Fußballgeschichten

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erpie
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SC Aleviten Paderborn „Das Boot ist nie voll“

Beitrag von erpie »

Der Kreisligist SC Aleviten Paderborn ist in Deutschland einmalig. Über 2.000 Geflüchtete haben ihn bereits durchlaufen. Die AfD will ihn verscheuchen. Den Verein macht das nur stärker.
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Sogar Oliver Kahn hat schon versucht, die Hochspannungsleitung zu treffen, die über das Spielfeld führt. Geschafft hat er es nicht. Vielmehr ist er, wie alle anderen, die vor und nach ihm scheiterten, einer optischen Täuschung auf den Leim gegangen. Denn es sieht nur so aus, als hingen die schlaffen Leitungen in erreichbarer Entfernung. Hier im Hermann-Löns-Stadion im Norden Paderborns, dem einzigen (ehemaligen) Profi-Platz Deutschlands, der von Stromleitungen überquert wird. Aber auch der Verein, der hier seit acht Jahren seine Heimat hat, ist so ziemlich einmalig. Spieler aus 41 Nationen spielen derzeit für den SC Aleviten Paderborn. Es waren sogar mal mehr.

„Er gibt Menschen eine Perspektive, die sonst in diesem Land keine bekommen“, sagt Verani Kartum, Gründer und Vorsitzender des Klubs. Der drahtige Mann steht vor dem Vereinsheim, er hält eine Zigarette in der Hand, trägt eine grüne Trainingsjacke, mindestens eine Nummer zu groß. Er spricht schnell, hat viel zu erzählen, manchmal überschlagen sich seine Worte. Dann wieder sind sie glasklar. Etwa wenn Kartum sagt: „Das Boot ist nie zu voll.“

Vor elf Jahren gründete der heute 54-Jährige den SC Aleviten Paderborn. Einen Verein, der jeden willkommen heißt. Und bei dem dieser Satz keine Plattitüde ist, sondern eine Lebensauffassung. Wo sich Schwarze, Weiße, Homo- und Heterosexuelle, Menschen mit Behinderung, Kurden, Türken, Syrer, Ukrainer, Russen oder Deutsche zusammenfinden. Ein Verein, den sich Verani Kartum gewünscht hätte, als er Ende der Siebziger mit sieben Jahren aus der Türkei nach Deutschland kam. Als ihm die Deutschen so fremd waren. Genau wie seine Eltern, die Gastarbeiter. Die ihn bei seinem Onkel haben aufwachsen lassen. Bei dem er sich mit seinen drei Geschwistern ein Bett teilen musste. In der ostwestfälischen Nachbarschaft war man nicht erfreut über die Zugereisten. In der Schule auch nicht. Kartums Mitschüler nannten ihn „Kümmeltürke“. Der kleine Verani weinte an vielen Abenden.
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Im Januar 2016 parkte zum ersten Mal der berüchtigte Bulli vor Mohammads Haustür. Das Markenzeichen des SC Aleviten. Mit dem Auto holte Kartums Team seinerzeit die Neuen ab, die den Weg zum Platz noch nicht kannten. Teilweise kamen 80 Leute. „Wir fuhren hin und her. Bis alle Kids da waren, war es schon wieder dunkel und das Training vorbei“, sagt Verani Kartum. „Irgendwann hielt uns die Polizei an. Die dachten, wir sind eine Schlepperbande.“ Mohammad lacht. Sein Zahnpasta-Lächeln könnte die Zahnsanierungstheorie von Friedrich Merz stützen. Der CDU-Vorsitzende hatte im letzten Jahr behauptet, Asylbewerber nähmen Deutschen beim Zahnarzt die Termine weg. Mohammad aber will niemandem etwas wegnehmen, zumal er gar kein Asylbewerber mehr ist. Er ist die Blaupause. Für gelungene Integration. Letztes Jahr hat er seine Gesellenprüfung als Maler und Lackierer abgelegt. Im März hat Mohammad den deutschen Pass beantragt. „Selbst wenn der Krieg in Syrien irgendwann vorbei ist, würde ich nicht zurückkehren. Ich bin in Deutschland zu Hause“, sagt er.
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Aber auch Erfolgsgeschichten wie die von Mohammad lassen nicht jeden Zweifel verstummen. Längst nicht allen gefällt, was der SC Aleviten Paderborn tut. Die AfD hat schon mehrmals einen Antrag an die Stadt gestellt, dass der Verein nicht mehr im Hermann-Löns-Stadion spielen dürfe. Der Antrag wurde jedes Mal abgelehnt. Verani Kartum hat aufgehört, die Beweggründe verstehen zu wollen. Er deutet auf den Vorplatz und sagt: „Vor solchen Jungs hat die AfD Angst. Das ist doch bescheuert.“ Seine Rechnung ist simpel: Gib Menschen, die nach Deutschland kommen, eine Perspektive, und sie werden ein Teil der Gesellschaft. Gibst du ihnen keine, lässt sie links liegen, siehst sie als Störer einer Gemeinschaft an, dann werden sie sich wehren. „Aber die Jungs hier sind doch nach dem Kicken viel zu schlapp, um noch Mist zu bauen.“
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https://www.11freunde.de/amateure/amate ... 4104a74f6b
Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.
(Oscar Wilde)
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Re: Fußballgeschichten

Beitrag von erpie »

Und wieder etwas aus der "guten alten Zeit" :mrgreen:
Am 18. Juni 1980 schießt Wilfried van Moer kein Tor. Er bereitet auch keines vor und wird nach 48 Minuten ausgewechselt. Das Spiel ist nicht besonders ansehnlich, es endet 0:0. Trotzdem ist es die wichtigste Partie in Van Moers Karriere, es ist sein Signature-Spiel.

Belgien trifft damals im Stadio Olimpico von Rom auf EM-Gastgeber Italien. Es geht um den Finaleinzug. Den Belgiern genügt ein Unentschieden, Italien muss gewinnen. Van Moer kämpft buchstäblich bis zum Umfallen. Er spielt aggressiv, aber nicht unfair. Er passt den Ball aus der bekannten Tiefe des Raumes, er grätscht die gegnerischen Angriffe ab. Er ist Regisseur und Dauerläufer, Günter Netzer und Herbert Wimmer in einer Person.
Bis zwei Uhr im „Wembley“

Van Moer ist damals 35 Jahre alt, und eigentlich ist seine große Zeit vorbei. Wenige Monate zuvor hat er noch bei einem kleinen Klub in Beringen gekickt, wo er seine Karriere als Halbprofi ausklingen ließ, abends stand er bis zwei Uhr am Zapfhahn seiner eigenen Kneipe „Wembley“. Er hat seit fünf Jahren kein Länderspiel mehr bestritten. Dann aber, kurz vor Ende der EM-Qualifikation, klingelt sein Telefon. Nationaltrainer Guy Thys flehte: „Wilfried, wir brauchen dich!“
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Das Spiel gegen Italien, dieses dreckige 0:0, ist das Happy End einer der besten Comeback-Storys des Fußballs. Und es ist Van Moers persönliche Rache.

Dann, am 13. Mai 1972, scheint alles vorbei. Van Moer, gerade mal 27 Jahre alt, spielt mit Belgien im EM-Viertelfinale gegen Italien. 0:0 endet das Hinspiel, 2:1 gewinnen die Belgier im Rückspiel. Ein ganzes Land feiert ein Fußballteam. Nur einer kann sich nicht so recht freuen: Wilfried van Moer. Er hat im Rückspiel zwar das wichtige Tor zum 1:0 erzielt, danach aber tritt ihn Inter-Verteidiger Mario Bertini brutal vom Platz. Die Diagnose: mehrfacher Beinbruch. Van Moers wird nie wieder so gut spielen wie zuvor. Er wechselt nach Beringen, eine 40 000-Einwohner-Gemeinde unweit der holländischen Grenze, und macht sich Gedanken, wie es weitergehen soll.

Ende der Siebziger geht es dem belgischen Fußball nicht gut. 1976 scheitert die Nationalelf im EM-Viertelfinale krachend gegen die Niederlande (0:5, 1:2), und für die WM 1978 kann sie sich nicht mal qualifizieren. Auch die Europameisterschaft 1980 droht ohne die Belgier stattzufinden, aus den ersten vier Qualifikationsspielen holt die Mannschaft vier Unentschieden. Das fünfte Spiel gewinnt das Team mit Ach und Krach 2:1 gegen Norwegen. Aber weil die Skandinavier damals echte
Fußballzwerge sind und Belgien weiterhin inspirationslos spielt, platzt dem bekannten Sportreporter Rik De Saedeleer der Kragen. „Ihr Team hat keinen Spielgestalter und keinen Kopf. Sie brauchen einen Typen wie Wilfried van Moer, wenn Sie noch nach Italien möchten!“, ruft er Belgiens Trainer Guy Thys zu. Und der nimmt tatsächlich den Telefonhörer in die Hand und wählt die Nummer der „Wembley“-Kneipe.
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„Die anderen Mannschaften hatten die Stars, Schuster, Keegan, Altobelli, aber wir hatten ein Team“, sagt Torhüter Jean-Marie Pfaff, der damals noch halbtags in einer Bank jobbt. Das 1:1 im Auftaktspiel gegen England sei besonders wichtig gewesen. „Alle dachten, wir verlieren 0:5 oder 0:6. Aber dann schossen wir ein Tor, wir merkten: Hier ist was drin.“ Im entscheidenden Gruppenspiel ist Italien, Weltmeister in spe, trotzdem haushoher Favorit. Auch deshalb zeigt sich Trainer Enzo Bearzot nach dem 0:0 als schlechter Verlierer: „Diese Belgier haben keinen Fußball gespielt, sie haben es nicht verdient, um den EM-Titel mitzuspielen.“ Wilfried van Moer muss sich auf die Zunge beißen, Trainer Guy Thys kontert mühelos: „Wir haben die Italiener mit italienischen Mitteln besiegt: Zeit schinden, Spielrhythmus zerstören, mit Händen und Füßen kloppen und auch das Spucken nicht vergessen.“
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Die letzten Minuten

Wäre im Sommer 1980 sogar mehr drin gewesen? Hrubesch machte das zweite Tor ja erst zwei Minuten vor Schluss. „Wir hatten gehofft, dass die Deutschen müde werden“, sagt Van Moer, „aber sie machten einfach weiter wie ein D-Zug.“ Dafür seien sie selbst irgendwann müde geworden. Aber vermutlich lag es daran, dass er und seine Mitspieler nach dem Sieg gegen Italien bis 4.30 Uhr in der Nacht gefeiert hatten. „Mit einer großen Flasche amerikanischem Whisky.“
https://www.11freunde.de/em/wilfried-va ... 0001563613
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Re: Fußballgeschichten

Beitrag von erpie »

Da musste auch erstmal drauf kommen...
Couple-Transfer
Next Level Transfer Shit: Gibt es bald den ersten Couple-Wechsel? Wie Juventus Turin jetzt bekanntgab, hat der Verein Douglas Luiz von Aston Villa gekauft. Paartherapeut a.D. Fabrizio Romano hatte schon vor einigen Wochen berichtet, dass sich die Italiener auch mit Alisha Lehmann, der Freundin des Brasilianers, befassen. Die Schweizerin spielt derzeit ebenfalls bei Aston Villa. Der Deal wäre in erster Linie ein PR-Stunt, denn Lehmann tritt weniger hölzern im Netz auf als ihr Namensvetter Jens. Sie ist als Influencerin bekannt und hat 16,6 Millionen Instagram-Follower. Für alle Boomer: Das ist ungefähr 16-mal das Saarland. Mannoman! Couple-Transfers! Hätte es sowas mal zu Holger Fachs Zeiten schon gegeben.
11freunde am Morgen.
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Theken-Truppe im Europapokal

Beitrag von erpie »

Hinweis: Der Text erschien erstmals vor einem Jahr. In der aktuellen Saison läuft es für die Magpies sogar noch besser: Am vergangenen Donnerstag zog die „Kneipentruppe“ in die 2. Runde der Conference-League-Quali ein, wo sie in dieser Woche auf den FC Kopenhagen trifft.

Er lebt den Traum eines jeden Football-Manager-Zockers: Louis Perry (28) hat einen Fußballklub von Null bis in den europäischen Wettbewerb geführt. Der Engländer hat den FC Bruno's Magpies sogar selbst gegründet. Vor ziemlich genau zehn Jahren. Als reine Thekentruppe. „Schon zu Beginn hatten wir eine Menge technisch guter Spieler an Bord“, verrät Perry dem Daily Star, „aber das Problem war, dass wir alle übergewichtig und große Trinker waren.“

Als Louis Perry 2013 vom verregneten Nordengland ins sonnige Gibraltar zog, hatte er eigentlich einen ganz anderen Plan in der Tasche: Der damals 18-Jährige wollte einfach nur in den sonnigen Tag hinein leben. Seine Großeltern betrieben in Gibraltar eine belebte Bar namens „Bruno's“, die ebenso Eingang in den Namen von Perrys Verein finden sollte wie die Magpies (Elstern) – der Spitzname seiner Kindheitsliebe Newcastle United. Wenig überraschend trägt der FC Bruno's Magpies ebenfalls Trikots mit schwarz-weißen Längsstreifen.
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https://www.11freunde.de/international/ ... 0008893511
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