieben: Mittwoch 29. September 2021, 20:01 Der Artikel trifft mein Empfinden und Denken zu 95 % als Fußballfan, ehemaliger Fußballer im Leistungssport und Sportwissenschaftler.

Zu Einzelheiten kann man anderer Auffassung sein, das Wesen der Sache in der Entwicklung des Profisports im Fußball trifft es nach meiner Ansicht 100 pro.
Ändern wird sich daran in absehbarer Zeit wohl wenig bis nichts.
"Der Artikel trifft mein Empfinden und Denken als Fußballfan" hätte ja gereicht. Was soll uns das restliche Geschwurbel sagen? Deine sportwissenschaftlichen Ergüsse hier ins Forum haben, außer dass du dich selbst mehrmals in die Nähe der DDR-Dopingpraktiken laviert hast, noch keinen vom Hocker gerissen und Fußballer im Leistungssport war ich auch. War jedenfalls oftmals eine beachtliche Leistung, mich am Sonntagmorgen verkatert aus dem Bett und auf den Sportplatz zu quälen.

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Depp72
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Re: Der moderne Fußball, eine einzige Zumutung?

Beitrag von Depp72 »

Ich habe mich vor so ziemlich genau drei Jahren entschieden, keinen Profifußball mehr zu schauen. Nach rund einem Vierteljahrhundert als Fan und fünf Jahren als Sportjournalist. So schwer es mir damals fiel, es ist das genaue Gegenteil einer "englischen Entscheidung": Alle paar Wochen gratuliere ich mir selbst – immer dann, wenn der moderne Fußball mal wieder demonstriert, wie kaputt er ist.
Nö, ich gratuliere mir dahingehend nur seltenst selbst. Es ist vielmehr durchgängig ein Bedauern und Hadern. Sowie, vermutlich ebenso wie beim Sterben, eine Hoffnung auf am Ende möge doch noch alles gut werden. Hollywood. Grace Kelly. FCB. Der Charme des Unperfekten, kämpfen, Pauli. Scheiß Celtic ist geblieben. Und Napoli muss man lieben, zumindest die Stadt.

hat geschrieben:Zumindest die engagierten Fans erschüttert ihre faktische Bedeutungslosigkeit bis ins Mark:

Dann war ich offenbar nie ein ''engagierter'' Fan, denn bis ins Mark hat es mich nicht erschüttert. Da gab es anderes im Leben. Es war ein schleichender Prozess. Immerhin war ich 2012 im Augustiner-Biergarten noch tief enttäuscht und habe ein Jahr später in der Augustiner Bräustuben ausgiebigst vor Freude gehüpft. Hurensöhne, BVB...
Schon ein Jahr später war das Feuer deutlich schwächer und ging irgendwann 2016/17 ganz aus. Ich kann ja nun nicht alles dem Unsympathen Guardiola in die Schube schieben. Denn wer einen Rehhagel als Bayern-Trainer überlebt hat, der ist eigentlich unverwundbar. Da war offenbar mehr. Nicht immer bewusst wahrgenommen und vermutlich auch häufig gut verdrängt. Erschütterung? Nein, Ermüdung. Bayern hatte sich für mich zu Tode gesiegt.
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Txomin_Gurrutxaga
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Gähn

Beitrag von Txomin_Gurrutxaga »

Christian Bartlau ist homosexuell hat geschrieben: Nur eine Frage lässt mich nicht los: Warum lassen sich echte Fußballfans diesen Quatsch noch bieten?
- Sie waren bereits vor dem gröbsten Kommerz Anhänger ihres Clubs (im Zweifelsfall jedoch nach Erhard Goldbach und Günter Mast). Warum sollten sie also weichen? Und dann auch noch freiwillig??? Die paar Jahrzehnte werden stoisch durchgehalten und eines fernen Tages geht es dann kaisertreu & trve weiter im Text, Freunde der Sonne!

- Ihr Leben ist mit Bratwurst, Bier und "echten" Derbies zwischen Sprockhövel-Nord und Sprockhövel-Süd nicht annähernd so ausgefüllt wie mit Dietmar Hopp und dem Kölner Keller.

- So bereitwillig "echte Fußballfans" alles verdammen, was schon vor 20 Jahren gang und gäbe war, wovon sie nur nix mehr wissen (wollen), so bereitwillig heben sie jeden dahergelaufenen Dölmer aufs Podest, wenn der als vermeintliche "Tüpe" taugt. Baumgart mit Batschkapp und aus der Hocke brüllend am Spielfeldrand --> das ist dermaßen trve, da verkauft der FC glatt wieder ein paar Karnevalstrikots mehr^^
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Depp72
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Re: Der moderne Fußball, eine einzige Zumutung?

Beitrag von Depp72 »

Eckfahnenfan hat geschrieben: Mittwoch 29. September 2021, 20:24 Zu kurz gesprungen.
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Re: Der moderne Fußball, eine einzige Zumutung?

Beitrag von Eckfahnenfan »

Depp72 hat geschrieben: Mittwoch 29. September 2021, 22:11
Eckfahnenfan hat geschrieben: Mittwoch 29. September 2021, 20:24 Zu kurz gesprungen.
Raus aus dem Kapitalismus!
Gruß Stromi 4.0

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Re: Gähn

Beitrag von Depp72 »

Txomin_Gurrutxaga hat geschrieben: Mittwoch 29. September 2021, 22:05 Erhard Goldbach
Der mit dem Benzin? Wo die Profis kostenlos tanken konnten. Und der Torwart deshalb mit LKW vorfuhr. Zum Glück spielte da Diesel noch keine große Rolle. Früher, da war alles besser...äh, anders. Erhard Goldbach, heute würde man da eher an Love Island denken.
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Depp72
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Re: Der moderne Fußball, eine einzige Zumutung?

Beitrag von Depp72 »

ABC...XYZ hat geschrieben: Mittwoch 29. September 2021, 20:01 Der Artikel trifft mein Empfinden und Denken zu 95 % als Fußballfan, ehemaliger Fußballer im Leistungssport und Sportwissenschaftler.

Zu Einzelheiten kann man anderer Auffassung sein, das Wesen der Sache in der Entwicklung des Profisports im Fußball trifft es nach meiner Ansicht 100 pro.
Ändern wird sich daran in absehbarer Zeit wohl wenig bis nichts.
Sach mal, ist dir diese sich beständig wiederholende Aufzählung von Platittüden und deiner beruflichen Biographie nicht ab und an mal eine Sekunde selbst peinlich? Das ist ja langweiliger zu lesen als die Schweriner Volkszeitung anno der 80er. Und das will was heißen. Man kann da natürlich auch anderer Meinung sein, aber ändern wird sich daran bei mir wohl wenig bis nichts.

So langweilig kannst Du realiter nicht sein. Auch als Leipziger und best ager.
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Re: Der moderne Fußball, eine einzige Zumutung?

Beitrag von ABC...XYZ »

Depp72 hat geschrieben: Mittwoch 29. September 2021, 23:51
ABC...XYZ hat geschrieben: Mittwoch 29. September 2021, 20:01 Der Artikel trifft mein Empfinden und Denken zu 95 % als Fußballfan, ehemaliger Fußballer im Leistungssport und Sportwissenschaftler.

Zu Einzelheiten kann man anderer Auffassung sein, das Wesen der Sache in der Entwicklung des Profisports im Fußball trifft es nach meiner Ansicht 100 pro.
Ändern wird sich daran in absehbarer Zeit wohl wenig bis nichts.
Sach mal, ist dir diese sich beständig wiederholende Aufzählung von Platittüden und deiner beruflichen Biographie nicht ab und an mal eine Sekunde selbst peinlich? Das ist ja langweiliger zu lesen als die Schweriner Volkszeitung anno der 80er. Und das will was heißen. Man kann da natürlich auch anderer Meinung sein, aber ändern wird sich daran bei mir wohl wenig bis nichts.

So langweilig kannst Du realiter nicht sein. Auch als Leipziger und best ager.
Ich habe es zur Kenntnis genommen, wie auch den Kommentar von sampenza.
Ich werde mich danach richten.

Beides hat zwar mit dem Thema nichts zu tun, aber als Empfehlung und Aufforderung akzeptiert. :shock: , als Signal für Erleuchtung :clap:
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Re: Der moderne Fußball, eine einzige Zumutung?

Beitrag von Lotte2 »

Toll was Leute für Probleme haben. Fußball ist und bleibt für mich die spannenste,schönste NEBENSACHE der Welt.Aber halt eine Nebensache. :grin:
Mir ist Sch...egal ob ihr meine Rechtschreibung toll findet :zunge:
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robika
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Re: Der moderne Fußball, eine einzige Zumutung?

Beitrag von robika »

Lotte2 hat geschrieben: Donnerstag 30. September 2021, 13:57 Toll was Leute für Probleme haben. Fußball ist und bleibt für mich die spannenste,schönste NEBENSACHE der Welt.Aber halt eine Nebensache. :grin:
So sieht es aus. Ich habe bei solchen Artikeln und Diskussionen ein wenig das Gefühl dass es sich hier um Leute handelt die tatsächlich nix anderes im Leben haben/hatten, und jetzt sauer sind aus auf die böse Welt.
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Re: Der moderne Fußball, eine einzige Zumutung?

Beitrag von bolz_platz_kind »

Ach du grüne Neune.
Zum Glück war das nur ein "Gastkommentar" eines verbannten Rostockers, welcher jetzt in der Nähe von Wien seine Brötchen als freier Journalist verdienen muss.
Da lese ich doch lieber Dominik Bardow. Der hat wenigstens Ahnung vom Fußball ...

Kleines Beispiel gefällig? Kein Problem!
Hier ein 5 Jahre alter Beitrag von Dominik:


Lieber Fußball, ich kann nicht mehr!

Es wird mir alles zu viel. Ich habe nachgedacht, ich hatte Zeit. Jetzt war Länderspielpause, wir haben uns einige Tage nicht gesehen. Aber die Sehnsucht, dich am Samstagabend wiederzutreffen, hielt sich in Grenzen. Ich konnte mich nicht mehr freuen auf Deutschland gegen Tschechien. Es war einfach zu viel zuletzt: Bundesliga, Champions League, EM, Olympia, wieder Bundesliga. Wir hatten keinen Sommerurlaub voneinander. Wir gönnen uns ja keine Pausen mehr.

Es gibt da einfach keine Distanz mehr, ständig bist du da. Wir sehen uns montags bis sonntags. Wenn kein Spiel ist, dann gibt es Fußball-Talk, Fußball-Nachrichten, Pressekonferenzen, die Wiederholung einer Wiederholung. Du bist Alltag geworden und nichts Besonderes mehr. Du biederst dich regelrecht an, ständig bist du empfangbar.

Dein Gesicht ist für mich Gianni Infantino geworden: der Fifa-Präsident, ein Kugelkopf, wie ein Ball, der einen ständig angrinst und fragt: Na, willst du mehr?

Und jetzt, Fußball, höre ich von seinen Plänen für unsere Zukunft: eine Weltmeisterschaft mit 48 Mannschaften, in mehreren Ländern am besten. Eine Klub-WM vielleicht mit 32 Mannschaften. Die Europäer wollen eine Nations League. Die Bundesliga spielt jetzt montags, sicher bald mittags. Und von einer Superliga höre ich immer öfter, dauernd Bayern gegen Barcelona. Es gibt des Guten zu viel. Kann man sich jeden Tag die Mona Lisa anschauen, ohne dabei abzustumpfen?

Über all das ist da etwas verloren gegangen. Ein Gefühl, ich kann es schwer in Worte fassen. Ich fühle nur, wie ich müde werde, irgendwie satt und kälter dir gegenüber. Oder ich werde sauer. Wie soll ich dich wollen, Fußball, wenn du dich mir ständig an den Hals schmeißt? Aber du kriegst nicht genug, du willst alles: Asien, die USA, die ganze Welt soll dich lieben.

Wirst du nie müde? Bei der Europameisterschaft in Frankreich, da sahst du zum ersten Mal so richtig erschöpft aus, irgendwie verbraucht, schon in der Vorrunde k.o. Rumänien - Albanien, Ukraine - Nordirland, das waren keine Mona Lisas mehr, das waren Karikaturen.

Aber du rauschst von Party zu Party, jedes Spiel ist ein Event, du willst, dass alle mitfeiern, dabei weißt du wohl selbst nicht mehr, welcher Wochentag gerade ist. Du liebst das Blitzlicht, den roten Teppich und die Kameras, ohne geht es wohl nicht mehr, überall Kameras. Aber bist du das noch, hinter all dem Hochglanz? Alles ist so dick aufgetragen. Die rasierten Beine, die blondierten Haarspitzen, die albernen Tattoos - für wen machst du das? Wenn du deine Triumphe feierst, wirkt die Freude wie einstudiert, vor dem Spiegel geübt. Mehr für die anderen als für dich. Ich erkenne dich kaum noch und mich nicht mehr, deinen Verehrer.

Ich habe mich einmal in dich verliebt, und keiner könnte das besser ausdrücken als der große Nick Hornby, ganz plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an den Schmerz und die Zerrissenheit zu verschwenden, die damit verbunden sein würden. Doch wer hätte gedacht, dass der größte Schmerz und die schlimmste Zerrissenheit die Gleichgültigkeit sein würde, mit der ich dir heute gegenüberstehe. Dass du mir einmal egal werden wirst. Das hätte ich nie geglaubt, und es macht mich fertig.

Vielleicht habe ich zu viel von dir gewollt. Es klingt absurd, aber du solltest alles für mich sein: Heilige, Hure, Mutter. Ich wollte dich bewundern, deine Eleganz, deine fairen Ideale, deine große Kunst, die mich aus dem Alltag erhebt. Und ich wollte Leidenschaft, mich bei dir vergessen, Ekstase, singen, schreien, weinen, mich verlieren in der Welle der Emotionen. Und ich wollte, dass du mir Halt gibst, ein Zuhause, einen Ort, an den ich immer wieder zurückkommen kann und wo ich mich aufgehoben fühle, geborgen.

Wenn du mir das nicht gegeben hast, war ich frustriert. Oder noch schlimmer, du hast es mir gegeben, viel zu viel davon, und ich habe die Schattenseiten deiner drei Gesichter gesehen. Statt heilig wirktest du abgehoben, entrückt, in höheren Sphären um dich selber kreisend. Dann wieder wirkst du billig, gierig, anbiedernd, wolltest mir Emotionen auf Knopfdruck verkaufen. Und manchmal fühlte ich mich von dir bevormundet, fremdbestimmt, bemuttert. Ich habe mir meinen Alltag von dir diktieren lassen, die Zeiten, wann ich abends und an Wochenenden zu Hause zu sein habe oder in der Kneipe. Ich war auch abhängig von dir.

Wann hat das angefangen, dass wir uns auseinandergelebt haben? 2006 vielleicht. Wir waren im Rausch, im Rausch begeht man Fehler. Du solltest plötzlich mehr für mich sein, für uns alle. Du solltest uns ein neues, unverkrampftes Nationalgefühl stiften. Beweisen, dass Integration funktioniert. Der Welt zeigen, dass wir Freunde sind. Wir haben eine Party aus dir gemacht und wollten, dass es immer so weitergeht. Es war eine Party auf Pump, nicht nur, weil wir diese WM vermutlich gekauft haben. Du solltest uns mehr geben, als du zu bieten hast. Manchmal bist du nur ein 0:0, in dieser Höhe angemessen. Das ist okay, eigentlich.

Doch wir haben immer mehr in dir gesehen. Politiker saßen auf den Tribünen und schwangen danach große Reden über deinen gesellschaftlichen Wert. Intellektuelle diskutierten deine Implikationen. Du wurdest besungen, verfilmt, vergöttert in immer größeren Kathedralen. Wie solltest du da nicht abheben?

Aber du hast das Spiel ja mitgemacht. Du saßest in den Talkshows und wolltest die Welt belehren. Du wolltest wichtiger sein, als du bist. Nicht mehr nur die schönste Nebensache. Und wurdest so eine hässliche Hauptsache. Du warst zu gierig. Konzerne, Mäzene, alte Männer mit Umschlägen, Aktionäre, Fernsehanstalten, du hast für alle getanzt und das Geld genommen, von jedem. Und dich nie gefragt, was du da eigentlich verkauft hast: deine Unschuld. Deine Werte.

Heute spulst du immer das gleiche Programm ab, ich weiß schon vorher, was passiert, es ist berechenbar. In der Bundesliga gewinnen immer die Bayern, im Europapokal die Spanier. Wir haben dir zu viel Geld gegeben, und du konntest damit nicht umgehen. Statt zu teilen, bist du auf Shoppingtour gegangen, hast dich mit Stars und Sternchen geschmückt, bis es einfach nur überladen wirkte.

Du hast keine Geheimnisse mehr, bist ausgeleuchtet, auserzählt, überverkauft: taktisch, statistisch, medial. Wir wissen, wer den Fehler gemacht hat, Experten arbeiten alles auf. Tor? Nicht-Tor? Torkamera. Wir schauen in die Kabinen, kennen den Alltag, die Frauen dahinter, die Autos, alles live auf allen sozialen Kanälen. Wir wollten alles von dir wissen, zu viel. Das Mysterium ist verloren gegangen, das Ungewisse, das Überraschende.

Du versuchst, mich nie zu enttäuschen, ja nichts Falsches in die Kamera zu sagen, alles zu normieren, ein perfektes Paket zu schnüren. Aber ich wollte mich ja reiben an dir, mich aufregen können, dann darüber lachen. Aber es ist so austauschbar geworden, was du mir servierst. An Wolfsburg, Hoffenheim, Ingolstadt stoße ich längst nicht mehr auf, eintöniger Einheitsbrei, der mich kalt lässt, irgendwann wird auch Leipzig Allerlei.

Ich hatte mal das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn ich dich nicht sehe. Etwas, das bleibt, an das wir noch lange zurückdenken werden. Aber nichts bleibt, nach dem Spiel ist ja gleich wieder vor dem Spiel. Da ist kein Raum zum Nachhallen, keine Zeit mehr für große Momente. Wenn ich dich ein halbes Jahr nicht sehen würde, hätte ich nicht das Gefühl, viel zu verpassen. Es passiert ja ständig etwas bei dir und damit im Grunde nichts.

Du wolltest immer besser sein, fitter, athletischer, hast deine Technik perfektioniert. Aber es waren deine kleinen Fehler, mit denen ich mich identifizieren konnte, denn ich habe sie ja auch. Jetzt sieht alles so mühelos aus. Ich habe dich bewundert, wenn du dich überwinden musstest, wenn du mehr aus dir herausgeholt hast, als möglich schien. Jetzt trinke ich noch Bier und du isotonische Getränke.

Das Schlimme ist: Wenn jemand käme und mir verraten würde, du wärest auf Pillen, dann wäre ich nicht einmal geschockt. Ich ahne bei deinem Pensum schon, dass du nachhelfen musst, damit es weitergeht, weiter, immer weiter. Dabei brauchen wir eher Entschleunigung.

Doch du glaubst, es wird besser, wenn du so weitermachst? Immer mehr Länder, immer mehr Spiele? Dass die Chinesen und Amerikaner dich feiern werden? Du faszinierst dort, wenn du hier faszinierst. Doch eine leere Hülle, ein entkerntes Produkt, eine abgerockte Diva auf Tour wird keine Arenen füllen.

Du musst erst einmal wieder zu dir finden, Fußball. Werde wieder du selbst. Das würde ich mir wünschen. Mach dich nicht größer, als du bist. Hör auf, so verdammt perfekt sein zu wollen. Sag auch mal Nein. Verzichte auf Geld, auf Auftritte. Versprich nichts. Sei streitbarer. Behalte deine Geheimnisse. Nimm dir deine Pausen. Lass uns warten auf dich. Vorfreude aufbauen. Und Distanz, dich zu bewundern. Lieber ein Date die Woche, als dich ständig zu sehen und doch nicht wiederzuerkennen.

Aber ich weiß nicht, ob du schon so weit bist. Ob erst der große Knall kommen muss, bevor du es kapierst. Das Geld fließt ja, aber Geld ist Liebe und wenn die ausbleibt, was fließt dann noch? Vielleicht liegt es auch an mir. Und du bist glücklicher mit deinem Chinesen. Ich wünsche euch dann eine schöne Party.

Aber ich weiß nicht, wie es mit uns weitergehen soll, Fußball. Ich hoffe immer noch, dass es wieder wird, wie es mal war. Vielleicht ist es jetzt besser, wenn wir uns erst mal eine Weile nicht sehen.

https://www.tagesspiegel.de/sport/bunde ... 60600.html


Grüße aus Leipzig
E = mc² und zwei mal drei macht vier
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Heinz B.
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Re: Der moderne Fußball, eine einzige Zumutung?

Beitrag von Heinz B. »

bolz_platz_kind hat geschrieben: Donnerstag 30. September 2021, 18:57 Ach du grüne Neune.
Zum Glück war das nur ein "Gastkommentar" eines verbannten Rostockers, welcher jetzt in der Nähe von Wien seine Brötchen als freier Journalist verdienen muss.
Da lese ich doch lieber Dominik Bardow. Der hat wenigstens Ahnung vom Fußball ...

Kleines Beispiel gefällig? Kein Problem!
Hier ein 5 Jahre alter Beitrag von Dominik:


Lieber Fußball, ich kann nicht mehr!

Es wird mir alles zu viel. Ich habe nachgedacht, ich hatte Zeit. Jetzt war Länderspielpause, wir haben uns einige Tage nicht gesehen. Aber die Sehnsucht, dich am Samstagabend wiederzutreffen, hielt sich in Grenzen. Ich konnte mich nicht mehr freuen auf Deutschland gegen Tschechien. Es war einfach zu viel zuletzt: Bundesliga, Champions League, EM, Olympia, wieder Bundesliga. Wir hatten keinen Sommerurlaub voneinander. Wir gönnen uns ja keine Pausen mehr.

Es gibt da einfach keine Distanz mehr, ständig bist du da. Wir sehen uns montags bis sonntags. Wenn kein Spiel ist, dann gibt es Fußball-Talk, Fußball-Nachrichten, Pressekonferenzen, die Wiederholung einer Wiederholung. Du bist Alltag geworden und nichts Besonderes mehr. Du biederst dich regelrecht an, ständig bist du empfangbar.

Dein Gesicht ist für mich Gianni Infantino geworden: der Fifa-Präsident, ein Kugelkopf, wie ein Ball, der einen ständig angrinst und fragt: Na, willst du mehr?

Und jetzt, Fußball, höre ich von seinen Plänen für unsere Zukunft: eine Weltmeisterschaft mit 48 Mannschaften, in mehreren Ländern am besten. Eine Klub-WM vielleicht mit 32 Mannschaften. Die Europäer wollen eine Nations League. Die Bundesliga spielt jetzt montags, sicher bald mittags. Und von einer Superliga höre ich immer öfter, dauernd Bayern gegen Barcelona. Es gibt des Guten zu viel. Kann man sich jeden Tag die Mona Lisa anschauen, ohne dabei abzustumpfen?

Über all das ist da etwas verloren gegangen. Ein Gefühl, ich kann es schwer in Worte fassen. Ich fühle nur, wie ich müde werde, irgendwie satt und kälter dir gegenüber. Oder ich werde sauer. Wie soll ich dich wollen, Fußball, wenn du dich mir ständig an den Hals schmeißt? Aber du kriegst nicht genug, du willst alles: Asien, die USA, die ganze Welt soll dich lieben.

Wirst du nie müde? Bei der Europameisterschaft in Frankreich, da sahst du zum ersten Mal so richtig erschöpft aus, irgendwie verbraucht, schon in der Vorrunde k.o. Rumänien - Albanien, Ukraine - Nordirland, das waren keine Mona Lisas mehr, das waren Karikaturen.

Aber du rauschst von Party zu Party, jedes Spiel ist ein Event, du willst, dass alle mitfeiern, dabei weißt du wohl selbst nicht mehr, welcher Wochentag gerade ist. Du liebst das Blitzlicht, den roten Teppich und die Kameras, ohne geht es wohl nicht mehr, überall Kameras. Aber bist du das noch, hinter all dem Hochglanz? Alles ist so dick aufgetragen. Die rasierten Beine, die blondierten Haarspitzen, die albernen Tattoos - für wen machst du das? Wenn du deine Triumphe feierst, wirkt die Freude wie einstudiert, vor dem Spiegel geübt. Mehr für die anderen als für dich. Ich erkenne dich kaum noch und mich nicht mehr, deinen Verehrer.

Ich habe mich einmal in dich verliebt, und keiner könnte das besser ausdrücken als der große Nick Hornby, ganz plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an den Schmerz und die Zerrissenheit zu verschwenden, die damit verbunden sein würden. Doch wer hätte gedacht, dass der größte Schmerz und die schlimmste Zerrissenheit die Gleichgültigkeit sein würde, mit der ich dir heute gegenüberstehe. Dass du mir einmal egal werden wirst. Das hätte ich nie geglaubt, und es macht mich fertig.

Vielleicht habe ich zu viel von dir gewollt. Es klingt absurd, aber du solltest alles für mich sein: Heilige, Hure, Mutter. Ich wollte dich bewundern, deine Eleganz, deine fairen Ideale, deine große Kunst, die mich aus dem Alltag erhebt. Und ich wollte Leidenschaft, mich bei dir vergessen, Ekstase, singen, schreien, weinen, mich verlieren in der Welle der Emotionen. Und ich wollte, dass du mir Halt gibst, ein Zuhause, einen Ort, an den ich immer wieder zurückkommen kann und wo ich mich aufgehoben fühle, geborgen.

Wenn du mir das nicht gegeben hast, war ich frustriert. Oder noch schlimmer, du hast es mir gegeben, viel zu viel davon, und ich habe die Schattenseiten deiner drei Gesichter gesehen. Statt heilig wirktest du abgehoben, entrückt, in höheren Sphären um dich selber kreisend. Dann wieder wirkst du billig, gierig, anbiedernd, wolltest mir Emotionen auf Knopfdruck verkaufen. Und manchmal fühlte ich mich von dir bevormundet, fremdbestimmt, bemuttert. Ich habe mir meinen Alltag von dir diktieren lassen, die Zeiten, wann ich abends und an Wochenenden zu Hause zu sein habe oder in der Kneipe. Ich war auch abhängig von dir.

Wann hat das angefangen, dass wir uns auseinandergelebt haben? 2006 vielleicht. Wir waren im Rausch, im Rausch begeht man Fehler. Du solltest plötzlich mehr für mich sein, für uns alle. Du solltest uns ein neues, unverkrampftes Nationalgefühl stiften. Beweisen, dass Integration funktioniert. Der Welt zeigen, dass wir Freunde sind. Wir haben eine Party aus dir gemacht und wollten, dass es immer so weitergeht. Es war eine Party auf Pump, nicht nur, weil wir diese WM vermutlich gekauft haben. Du solltest uns mehr geben, als du zu bieten hast. Manchmal bist du nur ein 0:0, in dieser Höhe angemessen. Das ist okay, eigentlich.

Doch wir haben immer mehr in dir gesehen. Politiker saßen auf den Tribünen und schwangen danach große Reden über deinen gesellschaftlichen Wert. Intellektuelle diskutierten deine Implikationen. Du wurdest besungen, verfilmt, vergöttert in immer größeren Kathedralen. Wie solltest du da nicht abheben?

Aber du hast das Spiel ja mitgemacht. Du saßest in den Talkshows und wolltest die Welt belehren. Du wolltest wichtiger sein, als du bist. Nicht mehr nur die schönste Nebensache. Und wurdest so eine hässliche Hauptsache. Du warst zu gierig. Konzerne, Mäzene, alte Männer mit Umschlägen, Aktionäre, Fernsehanstalten, du hast für alle getanzt und das Geld genommen, von jedem. Und dich nie gefragt, was du da eigentlich verkauft hast: deine Unschuld. Deine Werte.

Heute spulst du immer das gleiche Programm ab, ich weiß schon vorher, was passiert, es ist berechenbar. In der Bundesliga gewinnen immer die Bayern, im Europapokal die Spanier. Wir haben dir zu viel Geld gegeben, und du konntest damit nicht umgehen. Statt zu teilen, bist du auf Shoppingtour gegangen, hast dich mit Stars und Sternchen geschmückt, bis es einfach nur überladen wirkte.

Du hast keine Geheimnisse mehr, bist ausgeleuchtet, auserzählt, überverkauft: taktisch, statistisch, medial. Wir wissen, wer den Fehler gemacht hat, Experten arbeiten alles auf. Tor? Nicht-Tor? Torkamera. Wir schauen in die Kabinen, kennen den Alltag, die Frauen dahinter, die Autos, alles live auf allen sozialen Kanälen. Wir wollten alles von dir wissen, zu viel. Das Mysterium ist verloren gegangen, das Ungewisse, das Überraschende.

Du versuchst, mich nie zu enttäuschen, ja nichts Falsches in die Kamera zu sagen, alles zu normieren, ein perfektes Paket zu schnüren. Aber ich wollte mich ja reiben an dir, mich aufregen können, dann darüber lachen. Aber es ist so austauschbar geworden, was du mir servierst. An Wolfsburg, Hoffenheim, Ingolstadt stoße ich längst nicht mehr auf, eintöniger Einheitsbrei, der mich kalt lässt, irgendwann wird auch Leipzig Allerlei.

Ich hatte mal das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn ich dich nicht sehe. Etwas, das bleibt, an das wir noch lange zurückdenken werden. Aber nichts bleibt, nach dem Spiel ist ja gleich wieder vor dem Spiel. Da ist kein Raum zum Nachhallen, keine Zeit mehr für große Momente. Wenn ich dich ein halbes Jahr nicht sehen würde, hätte ich nicht das Gefühl, viel zu verpassen. Es passiert ja ständig etwas bei dir und damit im Grunde nichts.

Du wolltest immer besser sein, fitter, athletischer, hast deine Technik perfektioniert. Aber es waren deine kleinen Fehler, mit denen ich mich identifizieren konnte, denn ich habe sie ja auch. Jetzt sieht alles so mühelos aus. Ich habe dich bewundert, wenn du dich überwinden musstest, wenn du mehr aus dir herausgeholt hast, als möglich schien. Jetzt trinke ich noch Bier und du isotonische Getränke.

Das Schlimme ist: Wenn jemand käme und mir verraten würde, du wärest auf Pillen, dann wäre ich nicht einmal geschockt. Ich ahne bei deinem Pensum schon, dass du nachhelfen musst, damit es weitergeht, weiter, immer weiter. Dabei brauchen wir eher Entschleunigung.

Doch du glaubst, es wird besser, wenn du so weitermachst? Immer mehr Länder, immer mehr Spiele? Dass die Chinesen und Amerikaner dich feiern werden? Du faszinierst dort, wenn du hier faszinierst. Doch eine leere Hülle, ein entkerntes Produkt, eine abgerockte Diva auf Tour wird keine Arenen füllen.

Du musst erst einmal wieder zu dir finden, Fußball. Werde wieder du selbst. Das würde ich mir wünschen. Mach dich nicht größer, als du bist. Hör auf, so verdammt perfekt sein zu wollen. Sag auch mal Nein. Verzichte auf Geld, auf Auftritte. Versprich nichts. Sei streitbarer. Behalte deine Geheimnisse. Nimm dir deine Pausen. Lass uns warten auf dich. Vorfreude aufbauen. Und Distanz, dich zu bewundern. Lieber ein Date die Woche, als dich ständig zu sehen und doch nicht wiederzuerkennen.

Aber ich weiß nicht, ob du schon so weit bist. Ob erst der große Knall kommen muss, bevor du es kapierst. Das Geld fließt ja, aber Geld ist Liebe und wenn die ausbleibt, was fließt dann noch? Vielleicht liegt es auch an mir. Und du bist glücklicher mit deinem Chinesen. Ich wünsche euch dann eine schöne Party.

Aber ich weiß nicht, wie es mit uns weitergehen soll, Fußball. Ich hoffe immer noch, dass es wieder wird, wie es mal war. Vielleicht ist es jetzt besser, wenn wir uns erst mal eine Weile nicht sehen.

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Grüße aus Leipzig
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Und was ist daran jetzt besser?
Ich diskutiere nicht, ich erkläre lediglich, warum ich Recht habe. :wink:
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Re: Der moderne Fußball, eine einzige Zumutung?

Beitrag von Schwarzgelber »

Bin seit über 40 Jahren BvB-Fan, seit über 30 Jahren Mitglied.

Sky oder DAZN ? Schon vor Corona gekündigt. Da war die Luft schon irgendwie raus. Wenn ich Zeit habe schaue ich schon mal ins Sportstudio. Aber ich nehme sie mir nicht mehr so oft wie früher. Oder gehe mal in die Sky-Kneipe nebenan. Treffe mich mit Kumpels und Freunden. Auch schon mal wenn der BvB gar nicht spielt. Wenn der BvB dabei ist schaut man mal hin, aber diese Leidenschaft, dieses Zittern um den Sieg ? Ist nicht mehr da.

Dienstagabend. BvB gegen Sporting.

Hatte Feierabend und fuhr ca. 21:15 h an besagter Kneipe vorbei. Meine Frau war nicht daheim, überlegte kurz ob......!? Bin dann weitergefahren nach Hause. Ich hatte null Bock auf das CL-Vorrundengekicke mit hyperventilierenden Reportern.

Habe später auf kicker.de schon das Ergebnis gesucht. Im Grunde nichts verpasst.

Freue mich auf Sonntag, 15:00 Uhr Kreisliga A :-)


P.S.: Es geht letztlich überall ums Geld. Auch in der Oberliga, Landesliga oder Kreisliga. Es muss ja auch alles bezahlt werden. Aber es ist irgendwie alles ehrlicher.
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Re: Der moderne Fußball, eine einzige Zumutung?

Beitrag von bolz_platz_kind »

Heinz B. hat geschrieben: Donnerstag 30. September 2021, 19:40
bolz_platz_kind hat geschrieben: Donnerstag 30. September 2021, 18:57 Ach du grüne Neune.
Zum Glück war das nur ein "Gastkommentar" eines verbannten Rostockers, welcher jetzt in der Nähe von Wien seine Brötchen als freier Journalist verdienen muss.
Da lese ich doch lieber Dominik Bardow. Der hat wenigstens Ahnung vom Fußball ...

Kleines Beispiel gefällig? Kein Problem!
Hier ein 5 Jahre alter Beitrag von Dominik:


Lieber Fußball, ich kann nicht mehr!

Es wird mir alles zu viel. Ich habe nachgedacht, ich hatte Zeit. Jetzt war Länderspielpause, wir haben uns einige Tage nicht gesehen. Aber die Sehnsucht, dich am Samstagabend wiederzutreffen, hielt sich in Grenzen. Ich konnte mich nicht mehr freuen auf Deutschland gegen Tschechien. Es war einfach zu viel zuletzt: Bundesliga, Champions League, EM, Olympia, wieder Bundesliga. Wir hatten keinen Sommerurlaub voneinander. Wir gönnen uns ja keine Pausen mehr.

Es gibt da einfach keine Distanz mehr, ständig bist du da. Wir sehen uns montags bis sonntags. Wenn kein Spiel ist, dann gibt es Fußball-Talk, Fußball-Nachrichten, Pressekonferenzen, die Wiederholung einer Wiederholung. Du bist Alltag geworden und nichts Besonderes mehr. Du biederst dich regelrecht an, ständig bist du empfangbar.

Dein Gesicht ist für mich Gianni Infantino geworden: der Fifa-Präsident, ein Kugelkopf, wie ein Ball, der einen ständig angrinst und fragt: Na, willst du mehr?

Und jetzt, Fußball, höre ich von seinen Plänen für unsere Zukunft: eine Weltmeisterschaft mit 48 Mannschaften, in mehreren Ländern am besten. Eine Klub-WM vielleicht mit 32 Mannschaften. Die Europäer wollen eine Nations League. Die Bundesliga spielt jetzt montags, sicher bald mittags. Und von einer Superliga höre ich immer öfter, dauernd Bayern gegen Barcelona. Es gibt des Guten zu viel. Kann man sich jeden Tag die Mona Lisa anschauen, ohne dabei abzustumpfen?

Über all das ist da etwas verloren gegangen. Ein Gefühl, ich kann es schwer in Worte fassen. Ich fühle nur, wie ich müde werde, irgendwie satt und kälter dir gegenüber. Oder ich werde sauer. Wie soll ich dich wollen, Fußball, wenn du dich mir ständig an den Hals schmeißt? Aber du kriegst nicht genug, du willst alles: Asien, die USA, die ganze Welt soll dich lieben.

Wirst du nie müde? Bei der Europameisterschaft in Frankreich, da sahst du zum ersten Mal so richtig erschöpft aus, irgendwie verbraucht, schon in der Vorrunde k.o. Rumänien - Albanien, Ukraine - Nordirland, das waren keine Mona Lisas mehr, das waren Karikaturen.

Aber du rauschst von Party zu Party, jedes Spiel ist ein Event, du willst, dass alle mitfeiern, dabei weißt du wohl selbst nicht mehr, welcher Wochentag gerade ist. Du liebst das Blitzlicht, den roten Teppich und die Kameras, ohne geht es wohl nicht mehr, überall Kameras. Aber bist du das noch, hinter all dem Hochglanz? Alles ist so dick aufgetragen. Die rasierten Beine, die blondierten Haarspitzen, die albernen Tattoos - für wen machst du das? Wenn du deine Triumphe feierst, wirkt die Freude wie einstudiert, vor dem Spiegel geübt. Mehr für die anderen als für dich. Ich erkenne dich kaum noch und mich nicht mehr, deinen Verehrer.

Ich habe mich einmal in dich verliebt, und keiner könnte das besser ausdrücken als der große Nick Hornby, ganz plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an den Schmerz und die Zerrissenheit zu verschwenden, die damit verbunden sein würden. Doch wer hätte gedacht, dass der größte Schmerz und die schlimmste Zerrissenheit die Gleichgültigkeit sein würde, mit der ich dir heute gegenüberstehe. Dass du mir einmal egal werden wirst. Das hätte ich nie geglaubt, und es macht mich fertig.

Vielleicht habe ich zu viel von dir gewollt. Es klingt absurd, aber du solltest alles für mich sein: Heilige, Hure, Mutter. Ich wollte dich bewundern, deine Eleganz, deine fairen Ideale, deine große Kunst, die mich aus dem Alltag erhebt. Und ich wollte Leidenschaft, mich bei dir vergessen, Ekstase, singen, schreien, weinen, mich verlieren in der Welle der Emotionen. Und ich wollte, dass du mir Halt gibst, ein Zuhause, einen Ort, an den ich immer wieder zurückkommen kann und wo ich mich aufgehoben fühle, geborgen.

Wenn du mir das nicht gegeben hast, war ich frustriert. Oder noch schlimmer, du hast es mir gegeben, viel zu viel davon, und ich habe die Schattenseiten deiner drei Gesichter gesehen. Statt heilig wirktest du abgehoben, entrückt, in höheren Sphären um dich selber kreisend. Dann wieder wirkst du billig, gierig, anbiedernd, wolltest mir Emotionen auf Knopfdruck verkaufen. Und manchmal fühlte ich mich von dir bevormundet, fremdbestimmt, bemuttert. Ich habe mir meinen Alltag von dir diktieren lassen, die Zeiten, wann ich abends und an Wochenenden zu Hause zu sein habe oder in der Kneipe. Ich war auch abhängig von dir.

Wann hat das angefangen, dass wir uns auseinandergelebt haben? 2006 vielleicht. Wir waren im Rausch, im Rausch begeht man Fehler. Du solltest plötzlich mehr für mich sein, für uns alle. Du solltest uns ein neues, unverkrampftes Nationalgefühl stiften. Beweisen, dass Integration funktioniert. Der Welt zeigen, dass wir Freunde sind. Wir haben eine Party aus dir gemacht und wollten, dass es immer so weitergeht. Es war eine Party auf Pump, nicht nur, weil wir diese WM vermutlich gekauft haben. Du solltest uns mehr geben, als du zu bieten hast. Manchmal bist du nur ein 0:0, in dieser Höhe angemessen. Das ist okay, eigentlich.

Doch wir haben immer mehr in dir gesehen. Politiker saßen auf den Tribünen und schwangen danach große Reden über deinen gesellschaftlichen Wert. Intellektuelle diskutierten deine Implikationen. Du wurdest besungen, verfilmt, vergöttert in immer größeren Kathedralen. Wie solltest du da nicht abheben?

Aber du hast das Spiel ja mitgemacht. Du saßest in den Talkshows und wolltest die Welt belehren. Du wolltest wichtiger sein, als du bist. Nicht mehr nur die schönste Nebensache. Und wurdest so eine hässliche Hauptsache. Du warst zu gierig. Konzerne, Mäzene, alte Männer mit Umschlägen, Aktionäre, Fernsehanstalten, du hast für alle getanzt und das Geld genommen, von jedem. Und dich nie gefragt, was du da eigentlich verkauft hast: deine Unschuld. Deine Werte.

Heute spulst du immer das gleiche Programm ab, ich weiß schon vorher, was passiert, es ist berechenbar. In der Bundesliga gewinnen immer die Bayern, im Europapokal die Spanier. Wir haben dir zu viel Geld gegeben, und du konntest damit nicht umgehen. Statt zu teilen, bist du auf Shoppingtour gegangen, hast dich mit Stars und Sternchen geschmückt, bis es einfach nur überladen wirkte.

Du hast keine Geheimnisse mehr, bist ausgeleuchtet, auserzählt, überverkauft: taktisch, statistisch, medial. Wir wissen, wer den Fehler gemacht hat, Experten arbeiten alles auf. Tor? Nicht-Tor? Torkamera. Wir schauen in die Kabinen, kennen den Alltag, die Frauen dahinter, die Autos, alles live auf allen sozialen Kanälen. Wir wollten alles von dir wissen, zu viel. Das Mysterium ist verloren gegangen, das Ungewisse, das Überraschende.

Du versuchst, mich nie zu enttäuschen, ja nichts Falsches in die Kamera zu sagen, alles zu normieren, ein perfektes Paket zu schnüren. Aber ich wollte mich ja reiben an dir, mich aufregen können, dann darüber lachen. Aber es ist so austauschbar geworden, was du mir servierst. An Wolfsburg, Hoffenheim, Ingolstadt stoße ich längst nicht mehr auf, eintöniger Einheitsbrei, der mich kalt lässt, irgendwann wird auch Leipzig Allerlei.

Ich hatte mal das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn ich dich nicht sehe. Etwas, das bleibt, an das wir noch lange zurückdenken werden. Aber nichts bleibt, nach dem Spiel ist ja gleich wieder vor dem Spiel. Da ist kein Raum zum Nachhallen, keine Zeit mehr für große Momente. Wenn ich dich ein halbes Jahr nicht sehen würde, hätte ich nicht das Gefühl, viel zu verpassen. Es passiert ja ständig etwas bei dir und damit im Grunde nichts.

Du wolltest immer besser sein, fitter, athletischer, hast deine Technik perfektioniert. Aber es waren deine kleinen Fehler, mit denen ich mich identifizieren konnte, denn ich habe sie ja auch. Jetzt sieht alles so mühelos aus. Ich habe dich bewundert, wenn du dich überwinden musstest, wenn du mehr aus dir herausgeholt hast, als möglich schien. Jetzt trinke ich noch Bier und du isotonische Getränke.

Das Schlimme ist: Wenn jemand käme und mir verraten würde, du wärest auf Pillen, dann wäre ich nicht einmal geschockt. Ich ahne bei deinem Pensum schon, dass du nachhelfen musst, damit es weitergeht, weiter, immer weiter. Dabei brauchen wir eher Entschleunigung.

Doch du glaubst, es wird besser, wenn du so weitermachst? Immer mehr Länder, immer mehr Spiele? Dass die Chinesen und Amerikaner dich feiern werden? Du faszinierst dort, wenn du hier faszinierst. Doch eine leere Hülle, ein entkerntes Produkt, eine abgerockte Diva auf Tour wird keine Arenen füllen.

Du musst erst einmal wieder zu dir finden, Fußball. Werde wieder du selbst. Das würde ich mir wünschen. Mach dich nicht größer, als du bist. Hör auf, so verdammt perfekt sein zu wollen. Sag auch mal Nein. Verzichte auf Geld, auf Auftritte. Versprich nichts. Sei streitbarer. Behalte deine Geheimnisse. Nimm dir deine Pausen. Lass uns warten auf dich. Vorfreude aufbauen. Und Distanz, dich zu bewundern. Lieber ein Date die Woche, als dich ständig zu sehen und doch nicht wiederzuerkennen.

Aber ich weiß nicht, ob du schon so weit bist. Ob erst der große Knall kommen muss, bevor du es kapierst. Das Geld fließt ja, aber Geld ist Liebe und wenn die ausbleibt, was fließt dann noch? Vielleicht liegt es auch an mir. Und du bist glücklicher mit deinem Chinesen. Ich wünsche euch dann eine schöne Party.

Aber ich weiß nicht, wie es mit uns weitergehen soll, Fußball. Ich hoffe immer noch, dass es wieder wird, wie es mal war. Vielleicht ist es jetzt besser, wenn wir uns erst mal eine Weile nicht sehen.

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Und was ist daran jetzt besser?
Ernsthaft jetzt? Meine Mutti hat immer gesagt, es gibt keine dummen Fragen. Bei Euch Schalkern bin ich mir allerdings nicht mehr sicher. Und ich weiß wovon ich rede. Denn wenn Mutti früh zur Arbeit ging, hab ich die Stube ausgefegt. Frag den unaussprechlichen Wolfsburger ... oder Opi.

So, Spaß beiseite ... zurück zu Deiner Frage:

Der qualitative Unterschied der Berichterstattung!
Auf der einen Seite ein Stubenhocker namens Christian Bartlau, welcher meint jetzt große Töne spucken zu müssen, obwohl er eigentlich in der Politik unterwegs ist. Auf der anderen Seite ein richtiger Fußball-Fan namens Dominik Bardow, welcher das Szenario bereits vor mehreren Jahren vorausgesehen hat.
Finde den Fehler!


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Re: Der moderne Fußball, eine einzige Zumutung?

Beitrag von Heinz B. »

bolz_platz_kind hat geschrieben: Donnerstag 30. September 2021, 22:15
Heinz B. hat geschrieben: Donnerstag 30. September 2021, 19:40
bolz_platz_kind hat geschrieben: Donnerstag 30. September 2021, 18:57 Ach du grüne Neune.
Zum Glück war das nur ein "Gastkommentar" eines verbannten Rostockers, welcher jetzt in der Nähe von Wien seine Brötchen als freier Journalist verdienen muss.
Da lese ich doch lieber Dominik Bardow. Der hat wenigstens Ahnung vom Fußball ...

Kleines Beispiel gefällig? Kein Problem!
Hier ein 5 Jahre alter Beitrag von Dominik:


Lieber Fußball, ich kann nicht mehr!

Es wird mir alles zu viel. Ich habe nachgedacht, ich hatte Zeit. Jetzt war Länderspielpause, wir haben uns einige Tage nicht gesehen. Aber die Sehnsucht, dich am Samstagabend wiederzutreffen, hielt sich in Grenzen. Ich konnte mich nicht mehr freuen auf Deutschland gegen Tschechien. Es war einfach zu viel zuletzt: Bundesliga, Champions League, EM, Olympia, wieder Bundesliga. Wir hatten keinen Sommerurlaub voneinander. Wir gönnen uns ja keine Pausen mehr.

Es gibt da einfach keine Distanz mehr, ständig bist du da. Wir sehen uns montags bis sonntags. Wenn kein Spiel ist, dann gibt es Fußball-Talk, Fußball-Nachrichten, Pressekonferenzen, die Wiederholung einer Wiederholung. Du bist Alltag geworden und nichts Besonderes mehr. Du biederst dich regelrecht an, ständig bist du empfangbar.

Dein Gesicht ist für mich Gianni Infantino geworden: der Fifa-Präsident, ein Kugelkopf, wie ein Ball, der einen ständig angrinst und fragt: Na, willst du mehr?

Und jetzt, Fußball, höre ich von seinen Plänen für unsere Zukunft: eine Weltmeisterschaft mit 48 Mannschaften, in mehreren Ländern am besten. Eine Klub-WM vielleicht mit 32 Mannschaften. Die Europäer wollen eine Nations League. Die Bundesliga spielt jetzt montags, sicher bald mittags. Und von einer Superliga höre ich immer öfter, dauernd Bayern gegen Barcelona. Es gibt des Guten zu viel. Kann man sich jeden Tag die Mona Lisa anschauen, ohne dabei abzustumpfen?

Über all das ist da etwas verloren gegangen. Ein Gefühl, ich kann es schwer in Worte fassen. Ich fühle nur, wie ich müde werde, irgendwie satt und kälter dir gegenüber. Oder ich werde sauer. Wie soll ich dich wollen, Fußball, wenn du dich mir ständig an den Hals schmeißt? Aber du kriegst nicht genug, du willst alles: Asien, die USA, die ganze Welt soll dich lieben.

Wirst du nie müde? Bei der Europameisterschaft in Frankreich, da sahst du zum ersten Mal so richtig erschöpft aus, irgendwie verbraucht, schon in der Vorrunde k.o. Rumänien - Albanien, Ukraine - Nordirland, das waren keine Mona Lisas mehr, das waren Karikaturen.

Aber du rauschst von Party zu Party, jedes Spiel ist ein Event, du willst, dass alle mitfeiern, dabei weißt du wohl selbst nicht mehr, welcher Wochentag gerade ist. Du liebst das Blitzlicht, den roten Teppich und die Kameras, ohne geht es wohl nicht mehr, überall Kameras. Aber bist du das noch, hinter all dem Hochglanz? Alles ist so dick aufgetragen. Die rasierten Beine, die blondierten Haarspitzen, die albernen Tattoos - für wen machst du das? Wenn du deine Triumphe feierst, wirkt die Freude wie einstudiert, vor dem Spiegel geübt. Mehr für die anderen als für dich. Ich erkenne dich kaum noch und mich nicht mehr, deinen Verehrer.

Ich habe mich einmal in dich verliebt, und keiner könnte das besser ausdrücken als der große Nick Hornby, ganz plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an den Schmerz und die Zerrissenheit zu verschwenden, die damit verbunden sein würden. Doch wer hätte gedacht, dass der größte Schmerz und die schlimmste Zerrissenheit die Gleichgültigkeit sein würde, mit der ich dir heute gegenüberstehe. Dass du mir einmal egal werden wirst. Das hätte ich nie geglaubt, und es macht mich fertig.

Vielleicht habe ich zu viel von dir gewollt. Es klingt absurd, aber du solltest alles für mich sein: Heilige, Hure, Mutter. Ich wollte dich bewundern, deine Eleganz, deine fairen Ideale, deine große Kunst, die mich aus dem Alltag erhebt. Und ich wollte Leidenschaft, mich bei dir vergessen, Ekstase, singen, schreien, weinen, mich verlieren in der Welle der Emotionen. Und ich wollte, dass du mir Halt gibst, ein Zuhause, einen Ort, an den ich immer wieder zurückkommen kann und wo ich mich aufgehoben fühle, geborgen.

Wenn du mir das nicht gegeben hast, war ich frustriert. Oder noch schlimmer, du hast es mir gegeben, viel zu viel davon, und ich habe die Schattenseiten deiner drei Gesichter gesehen. Statt heilig wirktest du abgehoben, entrückt, in höheren Sphären um dich selber kreisend. Dann wieder wirkst du billig, gierig, anbiedernd, wolltest mir Emotionen auf Knopfdruck verkaufen. Und manchmal fühlte ich mich von dir bevormundet, fremdbestimmt, bemuttert. Ich habe mir meinen Alltag von dir diktieren lassen, die Zeiten, wann ich abends und an Wochenenden zu Hause zu sein habe oder in der Kneipe. Ich war auch abhängig von dir.

Wann hat das angefangen, dass wir uns auseinandergelebt haben? 2006 vielleicht. Wir waren im Rausch, im Rausch begeht man Fehler. Du solltest plötzlich mehr für mich sein, für uns alle. Du solltest uns ein neues, unverkrampftes Nationalgefühl stiften. Beweisen, dass Integration funktioniert. Der Welt zeigen, dass wir Freunde sind. Wir haben eine Party aus dir gemacht und wollten, dass es immer so weitergeht. Es war eine Party auf Pump, nicht nur, weil wir diese WM vermutlich gekauft haben. Du solltest uns mehr geben, als du zu bieten hast. Manchmal bist du nur ein 0:0, in dieser Höhe angemessen. Das ist okay, eigentlich.

Doch wir haben immer mehr in dir gesehen. Politiker saßen auf den Tribünen und schwangen danach große Reden über deinen gesellschaftlichen Wert. Intellektuelle diskutierten deine Implikationen. Du wurdest besungen, verfilmt, vergöttert in immer größeren Kathedralen. Wie solltest du da nicht abheben?

Aber du hast das Spiel ja mitgemacht. Du saßest in den Talkshows und wolltest die Welt belehren. Du wolltest wichtiger sein, als du bist. Nicht mehr nur die schönste Nebensache. Und wurdest so eine hässliche Hauptsache. Du warst zu gierig. Konzerne, Mäzene, alte Männer mit Umschlägen, Aktionäre, Fernsehanstalten, du hast für alle getanzt und das Geld genommen, von jedem. Und dich nie gefragt, was du da eigentlich verkauft hast: deine Unschuld. Deine Werte.

Heute spulst du immer das gleiche Programm ab, ich weiß schon vorher, was passiert, es ist berechenbar. In der Bundesliga gewinnen immer die Bayern, im Europapokal die Spanier. Wir haben dir zu viel Geld gegeben, und du konntest damit nicht umgehen. Statt zu teilen, bist du auf Shoppingtour gegangen, hast dich mit Stars und Sternchen geschmückt, bis es einfach nur überladen wirkte.

Du hast keine Geheimnisse mehr, bist ausgeleuchtet, auserzählt, überverkauft: taktisch, statistisch, medial. Wir wissen, wer den Fehler gemacht hat, Experten arbeiten alles auf. Tor? Nicht-Tor? Torkamera. Wir schauen in die Kabinen, kennen den Alltag, die Frauen dahinter, die Autos, alles live auf allen sozialen Kanälen. Wir wollten alles von dir wissen, zu viel. Das Mysterium ist verloren gegangen, das Ungewisse, das Überraschende.

Du versuchst, mich nie zu enttäuschen, ja nichts Falsches in die Kamera zu sagen, alles zu normieren, ein perfektes Paket zu schnüren. Aber ich wollte mich ja reiben an dir, mich aufregen können, dann darüber lachen. Aber es ist so austauschbar geworden, was du mir servierst. An Wolfsburg, Hoffenheim, Ingolstadt stoße ich längst nicht mehr auf, eintöniger Einheitsbrei, der mich kalt lässt, irgendwann wird auch Leipzig Allerlei.

Ich hatte mal das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn ich dich nicht sehe. Etwas, das bleibt, an das wir noch lange zurückdenken werden. Aber nichts bleibt, nach dem Spiel ist ja gleich wieder vor dem Spiel. Da ist kein Raum zum Nachhallen, keine Zeit mehr für große Momente. Wenn ich dich ein halbes Jahr nicht sehen würde, hätte ich nicht das Gefühl, viel zu verpassen. Es passiert ja ständig etwas bei dir und damit im Grunde nichts.

Du wolltest immer besser sein, fitter, athletischer, hast deine Technik perfektioniert. Aber es waren deine kleinen Fehler, mit denen ich mich identifizieren konnte, denn ich habe sie ja auch. Jetzt sieht alles so mühelos aus. Ich habe dich bewundert, wenn du dich überwinden musstest, wenn du mehr aus dir herausgeholt hast, als möglich schien. Jetzt trinke ich noch Bier und du isotonische Getränke.

Das Schlimme ist: Wenn jemand käme und mir verraten würde, du wärest auf Pillen, dann wäre ich nicht einmal geschockt. Ich ahne bei deinem Pensum schon, dass du nachhelfen musst, damit es weitergeht, weiter, immer weiter. Dabei brauchen wir eher Entschleunigung.

Doch du glaubst, es wird besser, wenn du so weitermachst? Immer mehr Länder, immer mehr Spiele? Dass die Chinesen und Amerikaner dich feiern werden? Du faszinierst dort, wenn du hier faszinierst. Doch eine leere Hülle, ein entkerntes Produkt, eine abgerockte Diva auf Tour wird keine Arenen füllen.

Du musst erst einmal wieder zu dir finden, Fußball. Werde wieder du selbst. Das würde ich mir wünschen. Mach dich nicht größer, als du bist. Hör auf, so verdammt perfekt sein zu wollen. Sag auch mal Nein. Verzichte auf Geld, auf Auftritte. Versprich nichts. Sei streitbarer. Behalte deine Geheimnisse. Nimm dir deine Pausen. Lass uns warten auf dich. Vorfreude aufbauen. Und Distanz, dich zu bewundern. Lieber ein Date die Woche, als dich ständig zu sehen und doch nicht wiederzuerkennen.

Aber ich weiß nicht, ob du schon so weit bist. Ob erst der große Knall kommen muss, bevor du es kapierst. Das Geld fließt ja, aber Geld ist Liebe und wenn die ausbleibt, was fließt dann noch? Vielleicht liegt es auch an mir. Und du bist glücklicher mit deinem Chinesen. Ich wünsche euch dann eine schöne Party.

Aber ich weiß nicht, wie es mit uns weitergehen soll, Fußball. Ich hoffe immer noch, dass es wieder wird, wie es mal war. Vielleicht ist es jetzt besser, wenn wir uns erst mal eine Weile nicht sehen.

https://www.tagesspiegel.de/sport/bunde ... 60600.html


Grüße aus Leipzig
:|
Und was ist daran jetzt besser?
Ernsthaft jetzt? Meine Mutti hat immer gesagt, es gibt keine dummen Fragen. Bei Euch Schalkern bin ich mir allerdings nicht mehr sicher. Und ich weiß wovon ich rede. Denn wenn Mutti früh zur Arbeit ging, hab ich die Stube ausgefegt. Frag den unaussprechlichen Wolfsburger ... oder Opi.

So, Spaß beiseite ... zurück zu Deiner Frage:

Der qualitative Unterschied der Berichterstattung!
Auf der einen Seite ein Stubenhocker namens Christian Bartlau, welcher meint jetzt große Töne spucken zu müssen, obwohl er eigentlich in der Politik unterwegs ist. Auf der anderen Seite ein richtiger Fußball-Fan namens Dominik Bardow, welcher das Szenario bereits vor mehreren Jahren vorausgesehen hat.
Finde den Fehler!


Grüße aus dem Stadion
Stubenhocker hin oder her. Ich finde viel Richtiges in dem, was er schreibt. Und ein neutraler Blick ist oft genauso interessant, wie der eines Fachmanns. Oder sogar besser, wenn der Fachmann Rety oder Reif heißt. :wink:
Ich diskutiere nicht, ich erkläre lediglich, warum ich Recht habe. :wink:
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bolz_platz_kind
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Re: Der moderne Fußball, eine einzige Zumutung?

Beitrag von bolz_platz_kind »

Heinz B. hat geschrieben: Freitag 1. Oktober 2021, 08:39
bolz_platz_kind hat geschrieben: Donnerstag 30. September 2021, 22:15
Heinz B. hat geschrieben: Donnerstag 30. September 2021, 19:40
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Und was ist daran jetzt besser?
Ernsthaft jetzt? Meine Mutti hat immer gesagt, es gibt keine dummen Fragen. Bei Euch Schalkern bin ich mir allerdings nicht mehr sicher. Und ich weiß wovon ich rede. Denn wenn Mutti früh zur Arbeit ging, hab ich die Stube ausgefegt. Frag den unaussprechlichen Wolfsburger ... oder Opi.

So, Spaß beiseite ... zurück zu Deiner Frage:

Der qualitative Unterschied der Berichterstattung!
Auf der einen Seite ein Stubenhocker namens Christian Bartlau, welcher meint jetzt große Töne spucken zu müssen, obwohl er eigentlich in der Politik unterwegs ist. Auf der anderen Seite ein richtiger Fußball-Fan namens Dominik Bardow, welcher das Szenario bereits vor mehreren Jahren vorausgesehen hat.
Finde den Fehler!


Grüße aus dem Stadion
Stubenhocker hin oder her. Ich finde viel Richtiges in dem, was er schreibt. Und ein neutraler Blick ist oft genauso interessant, wie der eines Fachmanns. Oder sogar besser, wenn der Fachmann Rety oder Reif heißt. :wink:
Ist halt alles Geschmacksache, wie so vieles im Leben.
Bei Béla Réthy gebe ich dir Recht. Nicht umsonst hat ihn das ZDF ausgewechselt. Bei Marcel Reif gehe ich nicht konform mit dir. Der Mann wertet jede Gesprächsrunde auf, auch wenn er sich manchmal etwas unglücklich ausdrückt. Zumindest für den besorgten, deutschen Bürger. :wink:


Sportliche Grüße
E = mc² und zwei mal drei macht vier