Old Firm

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erpie
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Old Firm

Beitrag von erpie »

Das könnte lustig werden...
Für Ex-Rangers-Star Ally McCoist ist das Ganze einfach nur „Wahnsinn“. Der 61-Jährige fürchtet das „Ende der Meinungsfreiheit“. Was ist da los? In McCoists Heimat Schottland gilt seit Ostermontag ein neues regionales Gesetz gegen Hasskriminalität und zum Schutz der öffentlichen Ordnung. Definiert wird darin auch ein neuer Kriminalitäts-Tatbestand: das „Schüren von Hass“ durch abfällige Verweise auf Alter, Behinderung, Religion, sexuelle Orientierung, Transgender-Identität oder Intersexualität anderer Personen. Wer in grober Weise und wiederholt gegen das Gesetz verstößt, muss mit bis zu sieben Jahren Haft rechnen.
...
Ally McCoist, ein bekennender Protestant, lebenslanger Rangers-Anhänger und leidenschaftlicher Anti-Wokeness-Aktivist, findet das neue Gesetz im Hinblick auf den Fußball völlig übertrieben. „Dann müssen sie mich und 48.000 weitere Rangers-Fans am Sonntag verhaften“, erklärte der 61-malige schottische Nationalspieler via Daily Mail: „Ich kann Ihnen garantieren, dass ich am Sonntag in Ibrox zusammen mit 48.000 anderen Menschen während dieses besonderen Spiels mehrfach gegen dieses Hassgesetz verstoßen werde.“

Laut dem neuen Gesetz kann eine Person für schuldig befunden kann, wenn sie „mit der Absicht, Hass (…) zu schüren, Inhalte kommuniziert oder sich auf eine Art und Weise verhält, die ein vernünftiger Mensch als bedrohlich oder beleidigend empfinden würde“. Kritiker sagen, das Gesetz sei sehr weit gefasst und könnte dazu genutzt werden, die freie Meinungsäußerung zu unterdrücken. Völlig unschuldige Menschen könnten künftig im
Gefängnis landen, nur weil sie das falsche Pronomen für eine Transgender-Person verwenden. Das ist natürlich kompletter Quatsch.
https://www.11freunde.de/international/ ... 554ff0f08f
Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.
(Oscar Wilde)
Weil das Denken so schwierig ist, urteilt man lieber.
(Sandor Márai)
Gruß
erpie
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erpie
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Re: Old Firm

Beitrag von erpie »

Hier ein paar Stories aus der Historie:
Spoiler
Show
Old Firm in Glasgow: Woher rührt die Rivalität zwischen Celtic und Rangers?

Es gab mal ein Derby in Glasgow, bei dem selbst berittene Polizei das Spielfeld nicht von prügelnden Menschen räumen konnte. Aus dem Rasen hatten enthemmte Fans in ihrer Wut große Klumpen herausgerissen, und beide Tore waren nur noch Kleinholz.

Die Tribünen brannten, aber als die Feuerwehr kam, um zu helfen, wurde sie mit Fausthieben und Fußtritten empfangen. Am Ende des Tages lagen mehr als hundert Verletzte in den Krankenhäusern der Stadt. Das war am 17. April 1909 – als die Rivalität zwischen Celtic und Rangers noch harmlos war.

Es gab mal ein Derby in Glasgow, bei dem ein Fan dem Schiedsrichter eine Münze an den Kopf warf, ein zweiter es bis aufs Spielfeld schaffte, um den Referee anzugreifen, und ein dritter sich so aufregte, dass er den Halt verlor und vom oberen Rang der Tribüne stürzte. In diesem Spiel dauerte es 22 Sekunden bis zum ersten Foul, keine sechzig bis zum zweiten, und schließlich wurden drei Spieler des Feldes verwiesen. Das war neun Jahrzehnte später, am 2. Mai 1999.

Da war zwar die Rivalität der beiden Klubs längst legendär, doch auf dem Rasen standen insgesamt 19 Nicht-Schotten, darunter Stefan Klos aus Westfalen und Jörg Albertz vom Niederrhein. Keiner dieser Fremden würde je verstehen, wie tief die Feindschaft zwischen Rangers und Celtic ging, denn dazu musste man auf den Straßen der Stadt groß geworden sein.

Der Untergang des Fußballs

Trotzdem schlugen sich diese Profis aus aller Herren Länder wie die Kesselflicker und verteidigten jeden Grashalm, als hinge das Leben ihrer eigenen Kinder davon ab. Die Zeitung „Daily Record“ sprach am nächsten Tag von „Wahnsinn“, bezeichnete zumindest einen Spieler, den Franzosen Stéphane Mahé, als „besessen“ und prophezeite den Untergang des Fußballs.

Willkommen in der wahnwitzigen Parallelwelt der „Old Firm“. Einer Welt, die ganz sicher schon lange von der Zeit überholt worden ist, ohne es zu merken. Eine Welt, in der das irrsinnigste Derby des Universums zum Alltag gehört. Denn das ist – oder war – das Duell zwischen Celtic und Rangers zweifellos.

Bei manchen Rivalitäten macht ja nur die räumliche Nähe oder eine sportliche Konkurrenzsituation die Brisanz aus, manchmal geht es um soziale Unterschiede, manchmal auch um politische oder kulturelle, in seltenen Fällen sogar um religiöse. Aber nur in Glasgow geht es um alles. Und um noch viel mehr.

Geld, zum Beispiel. Einige Zyniker sagen sogar, es wäre immer in erster Linie darum gegangen. Schon der Ausdruck „Old Firm“ drückt das aus. Was auch immer deutschsprachige Internetquellen behaupten mögen, er bezeichnet weder das Derby selbst noch die Rivalität der beiden Klubs. Und „Firm“ ist auch nicht vorrangig im Sinne von „fest, beständig“ zu verstehen, sondern steht in der Tat für eine Firma.

In diesem Krieg hat keiner Recht

„Das beste Synonym ist wohl ‚Das Monopol'“, sagt der Glasgower Alex Anderson, der ein Buch über die Rangers geschrieben hat. „Der Ausdruck wurde schon 1904 geprägt, um deutlich zu machen, dass die beiden Vereine den Markt untereinander aufgeteilt hatten.“

Doch für den Anhang der zwei Vereine war Profit natürlich nie das beherrschende Thema. Im Gegenteil, viele von ihnen verabscheuen den Begriff „Old Firm“, weil sie auf gar keinen Fall mit einem Klub in einen Topf geworfen werden wollen, der doch so völlig anders ist. Um zu erfahren, warum und inwiefern er anders ist, muss man einen Blick in die Geschichte nicht nur des Fußballs werfen, denn um den geht es der „Old Firm“ nur am Rande.

Unter der Führung des Eiferers John Knox lief in Schottland die calvinistische Reformation von 1560 weit gründlicher und unnachgiebiger ab als die südlich der Grenze, in England. So waren die Schotten bald ein durch und durch protestantisches Volk – für fast 300 Jahre.

Dann trieb die als „Große Hungersnot“ bekannte Katastrophe im benachbarten Irland zigtausende Flüchtlinge nach Schottland. Fast alle von ihnen waren arm und katholisch, die meisten gingen auf der Suche nach Arbeit und Essen in die großen Städte.

Für diese armen Teufel rief 1887 der katholische Mönch Walfrid den Celtic FC ins Leben. Durch Benefizspiele wollte er Geld für Notleidende sammeln. Das erste Spiel bestritt der Verein im folgenden Jahr, gegen den 1872 gegründeten Rangers FC. Zu Spannungen führte das lange nicht.

Celtic war keinesfalls der einzige irische und katholische Klub in Schottland, Hibernian Edinburgh etwa ist erheblich älter. Und die berüchtigte Doktrin, keine Katholiken zu verpflichten, führte Rangers erst Anfang des 20. Jahrhunderts ein. So trennte die Vereine lange nur eine relativ normale lokale Rivalität, während das Bestreben, Geld zu verdienen, sie sogar einte und eben zur „Old Firm“ machte.

Doch dann wurde es kompliziert. (Man darf keinem glauben, der behauptet, die Sache wäre einfach. In diesem ganz realen Fußballkrieg ist niemand im Recht.)

Spätestens durch die Teilung Irlands 1921 und den daraus entstehenden Nordirlandkonflikt, der sich bis zum Ende des 20. Jahrhunderts hinzog, wurden die großen Glasgower Klubs radikalisiert. Celtic schlug sich auf die Seite der katholischen irischen Republikaner in Nordirland, Rangers auf die der protestantischen englischstämmigen Monarchisten.

Loblieder auf die IRA

Mit der Zeit eskalierte der Streit, bis er Zustände annahm, die jedem Außenstehenden absurd vorkommen mussten: Bei einem beliebigen „Old Firm“-Derby sang eine Hälfte der Zuschauer Loblieder auf die IRA und schwenkte irische Fahnen, während die andere den Papst verhöhnte und den Union Jack hisste. Wohlgemerkt, das alles mitten in Schottland.

Zu allem Überfluss wurden die zwei Klubs nach und nach so dominierend, dass sie im Grunde jeden Titel unter sich ausmachten. Dazu kam dann noch eine Ligareform Mitte der Siebziger, die dazu führte, dass die „Old Firm“ sich mindestens viermal pro Saison traf, wegen der beiden Pokalwettbewerbe, in denen es auch noch Wiederholungsspiele geben kann, meistens öfter. (Der Rekord steht bei sieben Derbys in einer Saison!)

Unter Kontrolle konnte man diese Partien nicht halten. Zwar versuchten die Vereine in den letzten Jahren, die Büchse der Pandora zu schließen – so nahmen die Rangers ab 1989 wieder Katholiken unter Vertrag, um ein normalerer Verein zu sein – aber ihre Fans beeindruckte das genauso wenig wie die Tatsache, dass in Nordirland nun Frieden herrscht oder dass es in Schottland heute ebenso viele Kirchenaustritte gibt wie in anderen Ländern. Der Konflikt hatte sich verselbständigt. Oder wie Kevin McCarra, Autor eines Celtic-Buches, sagt: „Die Rivalität droht der einzige Kontext zu werden, in dem beide Klubs existieren.“

Kein Alkohol wegen Old Firm

Zum Leidwesen des schottischen Fußballs, der unter dem Hass der „Old Firm“ deutlich gelitten hat. So ist das Derby schuld daran, dass das Singen von bestimmten Liedern beim Fußball unter Gefängnisstrafe gestellt worden ist. Das Derby ist schuld daran, dass es schon seit 1980 keinen Alkohol mehr in Schottlands Erstligastadien gibt.

Das Derby ist schuld daran, dass Spitzenspiele oft um 12 Uhr mittags angepfiffen werden, damit auch vorher nicht getrunken wird. In den Augen vieler schottischer Fans ist die „Old Firm“ ohnehin schuld an allem, was schlecht am Fußball ist, und könnte lieber heute als morgen aus der Liga verschwinden.

Zumindest zur Hälfte tat sie es bereits. Denn im Frühjahr 2012 konnten die Rangers Steuerforderungen nicht erfüllen, schlitterten in die Pleite – und wurden aufgelöst. Der Verein gründete sich unter demselben Namen neu, übernahm vom alten, wie es offiziell hieß, „den Geschäftsbetrieb, die Historie sowie die Besitztümer“ und machte in der vierten Liga einen Neuanfang. Eine Fan-Website titelte damals: „Die Old Firm ist tot, lang lebe Celtic!“
https://www.11freunde.de/international/ ... 0000506602
Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.
(Oscar Wilde)
Weil das Denken so schwierig ist, urteilt man lieber.
(Sandor Márai)
Gruß
erpie