Erinnerungslücken sind bei Infantino ein Dauersymptom

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erpie
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Erinnerungslücken sind bei Infantino ein Dauersymptom

Beitrag von erpie »

Da bin ich mal gespannt...
Teurer Privatjet hier, unwahre Angaben da: Die Flugreisen des Fifa-Präsidenten stecken voller Ungereimtheiten.
Nun gibt es einen neuen Verdacht: Hat Gianni Infantino vor deutschen Gerichten eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben?
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Von Surinam per Privatjet zurück in die Schweiz, für 129 300 Dollar

Denn zwei Flüge ragen aus der Liste der Flugaffären turmhoch heraus – und es ist die Kombination aus diesen beiden Trips, die Infantino, wie die SZ nun darlegen kann, in die Bredouille bringt. Die Frage ist nämlich, wie sich die Umstände des einen Fluges in Einklang bringen lassen mit einer eidesstattlichen Versicherung, die Infantino vor Kurzem zu einem anderen Flug bei deutschen Gerichten vorgelegt hat. Eidesstattliche Versicherungen müssen wahr sein, sonst sind sie strafbar.
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Die Schweizer Sonderermittler schert das nicht, sie finden, sie hätten doch nur prüfen müssen, ob der Flug im Rahmen der Fifa-Reiserichtlinien okay gewesen sei. Und so hält das Duo nun per Verfügung fest: Infantino hat in Bezug auf den Surinam-Flug zwar die Unwahrheit gesagt, aber das passt schon. „Lügen ist okay“, fasste das Fachportal Inside World Football den Schweizer Beschluss bündig zusammen, zu einem ähnlichen Urteil kamen viele andere internationale Medien.
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Nun im Fokus: Infantinos Reise nach New York im Oktober 2015

Lügen ist okay? Das mag vielleicht für die Fifa-Compliance gelten, für die servile Fifa-Ethikkommission (deren Spruchkammer seit damals von Vasilios Skouris geleitet wird), und es mag auch ein rüstiges Schweizer Juristen-Duo nicht stören, das seit Jahren den Ruf hat, Ermittlungen lieber einzustellen als zur Anklage zu führen. Aber gilt „Lügen ist okay“ auch vor einem deutschen Gericht?

Das ist nun die Frage. Denn kürzlich hat Gianni Infantino in einem presserechtlichen Verfahren zu einer anderen Flugaffäre eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt. Darin findet sich folgende Formulierung: „Ich habe zu keinem Zeitpunkt irgendeine falsche Angabe zu Reisegründen gemacht oder in irgendeiner Form über Abwesenheiten getäuscht.“

Wie bitte? Der Mann, der gegenüber den Schweizer Staatsanwälten einräumte, dass er bei der Begründung für einen teuren Privatflug den tatsächlichen Reisegrund verschwieg und einen falschen Anlass vorschob: Der erklärte, während dieses Verfahren in der Schweiz noch lief, vor einem deutschen Gericht an Eides statt, dass er zu keinem Zeitpunkt irgendeine falsche Angabe zu Reisegründen gemacht habe? Da wird es jetzt wirklich heikel.
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Während die US-Justiz links und rechts von ihm das Funktionärsdickicht durchforstete, blieb Infantino von ihrem Aufklärungseifer sogar dann weiter verschont, als Monate nach seinem New-York-Abstecher in der Schweiz doch noch ein Strafverfahren zu seinem umstrittenen Uefa-Vertrag eröffnet werden musste (die Schweizer ermittelten bizarrerweise nicht gegen den Unterzeichner Infantino, sondern gegen „Unbekannt“, befragten Infantino nicht mal und stellten die Sache bald darauf ein).

Und das Verhältnis zwischen Amerika und dem neuen Fifa-Präsidenten gedieh trotz dieser Sachlage prächtig. Vielleicht, weil man ein gemeinsames Interesse hatte? Glaubt man den Aussagen des früheren US-Präsidenten Donald Trump, vorgetragen an der Seite Infantinos beim Weltwirtschaftsforum 2020, dann soll der Fifa-Präsident von Anfang an die Vergabe der WM 2026 an die USA massiv gepuscht haben. Damals in Davos, da lauschte Infantino andächtig Trumps Darlegungen und ließ sich für seine angebliche Hilfe, das Turnier ins Land zu holen, tüchtig loben. Heute bestreitet er strikt, in irgendeiner Form auf die WM-Vergabe an die USA (mit Kanada und Mexiko) eingewirkt zu haben.
Das also ist der große Rahmen, in den sich Infantinos kleiner US-Trip zeitlich einfügt. Und in dem es von höchstem Interesse ist, warum ein angehender Fifa-Präsident, unter Verbuchung falscher Angaben, mal ganz flott nach New York jettet.

Doch als die SZ die Mysterien rund um diese New-York-Reise Ende 2022 enthüllt hatte, zog Infantino vor Gericht. Er wollte eine einstweilige Verfügung gegen die Berichterstattung erwirken. Damit scheiterte er erst vor dem Landgericht Köln, dann vor dem Oberlandesgericht Köln. Fall erledigt, könnte man meinen. Aber Infantino gab in den Verfahren eben bemerkenswerte eidesstattliche Versicherungen ab – die jetzt, im Lichte der neuen Sachlage zum Surinam-Flug, höchst interessant werden könnten.

Unter anderem versicherte Infantino vor Gericht, dass er bis ins Jahr 2020 nie Kontakt zu Vertretern der US-Justiz gehabt habe. Und seine Aussage, er habe „zu keinem Zeitpunkt irgendeine falsche Angabe zu Reisegründen“ gemacht oder „in irgendeiner Form über Abwesenheiten getäuscht“, konkretisiert er weiter: „Weder mit Bezug auf die USA noch auf andere Länder“ habe er irgendwo etwas Falsches angegeben, „der Uefa-Präsident Platini bzw. sein Stab waren zu jedem Zeitpunkt über sämtliche Reiseaktivitäten, deren Ziel, deren Inhalt und die zu treffenden Personen informiert“.
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Erinnerungslücken bis hin zum völligen Blackout: Das ist ein Dauersymptom beim Fifa-Boss.
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Es liegen also eine Menge Ungereimtheiten wie dunkle Schatten auf Infantinos Wiederwahl am Donnerstag. Was führte Infantino Ende 2015 nach New York, ins Zentrum der Fifa-Gate-Aufarbeitung? Gibt es Anknüpfungspunkte zum Schweizer Justizskandal, gibt es welche zu seinem eigenen, anrüchigen Rechtevertrag? Hat Infantino unzureichende oder gar falsche Angaben gemacht bei Dienstreisen, die in Wahrheit persönlichen Zwecken dienten? Und, ganz neu: Hat er bei deutschen Gerichten eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben?

Die Funktionärskameraden können das nicht klären, wenn sie nun in Ruanda zusammensitzen, sie würden es wohl auch gar nicht klären wollen. Für solche Fälle sind staatliche Ermittler da. Vielleicht finden sich jetzt welche, und vor allem: außerhalb der Schweiz.
https://www.sueddeutsche.de/projekte/ar ... a-e125320/
Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.
(Oscar Wilde)
Weil das Denken so schwierig ist, urteilt man lieber.
(Sandor Márai)
Gruß
erpie