Gefangen in linker Machttaktik

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erpie
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Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von erpie »

Ganz interessante Analyse der "DieLinke".
Da hinter Bezahlschranke:

Bundestagswahl: Gefangen in linker Machttaktik
Von Robert Pausch
23-28 Minuten

Manchmal muss man die Union ja bewundern. Vier Monate vor der Bundestagswahl hat sie kein Programm, soweit erkennbar auch keine Strategie. Zudem fehlt ihr ein Kandidat, der (zumindest bislang) die eigenen Wähler mobilisieren würde, sie besitzt dafür aber einen Nichtkandidaten, der bei jeder Gelegenheit zu erkennen gibt, dass er es besser könnte als derjenige, dem er den Vortritt lassen musste.

Doch das alles stört sie nicht sonderlich. Denn schließlich ist die Union in Besitz eines Hammers, für den sie jetzt nur noch einen passenden Nagel braucht, um die kommenden vier Monate fanatisch drauf rumzuhauen. Der Nagel heißt: Grün-Rot-Rot. Es drohe, so wird es dann heißen, eine ökosozialistische Regierung, mithin der Weltuntergang am Wahlsonntag. Oder, um es mit Alexander Dobrindt zu sagen: "Wer Baerbock will, bekommt Dietmar Bartsch."

Das Problem für die Union ist nur: Den Nagel gibt es nicht, der Hammer haut ins Leere.

Auch jetzt, gut dreißig Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung, sechzehn Jahre nach Angela Merkels Amtsantritt und vierzehn Jahre nach Gründung der Linkspartei, wird es in Deutschland nach dieser Wahl mit großer Sicherheit keine linke Bundesregierung geben.

Dies wiederum liegt nicht daran, dass linke Politik gerade unzeitgemäß oder unpopulär wäre. Im Gegenteil.

Vor wenigen Wochen veröffentlichte der Internationale Währungsfonds eine Mitteilung. Der "Teufelskreis der Ungleichheit" müsse durchbrochen werden, hieß es. Die ehemalige Zentralinstitution des Neoliberalismus forderte ein globales Umverteilungsprogramm, von oben nach unten.

Zur gleichen Zeit erklärte die US-Regierung, für eine globale Mindeststeuer für Unternehmen kämpfen zu wollen. Multinationale Konzerne müssten endlich einen angemessenen Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Linke Ökonomen jubelten, sie sprachen von einer Revolution.

Die schlimmsten Wörter der englischen Sprache seien: "Ich komme von der Regierung und bin hier, um Ihnen zu helfen", sagte Ronald Reagan, als er vor vierzig Jahren die Staatsverachtung in den USA zur Staatsräson erhob. Heute lässt sich in den Vereinigten Staaten am deutlichsten erkennen, wie dieses Denken an ein Ende kommt. In den ersten hundert Tagen seiner Amtszeit hat Joe Biden ein billionenschweres Investitionspaket verabschiedet, den Klimaschutz ins Zentrum seiner Politik gerückt, eine stärkere Besteuerung von Kapitalerträgen angekündigt, Soforthilfen für Arme auf den Weg gebracht.

Die USA werden heute so links regiert, dass liberalen Transatlantikern schwindlig wird, und auch in anderen westlichen Ländern sortiert sich das Verhältnis von Markt und Staat, öffentlich und privat, gerecht und ungerecht gerade neu. In Umfragen geben 60 Prozent der Deutschen an, die Bundesregierung müsse mehr für den Klimaschutz tun, 70 Prozent der Deutschen befürworten eine Vermögensteuer, und in Berlin sind 68 Prozent der CDU-Wähler (!) für einen bundesweiten Mietendeckel.

Obwohl das alles so ist, obwohl die Zeichen für eine linke Regierung vielleicht so gut stehen wie noch nie, spricht nichts dafür, dass sich die drei linken Parteien in Deutschland der Macht in diesem Jahr auch nur annähern, geschweige denn gemeinsam eine Regierung bilden. Wie erklärt sich das? Warum findet der linke Inhalt keine linke Form? Mit Politik lässt sich das alles kaum erklären. Es geht um Größeres, Abgründigeres.

Kleiner Vorausblick: weil der Linken Inhalte nicht so wichtig sind wie Identitäten, die Biografien ihrer Mitglieder mehr zählen als die Biografien der Arbeiterklasse, die Vergangenheit für sie mehr Gewicht hat als jede Zukunft.

Am besten beginnt man den Streifzug durch dieses Tollhaus der Stagnation hier: im Arbeitskreis VI der Linksfraktion im Deutschen Bundestag. Denn der Arbeitskreis VI beschäftigt sich mit der Außenpolitik.
Und es bewegt sich: Nichts

Früher war die Außenpolitik nur eines von vielen Themen, die einer linken Regierung im Wege standen. Es gab ja noch die Hartz-Reformen, die zu jeder Zeit für ein moralisches Wettrüsten und Vorwurfsfestspiele taugten. Es gab fundamentale Differenzen in der Gesundheits-, der Wirtschafts- und der Klimapolitik. Und es gab die langen Schatten von Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder. Noch vor vier Jahren ließ sich Martin Schulz auf einem Parteitag von Schröder zum Kanzlerkandidaten küren, und Lafontaine war in der Linkspartei noch ein einflussreicher Mann. Heute sind beide Rentner. Der eine im Saarland, der andere auf Instagram. Die Geister der Vergangenheit sind pensioniert. Mittlerweile wollen SPD, Grüne und Linke Hartz IV überwinden, alle drei Parteien wollen Milliarden in die Infrastruktur investieren, Vermögen besteuern und den Klimaschutz ernsthaft angehen. Würde man bloß die Programme nebeneinanderlegen, wäre ein Koalitionsvertrag rasch geschrieben.

Wäre da nicht die Außenpolitik.
Kompromiss zwischen Krieg und Frieden?

Es fängt schon mit den handelnden Personen an. Während die übergroße Mehrheit der linken Bundestagsfraktion aus regierungsambitionierten Realos besteht, ist der Arbeitskreis VI ein Biotop des Restfundamentalismus. Hier sitzt zum Beispiel Heike Hänsel, die auf einem Parteitag vor zwei Jahren gegen einen "US-Putschversuch" in Venezuela demonstrierte, ohne ein kritisches Wort über die Maduro-Diktatur dort zu verlieren. Hier sitzt Andrej Hunko, der sich vor einigen Jahren mit moskautreuen Separatisten in der Ostukraine fotografieren ließ. Und hier sitzt Alexander Neu, über den ein Genosse sagt, er erzähle immer genau das, was einen Tag zuvor in den Pressemitteilungen des Kreml stand. Sie alle bewachen das, was ein Mitglied des Arbeitskreises VI das "Tafelsilber" der Linken nennt.

Lustig ist, dass dieses "Tafelsilber" ganz linkentypisch darin besteht, dreimal Nein zu sagen: Nein zur Anerkennung der Nato. Nein zu Waffenexporten. Nein zu Kampfeinsätzen der Bundeswehr. Und, was soll man sagen? Der Tafelsilber-Wachdienst war auch in diesem Jahr erfolgreich. Wieder mal stehen die Positionen im Programmentwurf, wieder mal stehen selbst linke Sozialdemokraten und Grüne ratlos davor.

Wenn sie regieren wolle, dann müsse sich die Linke zur Nato bekennen, sagt Robert Habeck.

"Ich verstehe nicht, warum sich da nichts bewegt", sagt ein sozialdemokratischer Stratege.

"Es kann doch nicht sein, dass wir nicht regieren wollen, weil irgendwo in Darfur noch ein Verbindungsoffizier hockt", sagt ein verzweifelter Linker.

Einen Kompromiss zwischen Krieg und Frieden? Sie wisse gar nicht, wie das aussehen solle, hat die Parteichefin Janine Wissler neulich gesagt, was für eine scharfsinnige Frau wie Wissler ein bemerkenswert untergriffiger Satz ist. Aber sobald das Denken der Linkspartei die eigenen Landesgrenzen verlässt, endet auch die Rationalität. Stattdessen stößt man auf moralischen Rigorismus, Gruppendenken, Haltungsfragen, also das, was man seit ein paar Jahren Identitätspolitik nennt.

Es ist schon seltsam: Da herrscht eine globale Pandemie, die Gerechtigkeitsfragen an die Abendbrottische holt. Arme Menschen sterben früher, Pflegekräfte verdienen viel zu wenig, Niedriglöhner werden zu Zehntausenden "freigesetzt" – und in einer solchen Lage soll die Außenpolitik der Grund sein, weshalb die Linke in Deutschland sich nicht einmal auf den Weg macht, all diese Missstände anzugehen? Ausgerechnet ein Bereich der Politik, der für den Alltag der allermeisten Deutschen in etwa so wichtig ist wie die nächsten Vorstandswahlen im Verband der Maschinen- und Anlagenbauer?

Man ahnt schon: Das Problem muss größer sein als das antiimperialistische Bällebad im Arbeitskreis VI.
Reformer ohne Reformen

Dietmar Bartsch ist ein Mann, dem eine Mehrheit der Deutschen wohl jederzeit ein Ministerium anvertrauen würde. Das liegt zum einen daran, dass Bartsch gefühlt schon immer da ist. Zum anderen liegt es daran, dass bei Bartsch niemand Angst hat, er würde morgen den Sozialismus einführen.

Wenn man ihn in seinem Fraktionsvorsitzenden-Büro im Deutschen Bundestag besucht, sind die Gespräche immer interessant, meist humorvoll, mit sanftem Spott gegenüber der eigenen Partei. "Ich war schon mal in einer Partei, die immer recht hatte", sagt Bartsch gerne, wenn er über die Fundamentalisten lästert.

In der Linken ist Bartsch der Anführer der sogenannten Reformer, was für sich genommen ja schon ein interessanter Begriff ist. Denn Sinn ergibt das Reformersein nur in seiner historischen Dimension, als Abgrenzung zu den Revolutionären. Nun ist die Linke heute in etwa so revolutionär wie die katholische Kirche, aber trotzdem leben 150 Jahre linker Geschichte in ihr noch immer fort: Kautsky, Bernstein, Luxemburg, der Revisionismus-Streit, Marx’ Kritik am Gothaer Programm, wer hat uns verraten? Noch heute kann es passieren, dass einem ein Linken-Abgeordneter umgehend ein Luxemburg-Zitat entgegenhält, wenn man übers Regieren sprechen will. Geschichte kann eine Heimat sein. Oder ein Versteck.

Schon vor über hundert Jahren, 1898, um genau zu sein, stritten die Linken zum ersten Mal ums Regieren. Der Reformist Eduard Bernstein erklärte damals, mit dem Gerede vom "Endziel des Sozialismus" wenig anfangen zu können, stattdessen gehe es darum, "für alle Reformen im Staate zu kämpfen, welche geeignet sind, die Arbeiterklasse zu heben": eine Stärkung der Gewerkschafts- und Genossenschaftsbewegung, kürzere Arbeitszeiten, besseren Arbeitsschutz. Für die Dogmatiker um Karl Kautsky und Rosa Luxemburg war Bernstein ein "kleinbürgerlich-demokratischer Fortschrittler", den man umgehend aus der Glaubensgemeinschaft des Marxismus ausschließen müsse. Noch heute verlaufen die Debatten oft nach einem ähnlichen Muster. Jenen, die einen Kompromiss erwägen, wird Beliebigkeit unterstellt, Opportunismus, ein Arrangement mit Verhältnissen, mit denen man sich nicht arrangieren dürfe.

Der Verratsvorwurf ist so alt wie die Linke selbst und im Übrigen der politisch-mentale Kern, der sie von den Konservativen unterscheidet. Konservatismus bedeute die Kanonisierung der Ketzerei im Namen der Tradition, so hat es der britische Tory-Intellektuelle Quintin Hogg einmal formuliert. Statt um Wahrheiten geht es um Mehrheiten, statt um Prinzipien kümmern sich Konservative um die Praxis. Ständig müssen sie sich Positionen einverleiben, die sie eben noch bekämpft haben, was eine geistige Beweglichkeit voraussetzt, von der alle Grundsatzdogmatiker nur träumen können.
Unbeweglichkeit als Dauerzustand

Die Konservativen denken so dialektisch, wie es die Linken gerne könnten. Und die Linken hängen so sehr an ihren Traditionen, wie es die Konservativen nie täten. Über 120 Jahre dieselben Argumente austauschen? Man muss schon Linker sein, um das zu können.

Bloß ist es so, dass bei dem Regierungs-Reenactment im Jahr 2021 die Vorzeichen ein wenig verrutscht sind. Denn ausgerechnet der Oberreformer Bartsch ist auch der Grund dafür, dass die Linke heute so weit weg vom Regieren ist wie vor zwanzig Jahren, als Bartsch schon einmal ihr Spitzenkandidat war.

An dieser Stelle öffnet sich eine Falltür ins Verlies der linken Machttaktik, wo Dietmar Bartsch eine Art Alleinherrscher ist. In der Bundestagsfraktion verlaufen die Trennlinien nicht, wie man denken könnte, zwischen dem vorwiegend ostdeutschen Reformerlager und den mehrheitlich westdeutschen Fundamentalisten. Da Linke es spielend hinbekommen, sich stets mit jenen am heftigsten zu streiten, die ihnen politisch am ähnlichsten sind, stehen sich nun zwei Mischlager spinnefeind gegenüber: Bartsch hat mit einem Teil der Reformer und einem Teil der Fundis ein sogenanntes Hufeisen-Bündnis geformt, das ihm in der Fraktion eine knappe Mehrheit gegenüber einem zweiten Fundi-Reformer-Mix beschert.

Um seine knappe Mehrheit zu sichern, muss Bartsch folglich ein versprengtes (und, weil wir uns in der Linken befinden, natürlich mehrfach zerstrittenes) Grüppchen Fundi-Abgeordneter mit einem Übermaß an Einfluss versorgen – also die Hänsels, Hunkos und Neus, die folglich in der Außenpolitik weitgehend einmischungsfrei agieren können. Klingt kompliziert, ist es auch. Entscheidend ist aber das Ergebnis: Unbeweglichkeit als Dauerzustand. Alles mag sich verändern, nur die Linke bleibt, wo sie ist. Auch in diesem Jahr.

Spricht man mit den Reformern selbst darüber, wird das Machtparallelogramm kurzerhand zur Strategie erklärt: Jedes Herantasten an die Außenpolitik bedeute Streit, und Streit koste Wählerstimmen, und dies könne ein paar Monate vor der Bundestagswahl schließlich niemand wollen. Man würde ja gerne, doch, doch, aber gerade ist eben ganz schlecht.

Aber wenn bloß der Zeitpunkt das Problem ist, wieso haben die Regierungswilligen auch zu vergangenen Zeiten nicht einmal den Versuch gewagt, jenen Teil ihrer Programmatik zu reformieren, der sie auch dreißig Jahre nach ihrer Gründung zu dem Außenseiter macht, der die Linke längst nicht mehr sein will?

Mit Taktik lässt sich das nicht erklären. Das Problem reicht tiefer. Von hier an – Obacht! – geht es um alles.
Im Gefängnis der eigenen Geschichte

Man kommt der Sache auf die Spur, wenn man Gregor Gysi zuhört, wie er heute noch von Verletzungen der 1990er-Jahre erzählt, davon, wie er verhöhnt wurde, als er mit seiner Ex-SED in den Bundestag einzog. Der Mann, den die Bundesrepublik heute für seine Schelmengeschichten liebt, sprach damals, ganz pointenfrei, von einem "konzertierten Vernichtungsfeldzug" des westdeutschen Establishments gegen ihn und seine Leute.

Dietmar Bartsch kann sich noch heute an das ehrfürchtige Gefühl erinnern, das er 2005 spürte, als er zum ersten Mal, nachdem die PDS 2002 aus dem Bundestag geflogen war, wieder die Stufen zum Reichstag emporlief. Es war der Stolz des Abgeschriebenen.

Ein anderer ostdeutscher Abgeordneter erzählte einmal, wie er in den 1990er-Jahren in der Fußgängerzone angespuckt wurde. Er stand dort mit der Fahne einer hoffnungslosen Partei und verteidigte eine Idee, an die niemand mehr glaubte.

Sie alle blicken noch heute ein bisschen ungläubig auf sich selbst. Darauf, dass es ihnen gelungen ist, dieses Stück untergegangenen Osten in den Westen zu retten und eine Kraft links der SPD im Parlament der BRD zu etablieren. Bei dem Bündnis mit den Fundamentalisten geht es für sie nicht nur um Macht, sondern, viel schlimmer, um ihr Lebenswerk.

Die Außenpolitik erfüllt in diesem Denken eine doppelte Funktion: Sie sichert Einheit nach innen und Abgrenzung nach außen. Nur wenn die Linke zumindest in dieser Frage außerhalb des Konsenses steht, bleiben die Fundamentalisten dabei. Und nur wenn die Fundamentalisten dabeibleiben, bleibt die Linke erkennbar. "Was unterscheidet uns denn sonst noch von der SPD?", fragt eine der mächtigen Linken bei einem Treffen im Frühjahr. Und tatsächlich: 13 Euro Mindestlohn statt 12, hohe Vermögensteuer statt nicht ganz so hoher, Mietendeckel statt Mietmoratorium – nimmt man die sozialpolitischen Forderungen der Partei zusammen, ergibt sich: eine etwas linkere SPD.

Doch ist der Preis für die Einheit nach innen und Abgrenzung nach außen die Bedeutungslosigkeit als Dauerzustand. Die Linke scheitert, um zu bestehen.

Gysi, der Ex-Fraktionschef, hat das Hufeisen erfunden, Bartsch hat es auf Dauer gestellt. So bleiben sie Reformer, die die Reformen scheuen. Politiker, die zwar vom Regieren reden, aber in ihrer Partei nichts dafür tun.
Von innen gibt es für die Linke keinen Ausweg

Dass die Regierungswilligen bereit sind, diesen Preis zu zahlen, hängt – und jetzt sind wir im mythischen Kern der Linkspartei angelangt – damit zusammen, dass sich westdeutsche Ideologie und ostdeutsche Biografie an einem Ort tatsächlich hufeisenhaft berühren: in Russland. Für die einen ist Russland noch immer ein "Opfer westlicher Aggressionen". Für die anderen ist es ein Stück Heimat.

Eine Normalisierung der linken Russlandpolitik würde für viele Akteure zugleich eine Trivialisierung der eigenen Geschichte bedeuten. Sie müssten schließlich anerkennen, dass sie mindestens seit ein paar Jahren in die falsche Richtung gelaufen sind, dass in Russland die Arbeiterklasse unterdrückt wird, in den USA dagegen (zumindest derzeit) unterstützt, und dass aus Putin kein Genosse mehr wird, obwohl er mal in der KPdSU war. Doch auch hier übertrumpft die Biografie die Empirie. "Ich werde gegenüber Russland immer nachsichtiger sein", hat Gregor Gysi neulich in einer internen Runde gesagt, wie zwei Abgeordnete erzählen. Aber warum, Gregor Gysi? Weil Russland die Chiffre ist für Sowjetunion und die Sowjetunion für den Sieg über den Faschismus und der Sieg über den Faschismus die Rechtfertigung für die SED und die SED die Heimat der älteren Genossen in der Linkspartei, auch die von Gregor Gysi. Russland heißt also, ins Biografische übersetzt: Es kann doch nicht alles falsch gewesen sein. Darum geht’s, um eine Vergangenheit, die sich nicht mehr ändern lässt, sondern nur noch beschützen. Zur Not auch durch den Arbeitskreis VI.

Und so werden, wenn es um Russland geht, doppelte Standards zum Programm, Projektionen ersetzen die Wirklichkeit. Und oppositionelles Reden ersetzt mögliches Regieren. Pech für Paketboten, die Altenpflegerinnen und die Arbeitslosen, die man bei den Linken so gern im Munde führt. Die Partei hat Wichtigeres zu tun, sorry.

So sieht es also aus im Gefängnis ihrer eigenen Geschichte. Von innen gibt es für die Linke keinen Ausweg. Es könnte nur von außen gelingen. Doch auch hier ist die Apathie zum Alltag geworden.
Eine Linke – wozu?

Der Gewerkschaftsintellektuelle war verwundert. Betrachte man die zahlreichen Krisen der Gegenwart, schreibt Hans-Jürgen Urban, Vorstandsmitglied der IG Metall, in den Blättern für deutsche und internationale Politik, bedürfe es eigentlich "eines agierenden Akteurs, einer handlungsfähigen Linken", die nach "gemeinsamen politischen Projekten und Zielen" fahnde, eine "Kultur der wechselseitigen Toleranz und Akzeptanz" pflege. Doch eine solche Linke sei "weit und breit nicht in Sicht". Stattdessen: "Lähmungserscheinungen."

Der Text stammt aus dem Jahr 2009. Verändert hat sich seitdem nichts.

Tatsächlich lässt es sich auch so sehen: Der Machtekel der linken Fundamentalisten, die Mutlosigkeit der Reformer, die außenpolitische Folklore – all die organisierte Selbstgenügsamkeit wäre längst aufgeflogen, wenn es Druck von außen gäbe. Ideen, die nach einer Umsetzung verlangen. Debatten darüber, was sich in einer linken Regierung überhaupt substanziell verändern ließe.

Doch am Ende der Ära Merkel ist nicht nur der Konservatismus konzeptionell leer gefegt, sondern auch die gesellschaftliche Linke.

Die parteinahen Stiftungen? Sind kaum wahrnehmbar. Die Gesprächskreise zwischen Abgeordneten? Eingeschlafen. Rot-rot-grüne Thinktanks, Intellektuelle, Strategen? Hat da jemand was gehört?

An dieser Stelle stößt man im Übrigen auf den markantesten Unterschied zwischen der lebendigen Linken in den USA und ihrem dümpelnden Pendant in Deutschland: Nach dem Trump-Schock 2016 begann unter den moderaten und linken Linken in den USA eine anspruchsvolle intellektuelle und strategische Debatte. Es ging um die Bestimmung des eigenen Linksseins, eine Verbindung von parlamentarischer Arbeit und außerparlamentarischer Organisation und eine Analyse der sozialen, ökologischen und kulturellen Krisen der amerikanischen Gesellschaft. Linke Theoretikerinnen, wie die Ökonomin Stephanie Kelton, entwickelten einen neuen Zugang zum Begriff der Staatsschulden. Moderate, wie der langjährige Regierungsberater Paul Krugman, arbeiteten an einer Aktualisierung der keynesianischen Investitionspolitik. Radikalere Denkerinnen entwickelten das Konzept des Green New Deal, eines ökologischen Umbaus der Industriegesellschaft und ihrer Produktionsweise. Die Vordenker trafen auf Politikerinnen, die die Ideen in Programme übersetzten. Strategien wurden entwickelt, Netzwerke geknüpft. So unterschiedlich die Ansätze waren, bestand doch Einigkeit in der Analyse: dass man die Mehrheit nicht gewinnt, indem man Minderheiten aufaddiert. Und dass die Linke die Rechte nicht besiegen wird, wenn sie sich von ihr die Spielregeln diktieren lässt.

Dem Kulturkampf der Republikaner und ihrer Medien müsse man vielmehr eine ökonomische Agenda entgegensetzen, eine Politik, die das Leben einer Vielzahl der Amerikaner spürbar verbessere. Auch gemäßigte Linke teilten dabei die Ansicht, dass es hierfür eines radikalen Reformismus bedürfe. Schließlich, das zeigten alle Umfragen, gab es in den scheinbar gespaltenen USA stabile Zweidrittelmehrheiten für eine stärkere Besteuerung des Reichtums, bessere medizinische Versorgung und eine ökologische Modernisierung der Infrastruktur. Die schweigende Mehrheit war in den USA längst linker, als es von außen den Anschein hatte. Man musste sie nur mobilisieren.

Heute sind diese Debatten und Ideen Teil der Regierungspolitik in der größten Volkswirtschaft der Welt.

Ein Frühlingstag in Berlin. Bei einem Spaziergang durch den Tiergarten erzählt ein führender Reformer in der Linkspartei von einem Buch, das ein paar Linke und Sozialdemokraten gerade herausgebracht haben. "Liest vermutlich eh niemand", sagt er, "sind ja auch nur wieder die üblichen Verdächtigen." Von den Grünen allerdings seien diesmal nicht einmal mehr die üblichen Verdächtigen dabei. Neulich habe er Toni Hofreiter im Plenarsaal darauf angesprochen. "Ich bin richtig enttäuscht von dir, Toni", habe er gesagt. Hofreiter habe bloß mit den Schultern gezuckt.

Ein Sammelband, den niemand liest. Grüne, die darin nicht schreiben. Linke, die sich darüber ärgern. Das ist die Lage der deutschen Linken, vier Monate vor der Bundestagswahl: Die größten Kritiker des Kapitalismus sorgen dafür, dass auf absehbare Zeit stets eine Partei des Kapitals an der Regierung sein wird. Niemand, mit dem man in diesen Tagen spricht, glaubt daran, dass nach der Wahl ein breites linkes Bündnis das Land regieren wird. Außer der Union. Und die tut nur so.
https://www.zeit.de/2021/22/bundestagsw ... ettansicht
Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.
(Oscar Wilde)
Weil das Denken so schwierig ist, urteilt man lieber.
(Sandor Márai)
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Eckfahnenfan

Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von Eckfahnenfan »

erpie hat geschrieben: Sonntag 30. Mai 2021, 10:38 Ganz interessante Analyse der "DieLinke".
Die "Analyse" verrät vor allem, was aus Sicht des "Zeit" - Schreibers und vermutlich ihrer Leserschaft "linke" Politik auf keinen Fall sein darf. Antikapitalistisch. Und steht als langer Rede kurzer Sinn in diesem Halbsatz: "...dass bei Bartsch niemand Angst hat, er würde morgen den Sozialismus einführen."
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erpie
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Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von erpie »

Eckfahnenfan hat geschrieben: Sonntag 30. Mai 2021, 14:56
erpie hat geschrieben: Sonntag 30. Mai 2021, 10:38 Ganz interessante Analyse der "DieLinke".
Die "Analyse" verrät vor allem, was aus Sicht des "Zeit" - Schreibers und vermutlich ihrer Leserschaft "linke" Politik auf keinen Fall sein darf. Antikapitalistisch. Und steht als langer Rede kurzer Sinn in diesem Halbsatz: "...dass bei Bartsch niemand Angst hat, er würde morgen den Sozialismus einführen."
Schon gut, war ja abzusehen das so eine Antwort von Dir kommt.
Wenn Du eine antikapitalistische Welt möchtest, dann stehst Du ziemlich allein da.
Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.
(Oscar Wilde)
Weil das Denken so schwierig ist, urteilt man lieber.
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Skymarshall
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Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von Skymarshall »

Bin nach ca 10 % des Ergusses wegen Belanglosigkeit eingeschlafen.
Ich habe das nötige Mitleid um dich nicht völlig zu pulverisieren.
Acker1966

Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von Acker1966 »

Die Linke will nicht regieren, dass zeigen die Statements von vielen bekannten Gesichtern klar.
Bartsch oder Henning Wellsow können sich da nicht durchsetzen.

Die SPD hat solange den ganzen Mist irgendwo mitgetragen, dass die letzten Wahlschlappen nicht ausreichen.

Die Baerbock wird noch mit einer CDU Schmutzkampagne überzogen. Dann sagt noch so ein dummer Hintermänner der Grünen irgendwas unbedarftes und der Weg ist frei für Laschet.

Wenn die Mehrheit der Bevölkerung so gerne Vermögenssteuern oder höheren Mindestlohn wollen, warum bilden das die Medien dann nicht ab?

Klar, die SZ oder die Zeit nehmen das schon auf, aber für die meinungsbildunge Medien sind das rote Tücher.
Und seien wir mal ehrlich, in Deutregiert doch der Neid und die Missgunst. Hier gönnt keiner dem anderen etwas.
Die Bild muss nur ne Kampagne starten gegen die Vermögenssteuer und gegen Scholz, dann schafft der nicht mal ein 2-stelliges Ergebnis.

Bei uns wird jeder Vorschlag der in Richtung linke Politik geht, sofort von den Medien kaputt gemacht. Da werden Umfragen veröffentlicht und noch mit Kommentaren hinterlegt, dann ist das Thema tot. Da traut sich dann keiner mehr hin.

Der Deutsche ist einfach zu blöde. Der wählt am Ende immer CDU. Uns geht's ja gut...
Scheiß drauf ob die mit irgendwelchen Geldkoffern aus Aserbaidschan im Bundestag rumlaufen oder ob Transparenz Gesetze verhindern, ob die sich grade an der Pandemie bereichern, die werden am Ende gewählt.

Und wir freuen uns halt an schönen Artikeln in der Zeit oder SZ.
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Atlan
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Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von Atlan »

Acker1966 hat geschrieben: Montag 31. Mai 2021, 08:03 Die Baerbock wird noch mit einer CDU Schmutzkampagne überzogen. Dann sagt noch so ein dummer Hintermänner der Grünen irgendwas unbedarftes und der Weg ist frei für Laschet.

Wenn die Mehrheit der Bevölkerung so gerne Vermögenssteuern oder höheren Mindestlohn wollen, warum bilden das die Medien dann nicht ab?
Viel Text, du hast da auch meine Zustimmung. Ich nehme nur diese beiden Punkte heraus.
Die Medien schreiben das, was ihnen Verkaufszahlen oder Klicks, kurz Gewinn, verspricht. Weiß doch jeder. Hältst du es mit der Regierung, dann hältst du es mit der Mehrheit und machst (vermutlich) den größten Gewinn. Wer setzt du auf eine Regierung mit einer Kanzlerin Baerbrock?
Laschet als Kanzler ist für mich ein weiterer Schritt in Richtung Abgrund. Wird aber mMn dazu kommen.

Vermögenssteuer: Wer die bezahlen müsste, kann an den richtigen Schrauben drehen, um sie zu verhindern. Ohne dass die Öffentlichkeit davon erfährt. Der Bevölkerungsmehrheit dürfte diese egal sein, sie muss die eh nicht bezahlen und die Steuern verschwindet auch in dem großen Geldbeutel.
Mindestlohn: Es war die Union die davor gewarnt hat. Damit würden Arbeitsplätze vernichtet und Unternehmen (Unternehmer) pleite gehen. Der Hinweis, dass es in Great Britain zu einem wirtschaftlichen Aufschwung gekommen ist, nach Einführung des Mindestlohns, wurde hier jahrelang ignoriert.
Der Bevölkerungsmehrheit dürfte ein höherer Mindestlohn auch egal sein, die verdienen eh mehr. Man müsste deutlich machen, dass der Staat (also alle Bürger) dann weniger Unterstützungen (Aufstockungen oder wie auch immer man es nennt) bezahlen muss, wenn die Leute mindestens soviel Geld verdienen, dass sie ihre "normalen" Lebensverhältnisse selber finanzieren können.
Über normale Lebensverhältnisse kann man sicher diskutieren, was gehört dazu und was nicht?

Würde "Die Linke" wirklich regieren wollen, dann müsste sie diese sozialen Punkte deutlicher herausstellen und Lösungen propagieren. Aber damit macht sie sich dann wohl bei vielen, der Bevölkerungsmehrheit, unbeliebt.
Also ändert sich nichts...
Grün/Weiße Grüße :wave:
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Txomin_Gurrutxaga
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Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von Txomin_Gurrutxaga »

Acker1966 hat geschrieben: Montag 31. Mai 2021, 08:03 Die Baerbock wird noch mit einer CDU Schmutzkampagne überzogen. Dann sagt noch so ein dummer Hintermänner der Grünen irgendwas unbedarftes und der Weg ist frei für Laschet.
Wird noch? Ist schon längst im Gange. Den absoluten Umfrage-Peak haben die Grünen längst hinter sich. Hochjazzen und dann genüsslich vom Sockel schreiben, wie im Fußball. 2-3 Wochen vor der Wahl wäre das die perfekte Welle, aber ein halbes Jahr vorher? Martin Chulz 2.0

Sie bieten natürlich auch dankbar große Sollbruchstellen an, wo jeder, der will, den Meißel ansetzen kann.. alleine Habeck und die Ukraine. Was im oben zitierten Artikel so zutreffend für die Linken herausgearbeitet wird, gilt für die Grünen genauso: An der heißen Kartoffel "Außenpolitik" verbrennen sie sich mit Ansage die Finger.
Acker1966 hat geschrieben: Montag 31. Mai 2021, 08:03 Wenn die Mehrheit der Bevölkerung so gerne Vermögenssteuern oder höheren Mindestlohn wollen, warum bilden das die Medien dann nicht ab?
Die sind überlastet. Griechenland, Flüchtlinge, Trump, Brexit, Putin... abbilden, was Deutschland bewegt. Paketzusteller und Pflegebedienstete bewegen Päckchen und Patienten, aber im Aufmerksamkeitsbattle mit Trump oder den Flüchtlingen... kultige Loser von nebenan.
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Txomin_Gurrutxaga
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Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von Txomin_Gurrutxaga »

Danke fürs Einstellen.

Das ist in etwa der Kern, denke ich:
Kleiner Vorausblick: weil der Linken Inhalte nicht so wichtig sind wie Identitäten, die Biografien ihrer Mitglieder mehr zählen als die Biografien der Arbeiterklasse, die Vergangenheit für sie mehr Gewicht hat als jede Zukunft.

Mittlerweile wollen SPD, Grüne und Linke Hartz IV überwinden, alle drei Parteien wollen Milliarden in die Infrastruktur investieren, Vermögen besteuern und den Klimaschutz ernsthaft angehen. Würde man bloß die Programme nebeneinanderlegen, wäre ein Koalitionsvertrag rasch geschrieben.

Da Linke es spielend hinbekommen, sich stets mit jenen am heftigsten zu streiten, die ihnen politisch am ähnlichsten sind

Bei dem Bündnis mit den Fundamentalisten geht es für sie nicht nur um Macht, sondern, viel schlimmer, um ihr Lebenswerk [...] Eine Normalisierung der linken Russlandpolitik würde für viele Akteure zugleich eine Trivialisierung der eigenen Geschichte bedeuten [...] Russland heißt also, ins Biografische übersetzt: Es kann doch nicht alles falsch gewesen sein. Darum geht’s, um eine Vergangenheit, die sich nicht mehr ändern lässt, sondern nur noch beschützen.
Pech für Paketboten, die Altenpflegerinnen und die Arbeitslosen, die man bei den Linken so gern im Munde führt. Die Partei hat Wichtigeres zu tun, sorry.
Ähnliches schreibt die Sahra in ihrem Buch. Nun mag es Rosa Saarland auch v.a. um die eigenen Pfründe und die eigene Biografie gehen, aber die Sorgen des Prekariats von heute scheinen tatsächlich erstaunlich nachgeordnet zu sein im Gefühlshaushalt der Linken.
So sieht es also aus im Gefängnis ihrer eigenen Geschichte.
Die vereinten Staaten von Europa. Verheddert im Gefängnis ihrer eigenen Geschichte. Ein Leben ohne Großungarn ist z.B. möglich, aber sinnlos. Vielleicht die größte Entwicklungsleistung in D nach dem Krieg: Die Ostgebiete will - zumindest Stand heute, kann in 10 Jahren anders sein, siehe Ungarn - so gut wie niemand mehr zurück. Die Vertriebenen sind alle tot und die verbliebenen 80 Mio. sind mit den 5 neuen Ostgebieten von 1990 mehr als kuriert :grin:
An dieser Stelle stößt man im Übrigen auf den markantesten Unterschied zwischen der lebendigen Linken in den USA und ihrem dümpelnden Pendant in Deutschland:
Die Rolle und Bedeutung der Linken in den USA scheint mir ein "wenig" überhöht. Bidens Programme als Ausdruck linker Politik, die es in Deutschland nicht gibt? :think:
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Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von Acker1966 »

Txomin_Gurrutxaga hat geschrieben: Montag 31. Mai 2021, 10:01
Acker1966 hat geschrieben: Montag 31. Mai 2021, 08:03 Die Baerbock wird noch mit einer CDU Schmutzkampagne überzogen. Dann sagt noch so ein dummer Hintermänner der Grünen irgendwas unbedarftes und der Weg ist frei für Laschet.
Wird noch? Ist schon längst im Gange. Den absoluten Umfrage-Peak haben die Grünen längst hinter sich. Hochjazzen und dann genüsslich vom Sockel schreiben, wie im Fußball. 2-3 Wochen vor der Wahl wäre das die perfekte Welle, aber ein halbes Jahr vorher? Martin Chulz 2.0

Sie bieten natürlich auch dankbar große Sollbruchstellen an, wo jeder, der will, den Meißel ansetzen kann.. alleine Habeck und die Ukraine. Was im oben zitierten Artikel so zutreffend für die Linken herausgearbeitet wird, gilt für die Grünen genauso: An der heißen Kartoffel "Außenpolitik" verbrennen sie sich mit Ansage die Finger.
Acker1966 hat geschrieben: Montag 31. Mai 2021, 08:03 Wenn die Mehrheit der Bevölkerung so gerne Vermögenssteuern oder höheren Mindestlohn wollen, warum bilden das die Medien dann nicht ab?
Die sind überlastet. Griechenland, Flüchtlinge, Trump, Brexit, Putin... abbilden, was Deutschland bewegt. Paketzusteller und Pflegebedienstete bewegen Päckchen und Patienten, aber im Aufmerksamkeitsbattle mit Trump oder den Flüchtlingen... kultige Loser von nebenan.
CNN in der Krise, weil Trump weg ist...
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Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von GaviaoDF »

erpie hat geschrieben: Sonntag 30. Mai 2021, 19:51
Eckfahnenfan hat geschrieben: Sonntag 30. Mai 2021, 14:56
erpie hat geschrieben: Sonntag 30. Mai 2021, 10:38 Ganz interessante Analyse der "DieLinke".
Die "Analyse" verrät vor allem, was aus Sicht des "Zeit" - Schreibers und vermutlich ihrer Leserschaft "linke" Politik auf keinen Fall sein darf. Antikapitalistisch. Und steht als langer Rede kurzer Sinn in diesem Halbsatz: "...dass bei Bartsch niemand Angst hat, er würde morgen den Sozialismus einführen."
Schon gut, war ja abzusehen das so eine Antwort von Dir kommt.
Wenn Du eine antikapitalistische Welt möchtest, dann stehst Du ziemlich allein da.
Bitte nicht vergessen: Die Autokratennutte fühlt sich in der kapitalistischen Welt extrem wohl. Der will vorne und hinten nicht, was er predigt.
"Klar. Ich hätte das selber machen können (in die Politik zu gehen), aber dazu fehlte mir bisweilen im Leben der Mut, die Egomanie, die Zeit u. auch Vitamin B."

Quelle: Wer wohl?
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Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von Heinz B. »

GaviaoDF hat geschrieben: Montag 31. Mai 2021, 17:52
erpie hat geschrieben: Sonntag 30. Mai 2021, 19:51
Eckfahnenfan hat geschrieben: Sonntag 30. Mai 2021, 14:56

Die "Analyse" verrät vor allem, was aus Sicht des "Zeit" - Schreibers und vermutlich ihrer Leserschaft "linke" Politik auf keinen Fall sein darf. Antikapitalistisch. Und steht als langer Rede kurzer Sinn in diesem Halbsatz: "...dass bei Bartsch niemand Angst hat, er würde morgen den Sozialismus einführen."
Schon gut, war ja abzusehen das so eine Antwort von Dir kommt.
Wenn Du eine antikapitalistische Welt möchtest, dann stehst Du ziemlich allein da.
Bitte nicht vergessen: Die Autokratennutte fühlt sich in der kapitalistischen Welt extrem wohl. Der will vorne und hinten nicht, was er predigt.
Aber er will CDU wählen. :lol!: :lol!: :lol!:
Ich diskutiere nicht, ich erkläre lediglich, warum ich Recht habe. :wink:
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Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von Eckfahnenfan »

Heinz B. hat geschrieben: Montag 31. Mai 2021, 20:43
GaviaoDF hat geschrieben: Montag 31. Mai 2021, 17:52
erpie hat geschrieben: Sonntag 30. Mai 2021, 19:51

Schon gut, war ja abzusehen das so eine Antwort von Dir kommt.
Wenn Du eine antikapitalistische Welt möchtest, dann stehst Du ziemlich allein da.
Bitte nicht vergessen: Die Autokratennutte fühlt sich in der kapitalistischen Welt extrem wohl. Der will vorne und hinten nicht, was er predigt.
Aber er will CDU wählen. :lol!: :lol!: :lol!:
Und zwar an einem Ort, von dem die Einfältigen annehmen, dass dort die Volksherrschaft ausgeübt wird.
Im Wahllokal.
Im Vergleich zu der Partei "Die Grünen" ist die CDU in der Tat das kleinere Übel. Für Linke.
Kann man nachlesen. Klare Ansage von Jutta Ditfurth in "konkret", die bekanntlich den Bosbach schon mal verjagt hat :thumbup:.

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Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von erpie »

Und noch ein interessanter Artikel zu dem Thema:
Einen wahren Linken erkennt man daran, dass er anderen Linken das Linkssein abspricht. Sein Lieblingssatz gegenüber anderen Menschen lautet: „Du bist nicht links!“ Das ist nicht polemisch, das ist leider häufig so und auch schon die logische Erklärung dafür, warum solche Linke nicht mehrheitsfähig werden können. Jetzt wird die oder der Linke sofort darauf verweisen, dass man ja mit dem ersten sozialdemokratischen Kanzler Willy Brandt sehr wohl mehrheitsfähig gewesen sei. Darauf könnte man sagen: Ja, und mit Gerhard Schröder auch, der der letzte sozialdemokratische Kanzler war und das auch bleiben wird.
...
Man braucht da nicht herumzureden: Das ist die neue Mittelschicht. Und die ist eben nicht links, sondern sie ist einerseits links und andererseits konservativ, sie will etwas bewegen, aber sie hat auch etwas zu verlieren, denn die bundesrepublikanische Gesellschaft der Gegenwart ist eben nicht auf der Wurstsuppe daher geschwommen, sondern hat in den letzten siebzig Jahren ökonomisch und emanzipatorisch viel erreicht, auch wenn Linkssozialdemokraten und Linksemanzipatorische alles ganz schrecklich finden.
https://taz.de/taz-FUTURZWEI-Wahltagebuch/!5775933/
Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.
(Oscar Wilde)
Weil das Denken so schwierig ist, urteilt man lieber.
(Sandor Márai)
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Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von Hoellenvaart »

Eckfahnenfan hat geschrieben: Montag 31. Mai 2021, 21:33
Heinz B. hat geschrieben: Montag 31. Mai 2021, 20:43
GaviaoDF hat geschrieben: Montag 31. Mai 2021, 17:52

Bitte nicht vergessen: Die Autokratennutte fühlt sich in der kapitalistischen Welt extrem wohl. Der will vorne und hinten nicht, was er predigt.
Aber er will CDU wählen. :lol!: :lol!: :lol!:
Und zwar an einem Ort, von dem die Einfältigen annehmen, dass dort die Volksherrschaft ausgeübt wird.
Im Wahllokal.
Im Vergleich zu der Partei "Die Grünen" ist die CDU in der Tat das kleinere Übel. Für Linke.
Kann man nachlesen. Klare Ansage von Jutta Ditfurth in "konkret", die bekanntlich den Bosbach schon mal verjagt hat :thumbup:.

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Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von Heinz B. »

Hoellenvaart hat geschrieben: Donnerstag 3. Juni 2021, 10:32
Eckfahnenfan hat geschrieben: Montag 31. Mai 2021, 21:33
Heinz B. hat geschrieben: Montag 31. Mai 2021, 20:43
Aber er will CDU wählen. :lol!: :lol!: :lol!:
Und zwar an einem Ort, von dem die Einfältigen annehmen, dass dort die Volksherrschaft ausgeübt wird.
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Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von McGi87 »

hmmpfff..
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1.Liga: Müller (Ulle) - GRIMALDO, Henrichs, Pacho (Diogo Leite, Finkgräfe) - Wirtz, Brandt, Sabitzer, FÜHRICH (Ngoumou) - OPENDA, Höler, UNDAV

2.Liga: Pauli- Leistner, Kleine-Bekel, Hoffmann (DIETZ)- Appelkamp, Stindl, HOLTBY, HARTEL (Schaub)- Glatzel, Terodde, KARAMAN (Ansah)

3.Liga: Verl- FABER, Nietfeld, May (Diekmeier)- Sontheimer, CHESSA, Biankadi, Hauptmann (Vrenezi, Allgaier, Pellegrino)- KUTSCHKE, Klos, Ganaus (Bamba)
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Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von McGi87 »

Heinz B. hat geschrieben: Donnerstag 3. Juni 2021, 19:26
Hoellenvaart hat geschrieben: Donnerstag 3. Juni 2021, 10:32
Eckfahnenfan hat geschrieben: Montag 31. Mai 2021, 21:33

Und zwar an einem Ort, von dem die Einfältigen annehmen, dass dort die Volksherrschaft ausgeübt wird.
Im Wahllokal.
Im Vergleich zu der Partei "Die Grünen" ist die CDU in der Tat das kleinere Übel. Für Linke.
Kann man nachlesen. Klare Ansage von Jutta Ditfurth in "konkret", die bekanntlich den Bosbach schon mal verjagt hat :thumbup:.

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Möglicherweise die neue Faltenfratze. :shifty:
Boxberg....oder wie die heißt?!
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Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von Heinz B. »

McGi87 hat geschrieben: Freitag 4. Juni 2021, 11:33
Heinz B. hat geschrieben: Donnerstag 3. Juni 2021, 19:26
Hoellenvaart hat geschrieben: Donnerstag 3. Juni 2021, 10:32

ist das nicht dieser weibliche Gauland der Grünen?

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Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von erpie »

Sahra Wagenknecht über linke Großstädter: „Auf Menschen, die anders leben, wird herabgesehen“
Mathias Müller von Blumencron, Stephan Haselberger, Claudia von Salzen
Da Bezahlschranke:
Spoiler
Show
Frau Wagenknecht, haben Linke und die SPD die Bundestagswahl schon verloren?
Nein. Aber wenn SPD und Linke weitermachen wie bisher, sieht es nicht gut aus. Dabei wünschen sich in Deutschland sehr viele Menschen eine Politik, die sich wieder für mehr Zusammenhalt und weniger Ungleichheit einsetzt. Das ist ja weder von Herrn Laschet noch von Frau Baerbock zu erwarten.

SPD und Linke kommen zusammen in den Umfragen nur auf rund 20 Prozent. Sind die Menschen nicht mehr an den klassischen linken Themen interessiert? Oder interessieren sich Linke und SPD für Themen, die viele Menschen nicht mehr berühren?
Das Label „Links“ steht heute für viele Menschen leider nicht mehr für das Streben nach sozialer Gerechtigkeit, sondern für abgehobene akademische Debatten, die an ihrer Lebensrealität und ihren Problemen vorbeigehen. Das ist zwar eine teilweise ungerechte Wahrnehmung, weil etwa die Linke im Bundestag viele Anträge zu sozialen Themen einbringt - für einen höheren Mindestlohn, für bessere Renten, für eine Mietpreisbremse.

Die Tagesspiegel-App Alle aktuellen Nachrichten, Hintergründe und Analysen direkt auf Ihr Smartphone. Dazu die Digitale Zeitung.

Aber solange sich Teile der Partei an Diskussionen um Lebensstilfragen und Gendersprache beteiligen, also an Debatten, die viele Menschen als belehrend empfinden, werden sich viele abwenden. Menschen mögen es verständlicherweise nicht, wenn man ihnen vorschreiben will, wie sie zu reden und zu leben haben.

Sie meinen, Debatten um das Gendersternchen seien für den Niedergang der linken Parteien verantwortlich? Im Ernst?
Das ist doch nur ein Beispiel dafür, wie Identitätspolitik betrieben wird. Problematisch ist auch ein Verständnis von Klimapolitik, bei dem es nicht darum geht, anders zu produzieren und unsere Wirtschaft durch innovative Technologien klimaneutral machen, sondern immer nur darum, normale Familien, die oft gar keine Alternative zum Auto oder zur Ölheizung haben, immer stärker zu belasten.

Ein Teil der linken Parteien bewegt sich heute nur noch in einem großstädtischen akademischen Milieu und vertritt überwiegend dessen Interessen. Wenn man relativ wohlhabend ist und in der Innenstadt lebt, kann man höhere Spritpreise entspannt sehen. Man kann viele Wege mit dem Fahrrad erledigen und sich Bio-Produkte leisten. Diese Lebenskultur wird heute vor allem von den Grünen moralisch verklärt. Auf Menschen, die anders leben, wird herabgesehen.

Die Linke in Sachsen-Anhalt erregte im Wahlkampf Aufsehen mit einem Plakatmotiv, auf dem zu lesen war: „Nehmt den Wessis das Kommando“.

Aber in Sachsen-Anhalt haben Ihre Parteifreunde im Wahlkampf klassische linke Themen in den Mittelpunkt gerückt - Mindestlohn, Rente, Ungleichheit von Ost und West. Trotzdem hat die Linke dort massiv verloren.
In Sachsen-Anhalt hatten wir eine sehr gute Spitzenkandidatin, und die Wahlkämpfer haben die richtigen Themen gesetzt. Wir sind damit aber nur bedingt wahrgenommen worden. Das Grundproblem war der negative Bundestrend. Das, was wir richtig machen, wird überlagert, wenn wir gleichzeitig das Image bedienen, dass die Linken die Menschen bevormunden und ihnen das Auto wegnehmen wollen. Dass sie eigentlich nur wertschätzen, was von der Mehrheitsgesellschaft abweicht.

Wahl in Sachsen-Anhalt Die Linke ist im Osten nicht mehr Volkspartei

In Sachsen-Anhalt wurde die AfD stärkste Partei unter Arbeitern und unter denjenigen, denen es wirtschaftlich nicht so gut geht. Diese Menschen haben früher uns gewählt. Es ist ein Fehler, mit den Grünen um die relativ privilegierte Wählerklientel der urbanen akademischen Mittelschicht zu kämpfen, die es im Osten übrigens auch kaum gibt. Wir sollten uns um die kümmern, die es schwerer haben und denen Aufstiegs- und Bildungschancen vorenthalten werden. Um die vielen, die wirklich unsere Vertretung brauchen, weil sich niemand sonst für ihre Interessen einsetzt.

Die Schärfe, fast schon Verachtung, mit der Sie oft über die Grünen sprechen, wirft die Frage auf, ob die Partei für Sie noch ein Bündnispartner sein könnte.
Natürlich wäre eine Koalition mit den Grünen denkbar. Aber wenn SPD, Grüne und Linke um die urbane Mittelschicht kämpfen, wird daraus nie eine Mehrheit. Auch sollte in einer Koalition der Anspruch sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit dominieren. Klimaschutz darf nicht auf Kosten derer gehen, die sowieso schon benachteiligt sind.

Droht Ihrer Partei im September das Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde?
Nein.

Aber die Linke liegt im Bund in den Umfragen nur noch bei sechs Prozent.
Ja, und das ist völlig unzureichend. Noch 2009 hatten wir fast zwölf Prozent. Bei der Bundestagswahl 2017, die viel schwieriger war als die jetzige, weil es fast nur um Flüchtlingspolitik ging, haben wir mit 9,2 Prozent unser zweitbestes Ergebnis erreicht. Eine große Mehrheit in Deutschland will nicht, dass alles weitergeht wie unter Angela Merkel, sie wünscht sich mehr sozialen Ausgleich und ganz sicher keine Rente mit 68. Trotzdem stehen wir deutlich schlechter da als vor vier Jahren, weil wir viele unserer Stammwähler verloren haben. Einen ähnlichen Niedergang erleben viele linke Parteien in ganz Europa. Manche sind bereits in der Bedeutungslosigkeit verschwunden.

In Dänemark dagegen ist eine sozialdemokratische Regierungschefin erfolgreich, die eine restriktive Einwanderungspolitik verfolgt. Viele Ihrer Parteifreunde würden sagen, darin unterscheidet sie sich kaum von der AfD.
Ich finde, dass die Dänen eine kluge Politik machen. Man kann das nicht auf die Einwanderungspolitik reduzieren. Die Dänen haben soziale Leistungen verbessert und machen eine vorbildliche Klimapolitik.

Natürlich ist Zuwanderung immer nur begrenzt möglich, weil sonst die Probleme zu groß werden. Und Zuwanderung muss begleitet werden von Investitionen, zum Beispiel in den sozialen Wohnungsbau und mehr Lehrer. Genau das ist in Deutschland 2015 und 2016 nicht passiert. Dadurch haben sich die Probleme gerade in den ärmeren Wohnvierteln verschärft. Im Ergebnis sitzt jetzt die AfD im Bundestag.

In Sachsen-Anhalt gab es im Wahlkampf ein großes Plakat mit Ihrem Foto, auf dem zu lesen war: Sahra hat recht. Das Plakat kam von der AfD, die sich über Ihre Aussagen zur Begrenzung der Zuwanderung gefreut hat. Hat Sie das überrascht?
Ich gehe juristisch dagegen vor. Was ich von der AfD halte, habe ich bei meinen öffentlichen Auftritten, zuletzt bei „Anne Will“, immer wieder unmissverständlich klar gemacht.

Auftritt bei „Anne Will“ Wagenknechts Abrechnung mit der AfD

Sie schreiben in Ihrem Buch, die Identitätspolitik richte ihr Augenmerk „auf immer kleinere und immer skurrilere Minderheiten, die ihre Identität jeweils in irgendeiner Marotte finden, durch die sie sich von der Mehrheitsgesellschaft unterscheiden und aus der sie den Anspruch ableiten, ein Opfer zu sein“. Heißt das, Minderheiten sollten lieber schweigen?
Unsinn. Reale Diskriminierungen müssen thematisiert und bekämpft werden. Etwas anderes sind Leute, die relativ privilegiert sind und sich trotzdem als Opfer inszenieren. Ich könnte jetzt behaupten, ich bin ein Opfer, weil ich einen iranischen Vater habe und als Kind in dem thüringischen Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, gehänselt wurde, weil ich dunkler aussah als andere Kinder.

Wäre es denn verwerflich, wenn Sie sich deshalb als Opfer von Diskriminierung bezeichnen würden?
Ich bin kein Opfer. Ich konnte studieren, als Bundestagsabgeordnete habe ich ein weit überdurchschnittliches Einkommen. Der Postzusteller, der mir das Paket vor die Tür schleppt, hat vielleicht zwei deutsche Eltern, aber ist in ganz anderer Weise Opfer gesellschaftlicher Verhältnisse. Leute, denen es gut geht, sollten nicht so tun, als seien sie diskriminiert.

Den Begriff „skurrile Minderheit“ hat man mir immer wieder vorgehalten. Aber es ist doch so, dass sehr kleine Gruppen in unserer Gesellschaft Diskurse vorantreiben, die die übergroße Mehrheit absurd findet. Etwa den, dass es keine biologischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen gäbe, oder dass Menschen weißer Hautfarbe per se Rassisten sind. Wenn man den Niedriglohnsektor austrocknen und Hartz IV überwinden würde, hätte man sehr viel mehr für die Besserstellung von Frauen oder Menschen mit Migrationshintergrund getan, als solche skurrilen Debatten jemals bewirken werden.

Sie zeichnen auch in Ihrem Buch das Bild einer Linken, die sich nicht für soziale Gerechtigkeit einsetzt, sondern sich eher durch Selbstgerechtigkeit auszeichnet. Machen Sie damit nicht Wahlkampf gegen Ihre eigene Partei?
Im Gegenteil. Wenn wir unsere Fehler nicht korrigieren, werden wir im Wahlkampf nicht erfolgreich sein. Viele in meiner Partei kämpfen ehrlichen Herzens für höhere Löhne, bessere Renten, Abrüstung, einen Ausbau des Sozialstaats. Wegen ihnen bin ich Mitglied der Linken.

Mein Buch ist kein Buch über meine Partei, sondern über die gesellschaftliche Linke in ganz Europa. Nicht die Mehrheit, aber öffentlich wahrnehmbare Funktionsträger beteiligen sich an den Debatten, mit denen wir unsere Kernwählerschaft vertreiben. Es muss uns doch zu denken geben, dass wir seit 2019 mit Ausnahme von Thüringen nur Wahlniederlagen erlebt haben.

In Talkshows sind Sie präsent, im Bundestag dagegen weniger. Ihre letzte Rede liegt ein Jahr zurück, bei vielen namentlichen Abstimmungen waren Sie nicht anwesend. Auch auf dem Linken-Parteitag war Ihre Stimme nicht zu vernehmen. Warum treten Sie bei der Wahl noch einmal an?
Weil sehr viele mich darum gebeten haben und weil ich denke, dass ich durch meine öffentlichen Auftritte die Linke stärke. Ehemalige Fraktionsvorsitzende reden in der Regel selten im Parlament, das gilt auch für andere Parteien.

Was die namentlichen Abstimmungen angeht, bitte ich zu berücksichtigen, dass wir jetzt anderthalb Jahre Corona hinter uns haben. Mein Mann gehört wegen seines Alters zur Risikogruppe, solange er noch nicht geimpft war, habe ich meine Reisen nach Berlin minimiert, weil ich Angst hatte, das Virus aus dem Flieger oder von Berlin mit nach Hause zu bringen.

Tragen Sie nicht dazu bei, dass in der Öffentlichkeit ein Bild entsteht, das so häufig mit der Linken assoziiert wird: Streit und mangelnde Solidarität?
Ich habe nie persönlichen Streit gesucht und auch noch nie versucht, jemanden aus seiner Funktion zu mobben. Mir geht es darum, dass wir uns bis zur Wahl so aufstellen, dass wir ein Ergebnis deutlich oberhalb der jetzigen Umfragen erreichen. Dafür habe ich Vorschläge vorgelegt.

In Nordrhein-Westfalen, wo Sie als Spitzenkandidatin antreten, haben Linken-Mitglieder Ihren Ausschluss aus der Partei beantragt. Lässt Sie das kalt?
In meinem Buch „Die Selbstgerechten“ kritisiere ich die Cancel Culture und die Intoleranz eines Teils des heutigen linken Spektrums. Die Antragsteller scheinen meine Thesen durch ihr Vorgehen unbedingt bestätigen zu wollen. Allerdings sind das Einzelne, sehr viel mehr Linke-Mitglieder und -Wähler bekunden mir gerade ihre Unterstützung und schütteln nur den Kopf über diesen Vorgang.

Ihr Mann Oskar Lafontaine hat dazu aufgerufen, die Linke im Saarland nicht zu wählen, weil er den dortigen Spitzenkandidaten ablehnt und Manipulationsvorwürfe gegen ihn erhebt. Unterstützen Sie diese Forderung?
Es geht nicht darum, ob mein Mann den Kandidaten sympathisch findet. Es geht um frisierte Mitgliederlisten und Stimmenkauf. Es läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung gegen den Kandidaten. Das alles schadet unserer Partei.

Sahra Wagenknecht mit ihrem Mann Oskar Lafontaine. Der Linken-Gründer ist heute Fraktionschef im Saarland.

Werden Sie denn im Saarland, wo Sie leben, die Linke wählen?
Ich kandidiere in Nordrhein-Westfalen und mache Wahlkampf im ganzen Bundesgebiet. Natürlich werbe ich dafür, die Linke zu wählen.

Wenn die Linke im September massiv verliert, was machen Sie dann? Versuchen Sie noch einmal nach dem Vorsitz zu greifen – oder verlassen Sie die Partei?
Ich kämpfe für ein gutes Ergebnis. Die Linke ist die einzige Partei, die garantiert keiner Rente mit 68 zustimmen wird. Die einzige, die noch nie für Aufrüstung oder einen Krieg gestimmt hat und übrigens, anders als alle anderen, auch nicht von Rüstungskonzernen oder anderen Wirtschaftslobbys geschmiert wird. Deshalb ist es so wichtig, dass die Linke im Bundestag bleibt.

Sie haben sich vor einigen Jahren in einem Zustand der Erschöpfung aus der ersten Reihe der Linken zurückgezogen. Wer Sie jetzt reden hört, hat nicht das Gefühl, Sie würden eine Auseinandersetzung scheuen. Haben Sie wieder die Kraft für jedes politische Führungsamt bei der Linken?
Ich habe nicht vor, nach der Wahl für den Fraktionsvorsitz oder eine andere Führungsfunktion zu kandidieren. Aber ich möchte dazu beitragen, dass die linken Parteien wieder mehr Rückhalt gewinnen. Spätestens 2025 brauchen wir eine Regierung des sozialen Zusammenhalts. Ich möchte daran mitzuwirken, dass sich etwas verändert. Aber ich sehne mich jetzt nicht kurzfristig nach irgendwelchen Spitzenämtern.

Nicht kurzfristig?
Nicht unter den gegebenen Bedingungen.

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Eckfahnenfan

Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von Eckfahnenfan »

erpie hat geschrieben: Sonntag 13. Juni 2021, 16:46 Sahra Wagenknecht über linke Großstädter: „Auf Menschen, die anders leben, wird herabgesehen“
Mathias Müller von Blumencron, Stephan Haselberger, Claudia von Salzen
Da Bezahlschranke:
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Frau Wagenknecht, haben Linke und die SPD die Bundestagswahl schon verloren?
Nein. Aber wenn SPD und Linke weitermachen wie bisher, sieht es nicht gut aus. Dabei wünschen sich in Deutschland sehr viele Menschen eine Politik, die sich wieder für mehr Zusammenhalt und weniger Ungleichheit einsetzt. Das ist ja weder von Herrn Laschet noch von Frau Baerbock zu erwarten.

SPD und Linke kommen zusammen in den Umfragen nur auf rund 20 Prozent. Sind die Menschen nicht mehr an den klassischen linken Themen interessiert? Oder interessieren sich Linke und SPD für Themen, die viele Menschen nicht mehr berühren?
Das Label „Links“ steht heute für viele Menschen leider nicht mehr für das Streben nach sozialer Gerechtigkeit, sondern für abgehobene akademische Debatten, die an ihrer Lebensrealität und ihren Problemen vorbeigehen. Das ist zwar eine teilweise ungerechte Wahrnehmung, weil etwa die Linke im Bundestag viele Anträge zu sozialen Themen einbringt - für einen höheren Mindestlohn, für bessere Renten, für eine Mietpreisbremse.

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Aber solange sich Teile der Partei an Diskussionen um Lebensstilfragen und Gendersprache beteiligen, also an Debatten, die viele Menschen als belehrend empfinden, werden sich viele abwenden. Menschen mögen es verständlicherweise nicht, wenn man ihnen vorschreiben will, wie sie zu reden und zu leben haben.

Sie meinen, Debatten um das Gendersternchen seien für den Niedergang der linken Parteien verantwortlich? Im Ernst?
Das ist doch nur ein Beispiel dafür, wie Identitätspolitik betrieben wird. Problematisch ist auch ein Verständnis von Klimapolitik, bei dem es nicht darum geht, anders zu produzieren und unsere Wirtschaft durch innovative Technologien klimaneutral machen, sondern immer nur darum, normale Familien, die oft gar keine Alternative zum Auto oder zur Ölheizung haben, immer stärker zu belasten.

Ein Teil der linken Parteien bewegt sich heute nur noch in einem großstädtischen akademischen Milieu und vertritt überwiegend dessen Interessen. Wenn man relativ wohlhabend ist und in der Innenstadt lebt, kann man höhere Spritpreise entspannt sehen. Man kann viele Wege mit dem Fahrrad erledigen und sich Bio-Produkte leisten. Diese Lebenskultur wird heute vor allem von den Grünen moralisch verklärt. Auf Menschen, die anders leben, wird herabgesehen.

Die Linke in Sachsen-Anhalt erregte im Wahlkampf Aufsehen mit einem Plakatmotiv, auf dem zu lesen war: „Nehmt den Wessis das Kommando“.

Aber in Sachsen-Anhalt haben Ihre Parteifreunde im Wahlkampf klassische linke Themen in den Mittelpunkt gerückt - Mindestlohn, Rente, Ungleichheit von Ost und West. Trotzdem hat die Linke dort massiv verloren.
In Sachsen-Anhalt hatten wir eine sehr gute Spitzenkandidatin, und die Wahlkämpfer haben die richtigen Themen gesetzt. Wir sind damit aber nur bedingt wahrgenommen worden. Das Grundproblem war der negative Bundestrend. Das, was wir richtig machen, wird überlagert, wenn wir gleichzeitig das Image bedienen, dass die Linken die Menschen bevormunden und ihnen das Auto wegnehmen wollen. Dass sie eigentlich nur wertschätzen, was von der Mehrheitsgesellschaft abweicht.

Wahl in Sachsen-Anhalt Die Linke ist im Osten nicht mehr Volkspartei

In Sachsen-Anhalt wurde die AfD stärkste Partei unter Arbeitern und unter denjenigen, denen es wirtschaftlich nicht so gut geht. Diese Menschen haben früher uns gewählt. Es ist ein Fehler, mit den Grünen um die relativ privilegierte Wählerklientel der urbanen akademischen Mittelschicht zu kämpfen, die es im Osten übrigens auch kaum gibt. Wir sollten uns um die kümmern, die es schwerer haben und denen Aufstiegs- und Bildungschancen vorenthalten werden. Um die vielen, die wirklich unsere Vertretung brauchen, weil sich niemand sonst für ihre Interessen einsetzt.

Die Schärfe, fast schon Verachtung, mit der Sie oft über die Grünen sprechen, wirft die Frage auf, ob die Partei für Sie noch ein Bündnispartner sein könnte.
Natürlich wäre eine Koalition mit den Grünen denkbar. Aber wenn SPD, Grüne und Linke um die urbane Mittelschicht kämpfen, wird daraus nie eine Mehrheit. Auch sollte in einer Koalition der Anspruch sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit dominieren. Klimaschutz darf nicht auf Kosten derer gehen, die sowieso schon benachteiligt sind.

Droht Ihrer Partei im September das Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde?
Nein.

Aber die Linke liegt im Bund in den Umfragen nur noch bei sechs Prozent.
Ja, und das ist völlig unzureichend. Noch 2009 hatten wir fast zwölf Prozent. Bei der Bundestagswahl 2017, die viel schwieriger war als die jetzige, weil es fast nur um Flüchtlingspolitik ging, haben wir mit 9,2 Prozent unser zweitbestes Ergebnis erreicht. Eine große Mehrheit in Deutschland will nicht, dass alles weitergeht wie unter Angela Merkel, sie wünscht sich mehr sozialen Ausgleich und ganz sicher keine Rente mit 68. Trotzdem stehen wir deutlich schlechter da als vor vier Jahren, weil wir viele unserer Stammwähler verloren haben. Einen ähnlichen Niedergang erleben viele linke Parteien in ganz Europa. Manche sind bereits in der Bedeutungslosigkeit verschwunden.

In Dänemark dagegen ist eine sozialdemokratische Regierungschefin erfolgreich, die eine restriktive Einwanderungspolitik verfolgt. Viele Ihrer Parteifreunde würden sagen, darin unterscheidet sie sich kaum von der AfD.
Ich finde, dass die Dänen eine kluge Politik machen. Man kann das nicht auf die Einwanderungspolitik reduzieren. Die Dänen haben soziale Leistungen verbessert und machen eine vorbildliche Klimapolitik.

Natürlich ist Zuwanderung immer nur begrenzt möglich, weil sonst die Probleme zu groß werden. Und Zuwanderung muss begleitet werden von Investitionen, zum Beispiel in den sozialen Wohnungsbau und mehr Lehrer. Genau das ist in Deutschland 2015 und 2016 nicht passiert. Dadurch haben sich die Probleme gerade in den ärmeren Wohnvierteln verschärft. Im Ergebnis sitzt jetzt die AfD im Bundestag.

In Sachsen-Anhalt gab es im Wahlkampf ein großes Plakat mit Ihrem Foto, auf dem zu lesen war: Sahra hat recht. Das Plakat kam von der AfD, die sich über Ihre Aussagen zur Begrenzung der Zuwanderung gefreut hat. Hat Sie das überrascht?
Ich gehe juristisch dagegen vor. Was ich von der AfD halte, habe ich bei meinen öffentlichen Auftritten, zuletzt bei „Anne Will“, immer wieder unmissverständlich klar gemacht.

Auftritt bei „Anne Will“ Wagenknechts Abrechnung mit der AfD

Sie schreiben in Ihrem Buch, die Identitätspolitik richte ihr Augenmerk „auf immer kleinere und immer skurrilere Minderheiten, die ihre Identität jeweils in irgendeiner Marotte finden, durch die sie sich von der Mehrheitsgesellschaft unterscheiden und aus der sie den Anspruch ableiten, ein Opfer zu sein“. Heißt das, Minderheiten sollten lieber schweigen?
Unsinn. Reale Diskriminierungen müssen thematisiert und bekämpft werden. Etwas anderes sind Leute, die relativ privilegiert sind und sich trotzdem als Opfer inszenieren. Ich könnte jetzt behaupten, ich bin ein Opfer, weil ich einen iranischen Vater habe und als Kind in dem thüringischen Dorf, in dem ich aufgewachsen bin, gehänselt wurde, weil ich dunkler aussah als andere Kinder.

Wäre es denn verwerflich, wenn Sie sich deshalb als Opfer von Diskriminierung bezeichnen würden?
Ich bin kein Opfer. Ich konnte studieren, als Bundestagsabgeordnete habe ich ein weit überdurchschnittliches Einkommen. Der Postzusteller, der mir das Paket vor die Tür schleppt, hat vielleicht zwei deutsche Eltern, aber ist in ganz anderer Weise Opfer gesellschaftlicher Verhältnisse. Leute, denen es gut geht, sollten nicht so tun, als seien sie diskriminiert.

Den Begriff „skurrile Minderheit“ hat man mir immer wieder vorgehalten. Aber es ist doch so, dass sehr kleine Gruppen in unserer Gesellschaft Diskurse vorantreiben, die die übergroße Mehrheit absurd findet. Etwa den, dass es keine biologischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen gäbe, oder dass Menschen weißer Hautfarbe per se Rassisten sind. Wenn man den Niedriglohnsektor austrocknen und Hartz IV überwinden würde, hätte man sehr viel mehr für die Besserstellung von Frauen oder Menschen mit Migrationshintergrund getan, als solche skurrilen Debatten jemals bewirken werden.

Sie zeichnen auch in Ihrem Buch das Bild einer Linken, die sich nicht für soziale Gerechtigkeit einsetzt, sondern sich eher durch Selbstgerechtigkeit auszeichnet. Machen Sie damit nicht Wahlkampf gegen Ihre eigene Partei?
Im Gegenteil. Wenn wir unsere Fehler nicht korrigieren, werden wir im Wahlkampf nicht erfolgreich sein. Viele in meiner Partei kämpfen ehrlichen Herzens für höhere Löhne, bessere Renten, Abrüstung, einen Ausbau des Sozialstaats. Wegen ihnen bin ich Mitglied der Linken.

Mein Buch ist kein Buch über meine Partei, sondern über die gesellschaftliche Linke in ganz Europa. Nicht die Mehrheit, aber öffentlich wahrnehmbare Funktionsträger beteiligen sich an den Debatten, mit denen wir unsere Kernwählerschaft vertreiben. Es muss uns doch zu denken geben, dass wir seit 2019 mit Ausnahme von Thüringen nur Wahlniederlagen erlebt haben.

In Talkshows sind Sie präsent, im Bundestag dagegen weniger. Ihre letzte Rede liegt ein Jahr zurück, bei vielen namentlichen Abstimmungen waren Sie nicht anwesend. Auch auf dem Linken-Parteitag war Ihre Stimme nicht zu vernehmen. Warum treten Sie bei der Wahl noch einmal an?
Weil sehr viele mich darum gebeten haben und weil ich denke, dass ich durch meine öffentlichen Auftritte die Linke stärke. Ehemalige Fraktionsvorsitzende reden in der Regel selten im Parlament, das gilt auch für andere Parteien.

Was die namentlichen Abstimmungen angeht, bitte ich zu berücksichtigen, dass wir jetzt anderthalb Jahre Corona hinter uns haben. Mein Mann gehört wegen seines Alters zur Risikogruppe, solange er noch nicht geimpft war, habe ich meine Reisen nach Berlin minimiert, weil ich Angst hatte, das Virus aus dem Flieger oder von Berlin mit nach Hause zu bringen.

Tragen Sie nicht dazu bei, dass in der Öffentlichkeit ein Bild entsteht, das so häufig mit der Linken assoziiert wird: Streit und mangelnde Solidarität?
Ich habe nie persönlichen Streit gesucht und auch noch nie versucht, jemanden aus seiner Funktion zu mobben. Mir geht es darum, dass wir uns bis zur Wahl so aufstellen, dass wir ein Ergebnis deutlich oberhalb der jetzigen Umfragen erreichen. Dafür habe ich Vorschläge vorgelegt.

In Nordrhein-Westfalen, wo Sie als Spitzenkandidatin antreten, haben Linken-Mitglieder Ihren Ausschluss aus der Partei beantragt. Lässt Sie das kalt?
In meinem Buch „Die Selbstgerechten“ kritisiere ich die Cancel Culture und die Intoleranz eines Teils des heutigen linken Spektrums. Die Antragsteller scheinen meine Thesen durch ihr Vorgehen unbedingt bestätigen zu wollen. Allerdings sind das Einzelne, sehr viel mehr Linke-Mitglieder und -Wähler bekunden mir gerade ihre Unterstützung und schütteln nur den Kopf über diesen Vorgang.

Ihr Mann Oskar Lafontaine hat dazu aufgerufen, die Linke im Saarland nicht zu wählen, weil er den dortigen Spitzenkandidaten ablehnt und Manipulationsvorwürfe gegen ihn erhebt. Unterstützen Sie diese Forderung?
Es geht nicht darum, ob mein Mann den Kandidaten sympathisch findet. Es geht um frisierte Mitgliederlisten und Stimmenkauf. Es läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung gegen den Kandidaten. Das alles schadet unserer Partei.

Sahra Wagenknecht mit ihrem Mann Oskar Lafontaine. Der Linken-Gründer ist heute Fraktionschef im Saarland.

Werden Sie denn im Saarland, wo Sie leben, die Linke wählen?
Ich kandidiere in Nordrhein-Westfalen und mache Wahlkampf im ganzen Bundesgebiet. Natürlich werbe ich dafür, die Linke zu wählen.

Wenn die Linke im September massiv verliert, was machen Sie dann? Versuchen Sie noch einmal nach dem Vorsitz zu greifen – oder verlassen Sie die Partei?
Ich kämpfe für ein gutes Ergebnis. Die Linke ist die einzige Partei, die garantiert keiner Rente mit 68 zustimmen wird. Die einzige, die noch nie für Aufrüstung oder einen Krieg gestimmt hat und übrigens, anders als alle anderen, auch nicht von Rüstungskonzernen oder anderen Wirtschaftslobbys geschmiert wird. Deshalb ist es so wichtig, dass die Linke im Bundestag bleibt.

Sie haben sich vor einigen Jahren in einem Zustand der Erschöpfung aus der ersten Reihe der Linken zurückgezogen. Wer Sie jetzt reden hört, hat nicht das Gefühl, Sie würden eine Auseinandersetzung scheuen. Haben Sie wieder die Kraft für jedes politische Führungsamt bei der Linken?
Ich habe nicht vor, nach der Wahl für den Fraktionsvorsitz oder eine andere Führungsfunktion zu kandidieren. Aber ich möchte dazu beitragen, dass die linken Parteien wieder mehr Rückhalt gewinnen. Spätestens 2025 brauchen wir eine Regierung des sozialen Zusammenhalts. Ich möchte daran mitzuwirken, dass sich etwas verändert. Aber ich sehne mich jetzt nicht kurzfristig nach irgendwelchen Spitzenämtern.

Nicht kurzfristig?
Nicht unter den gegebenen Bedingungen.

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Tipp, erpie - auch zu der Talkshowtante gibt es in "konkret" (obige Ausgabe) einen Beitrag.
Titel: "Schreiben wie ein Internettroll"
Untertitel: "Es ist zu befürchten dass Sahra Wagenknecht selbst mit dem jüngsten Rechtsruck noch nicht ihre Höchstform erreicht hat."
Beschäftigt sich mit deren letzter Publikation "Die Selbstgerechten". Autor: Tomasz Konicz
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Txomin_Gurrutxaga
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Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von Txomin_Gurrutxaga »

erpie hat geschrieben: Sonntag 13. Juni 2021, 16:46 Sahra Wagenknecht über linke Großstädter: „Auf Menschen, die anders leben, wird herabgesehen“
Lesenswert, vielen Dank.

Bestätigt in etwa, was man aus diesme Faden bislang mitnehmen konnte. Dass zahlreiche Linke tatsächlich lieber auf die "Abweichler" in den eigenen Reihen / potenzielle Koalitionspartner losgehen als auf die "richtigen" Feinde.

Was sie erkannt hat (Sahra, Wolfgang und Gesine vs. Saskia/Kevin): Es bringt weder der SPD noch den Linken etwas, dieselbe Zielgruppe zu umwerben wie tw. die Grünen = Stadtintellektuelle, hippes Studentenpack und ältliche Studienräte aus Klein- und Mittelstädten. Während die Stammwähler von einst gar nicht mehr zur Wahl gehen (z.B. weil sie den Grabstein nicht stemmen können) oder AfD ankreuzen.
Den Begriff „skurrile Minderheit“ hat man mir immer wieder vorgehalten. Aber es ist doch so, dass sehr kleine Gruppen in unserer Gesellschaft Diskurse vorantreiben, die die übergroße Mehrheit absurd findet. Etwa den, dass es keine biologischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen gäbe, oder dass Menschen weißer Hautfarbe per se Rassisten sind. Wenn man den Niedriglohnsektor austrocknen und Hartz IV überwinden würde, hätte man sehr viel mehr für die Besserstellung von Frauen oder Menschen mit Migrationshintergrund getan, als solche skurrilen Debatten jemals bewirken werden.
Treffer, versenkt. Wesentlich ist dabei der letzte Satz, nicht das Klientelgesülze mit der Hautfarbe.

Alles in allem ein gordischer Knoten, der dermaßen komplex und hybridkrieglastig ist, dass man am besten Bücher drüber schreibt. Kauft die wer, dann ist alles gut & die gesellschaftlichen Probleme sind gleich erträglicher :lol!:
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Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von erpie »

Nun auch noch Gysi...
Es sind deutliche Worte. Es sind Worte der tiefen Empörung. Es ist eine Abrechnung. In ungewohnt scharfer Form attackiert Gregor Gysi einen Kreis von Abgeordneten der Linkspartei wegen ihrer Haltung zum Ukraine-Krieg. „Ihr seid nur daran interessiert, eure alte Ideologie in jeder Hinsicht zu retten“, wirft der 74-jährige Ex-Linksfraktionsvorsitzende ihnen vor.
https://taz.de/Gysi-attackiert-Wagenkne ... /!5838062/
Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.
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Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von Heinz B. »

erpie hat geschrieben: Dienstag 1. März 2022, 08:56 Nun auch noch Gysi...
Es sind deutliche Worte. Es sind Worte der tiefen Empörung. Es ist eine Abrechnung. In ungewohnt scharfer Form attackiert Gregor Gysi einen Kreis von Abgeordneten der Linkspartei wegen ihrer Haltung zum Ukraine-Krieg. „Ihr seid nur daran interessiert, eure alte Ideologie in jeder Hinsicht zu retten“, wirft der 74-jährige Ex-Linksfraktionsvorsitzende ihnen vor.
https://taz.de/Gysi-attackiert-Wagenkne ... /!5838062/
Die sind, wie unser Salon-Linker, in ihrem alten Denkmustern gefangen. Da gibt's nur entweder - oder. Dass Gysi jetzt plötzlich den Schwenk macht, nachdem er in der Vergangenheit in Talkshows immer auf Seiten von Sahra und Co. war, zeigt wieder mal seine ganze "Wandlungsfähigkeit". Oder anders ausgedrückt: Der geht hinter dir in eine Drehtür und kommt vor dir wieder raus. :wink:
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Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von Werdenfelser »

Heinz B. hat geschrieben: Dienstag 1. März 2022, 09:36
erpie hat geschrieben: Dienstag 1. März 2022, 08:56 Nun auch noch Gysi...
Es sind deutliche Worte. Es sind Worte der tiefen Empörung. Es ist eine Abrechnung. In ungewohnt scharfer Form attackiert Gregor Gysi einen Kreis von Abgeordneten der Linkspartei wegen ihrer Haltung zum Ukraine-Krieg. „Ihr seid nur daran interessiert, eure alte Ideologie in jeder Hinsicht zu retten“, wirft der 74-jährige Ex-Linksfraktionsvorsitzende ihnen vor.
https://taz.de/Gysi-attackiert-Wagenkne ... /!5838062/
Die sind, wie unser Salon-Linker, in ihrem alten Denkmustern gefangen. Da gibt's nur entweder - oder. Dass Gysi jetzt plötzlich den Schwenk macht, nachdem er in der Vergangenheit in Talkshows immer auf Seiten von Sahra und Co. war, zeigt wieder mal seine ganze "Wandlungsfähigkeit". Oder anders ausgedrückt: Der geht hinter dir in eine Drehtür und kommt vor dir wieder raus. :wink:
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Re: Gefangen in linker Machttaktik

Beitrag von Txomin_Gurrutxaga »

erpie hat geschrieben: Dienstag 1. März 2022, 08:56 Nun auch noch Gysi...
Hätte ja alles erwartet, aber das...

:lol:
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