Aljaksandr's last strikes

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erpie
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Die Belarussen warten nur auf die passende Gelegenheit

Beitrag von erpie »

2 Jahre und ein Krieg weiter...
Dass die Belarussen die Welt 2020 mit ihrem anhaltenden Protest und den Forderungen nach Demokratie verblüffen konnten, liegt auch daran, dass ihr Land – wie die Ukraine – trotz der jahrhundertelangen Russifizierung und Sowjetisierung Russland kulturell fremd geblieben ist. Die Belarussen taten immer so, als lebten sie in einer demokratischen, liberalen Gesellschaft, denn so sehen sie sich selbst (obwohl ältere Jahrgänge stark von Russland und Lukaschenko beeinflusst werden).

Die Belarussen mit den Ukrainern zu vergleichen und die gleiche Art von Widerstand zu erwarten, wäre aber unfair. Sie haben keine Oppositionsmitglieder im Parlament oder in den lokalen Regierungen, wie es die Ukrainer vor der Invasion hatten. Eher taugt der Vergleich mit Polen: Die Polen haben Ende 1981 friedlich gegen die Verhängung des Kriegsrechts protestiert, was die einzige Möglichkeit war, sich Gehör zu verschaffen.
https://www.tagesspiegel.de/politik/rus ... 11004.html
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Txomin_Gurrutxaga
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Re: Die Belarussen warten nur auf die passende Gelegenheit

Beitrag von Txomin_Gurrutxaga »

Dass die Belarussen die Welt 2020 mit ihrem anhaltenden Protest und den Forderungen nach Demokratie verblüffen konnten, liegt auch daran, dass ihr Land – wie die Ukraine – trotz der jahrhundertelangen Russifizierung und Sowjetisierung Russland kulturell fremd geblieben ist. Die Belarussen taten immer so, als lebten sie in einer demokratischen, liberalen Gesellschaft, denn so sehen sie sich selbst (obwohl ältere Jahrgänge stark von Russland und Lukaschenko beeinflusst werden).
Ähm... nein.

Genau andersherum wird ein Schuh draus: Lukaschenka konnte sich 25 Jahre am Stück im Amt halten, weil die Belarussen von ihrem Naturell her folgsam, friedfertig, bescheiden und fatalistisch sind - eben das genaue Gegenteil von revolutionär und leidenschaftlich (der Jerzynormalpole^^).

BTW: Die hätten auch die deutsche Besatzung einfach über sich ergehen lassen, wenn die Roten sie nicht mit nackter Gewalt gezwungen hätten, in den Widerstand zu gehen. Deshalb ist die Mär vom geborenen weißrussischen Partisanen nix weiter als ein sowjetrussisches Propagandamärchen - gleichwohl eins, das bis heute in Belarus staatlicherseits gelehrt wird. Die gestrige Propaganda ist so umfassend, dass von 100 Belarussen heute höchstens 5-10 wissen, dass ca. ein Drittel aller Partisanen genauso (oder ausschließlich) gegen die Bolschewiken tätig war und nicht gegen die Nazis. Taucht natürlich in keinem Schulbuch auf :mrgreen:

(Literaturtipp: V. Akudovich - Der Abwesenheitscode ---> Akudovich gehörte Anfang/Mitte der 90er zu den demokratischen Aktivisten & räumt in seinem Buch zähneknirschend ein, dass die hehren Ziele und Ideale von damals für den Sjarhejnormalbelarussen völlig untauglich waren).

Dass 2020 plötzlich alles anders war, liegt mE vor allem an 2 Faktoren:

Der indiskutable Umgang des Präsidenten mit Corona (wenn sogar die Russen Vorsichtsmaßnahmen einleiten... doof sind sie nicht in Belarus', erst recht nicht seit dem April 1986) & die daraus resultierende, schlagartig wirksame Vernetzung unzähliger privater Akteure. Herausragender Faktor waren vor allem die ganzen Informatiker, die Weißrussland innerhalb weniger Jahre einen spürbaren wirtschaftlichen Aufschwung gebracht haben (ab 2010-15 etwa). Die gab es vorher in der Form nicht und v.a. haben & hatten die für sowjetrussischen Mief nicht viel übrig. Im Nachhinein war deren staatliche Förderung wohl ein krasses Eigentor des Regimes.

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Re: Aljaksandr's last strikes

Beitrag von erpie »

In einer anonymen Botschaft erhielt die belarussische Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja die Mitteilung, ihr Mann sei in Haft gestorben. Ob das stimmt, ist unklar.
https://www.zeit.de/politik/ausland/202 ... emann-haft
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„Das Imperium muss sterben“

Beitrag von erpie »

Belarus ist nahezu vollständig aus der Diskussion um den russischen Krieg gegen die Ukraine verschwunden. Dabei ist das Schicksal des Landes eng mit dem Ausgang des Krieges verbunden. Die demokratische belarussische Opposition hat im Dezember 2023 ein lang angekündigtes Strategiepapier vorgelegt, in dem sie verschiedene Szenarien für einen Regimewechsel formuliert. Ausgehend von der Annahme, dass Russland den Krieg verliert oder in seinen Handlungsmögichkeiten stark eingeschränkt wird.

Der belarussische Journalist Alexander Klaskowski hat sich das Papier für das Online-Medium Pozirk genau angeschaut – und er fragt sich, ob ein Machtwechsel in seiner Heimat tatsächlich unausweichlich ist, wenn Russland im Zuge des Krieges entscheidend geschwächt wird.
https://www.dekoder.org/de/article/klas ... eg-ukraine
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„Man muss Realist sein, wenn man gegen eine Diktatur kämpft“

Beitrag von erpie »

Damit Belarus nicht vergessen wird...
Sasha Filipenko hat sich seit den Ereignissen im Jahr 2020 in Belarus auch in der internationalen Welt zu einer der wichtigsten belarussischen Stimmen entwickelt. Der Schriftsteller, der in Sankt Petersburg studierte und lange in Russland als Drehbuchautor, Fernsehmoderator und Autor arbeitete und lebte, äußert sich regelmäßig zu den politischen Entwicklungen in seiner Heimat. Seine Literatur schreibt er auf Russisch. Nun sind zwei seiner Romane auf Belarussisch erschienen. Aus diesem Anlass hat sich Kazjaryna Kulakowa für das Online-Medium Salidarnasc/Gazeta.by mit Filipenko unterhalten – über die Sprachenfrage in Belarus, über das Leben im Exil und darüber, warum über Belarus in unseren Breiten so wenig bekannt ist.
https://www.dekoder.org/de/article/fili ... -literatur
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Heinz B.
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Re: „Das Imperium muss sterben“

Beitrag von Heinz B. »

erpie hat geschrieben: Donnerstag 18. Januar 2024, 08:31
Belarus ist nahezu vollständig aus der Diskussion um den russischen Krieg gegen die Ukraine verschwunden. Dabei ist das Schicksal des Landes eng mit dem Ausgang des Krieges verbunden. Die demokratische belarussische Opposition hat im Dezember 2023 ein lang angekündigtes Strategiepapier vorgelegt, in dem sie verschiedene Szenarien für einen Regimewechsel formuliert. Ausgehend von der Annahme, dass Russland den Krieg verliert oder in seinen Handlungsmögichkeiten stark eingeschränkt wird.

Der belarussische Journalist Alexander Klaskowski hat sich das Papier für das Online-Medium Pozirk genau angeschaut – und er fragt sich, ob ein Machtwechsel in seiner Heimat tatsächlich unausweichlich ist, wenn Russland im Zuge des Krieges entscheidend geschwächt wird.
https://www.dekoder.org/de/article/klas ... eg-ukraine
Interessante Gedankenspiele, aber leider völlig belanglos. Denn erstens wird Russland den Krieg nicht verlieren und zweitens niemals dulden, dass sich Belarus westlich orientiert.
Ich diskutiere nicht, ich erkläre lediglich, warum ich Recht habe. :wink: