Liberale sind von neuer Wasserstoffstrategie angetan

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erpie
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Liberale sind von neuer Wasserstoffstrategie angetan

Beitrag von erpie »

Diese Regierung kannste doch nur in die Tonne treten. Alles mit Lobbyisten durchsetzt und wenn einer beim Koalitionspartner "auffliegt" wird schön mit drauf eingedroschen!
"Mr. Wasserstoff" :lol: so sieht "Technologieoffenheit" bei der FDP aus...
...
Der Liberale benennt auch jene Akteure, die aus seiner Sicht diesen Ansatz immer wieder vorangetrieben haben. „Zu lange“, so Dürr, „hat die Politik, im übrigen auch die unionsgeführte Bundesregierung, unter dem Einfluss von Organisationen wie Agora und anderen auf All Electric gesetzt.“ Die Ausrichtung der Denkfabrik Agora Energiewende hat die Arbeit im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zeitweise mindestens mitgeprägt.
...
"Hinter dieses Kapitel machen wir jetzt einen Haken“, meint Dürr selbstbewusst, „und stellen die Weichen für Innovation und Technologieoffenheit, so wie wir es beim Heizungsgesetz und beim Verbrennungsmotor auch getan haben.“ Für ihn ist es „ein echter Fortschritt“, dass mit der Wasserstoffstrategie nun „endlich die Rahmenbedingungen für die heimische Produktion, aber auch für Importe über die Weltmärkte“ geschaffen werden.
...
Freilich gibt es auch Lobbyisten, die sich für mehr Wasserstoff einsetzen. Diesbezüglich hat das „Handelsblatt“ gerade über den Verdacht berichtet, dass im FDP-geführten Verkehrsministerium von Volker Wissing eine Verstrickung von Interessen vorliegen könnte. So soll ein Abteilungsleiter, intern als „Mr. Wasserstoff“ bezeichnet, mit dem befreundeten Vorstandschef des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbands sowie einem bayerischen Unternehmer in den Urlaub gefahren sein, die beide von einer finanziellen Förderung in Millionenhöhe profitierten.
...
„Es bedarf einer schonungslosen Aufklärung, ob Vetternwirtschaft bei der Vergabe von Mitteln aus dem nationalen Wasserstoffprogramm eine entscheidende Rolle spielte“, fordert die stellvertretende Linken-Vorsitzende Gösta Beutin:. „Wissings Positionen zur Verfeinerung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen, auch in PKWs, verstärken den Verdacht, dass Lobbykontakte in seinem Ministerium ganze Arbeit geleistet haben.“ Aus ihrer Sicht handelt es sich bei der Strategie ohnehin um eine „Scheinlösung“, da vorübergehend auch aus fossilem Erdgas gewonnener Wasserstoff eingesetzt werden soll: „Sie hat mit echtem Klimaschutz, wie es von der Bundesregierung verkauft wird, wenig zu tun.“
https://www.tagesspiegel.de/politik/zu- ... 29470.html
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Re: Liberale sind von neuer Wasserstoffstrategie angetan

Beitrag von jeck3108 »

erpie hat geschrieben: Montag 31. Juli 2023, 13:49 Diese Regierung kannste doch nur in die Tonne treten. Alles mit Lobbyisten durchsetzt und wenn einer beim Koalitionspartner "auffliegt" wird schön mit drauf eingedroschen!
"Mr. Wasserstoff" :lol: so sieht "Technologieoffenheit" bei der FDP aus...
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Der Liberale benennt auch jene Akteure, die aus seiner Sicht diesen Ansatz immer wieder vorangetrieben haben. „Zu lange“, so Dürr, „hat die Politik, im übrigen auch die unionsgeführte Bundesregierung, unter dem Einfluss von Organisationen wie Agora und anderen auf All Electric gesetzt.“ Die Ausrichtung der Denkfabrik Agora Energiewende hat die Arbeit im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zeitweise mindestens mitgeprägt.
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"Hinter dieses Kapitel machen wir jetzt einen Haken“, meint Dürr selbstbewusst, „und stellen die Weichen für Innovation und Technologieoffenheit, so wie wir es beim Heizungsgesetz und beim Verbrennungsmotor auch getan haben.“ Für ihn ist es „ein echter Fortschritt“, dass mit der Wasserstoffstrategie nun „endlich die Rahmenbedingungen für die heimische Produktion, aber auch für Importe über die Weltmärkte“ geschaffen werden.
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Freilich gibt es auch Lobbyisten, die sich für mehr Wasserstoff einsetzen. Diesbezüglich hat das „Handelsblatt“ gerade über den Verdacht berichtet, dass im FDP-geführten Verkehrsministerium von Volker Wissing eine Verstrickung von Interessen vorliegen könnte. So soll ein Abteilungsleiter, intern als „Mr. Wasserstoff“ bezeichnet, mit dem befreundeten Vorstandschef des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbands sowie einem bayerischen Unternehmer in den Urlaub gefahren sein, die beide von einer finanziellen Förderung in Millionenhöhe profitierten.
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„Es bedarf einer schonungslosen Aufklärung, ob Vetternwirtschaft bei der Vergabe von Mitteln aus dem nationalen Wasserstoffprogramm eine entscheidende Rolle spielte“, fordert die stellvertretende Linken-Vorsitzende Gösta Beutin:. „Wissings Positionen zur Verfeinerung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen, auch in PKWs, verstärken den Verdacht, dass Lobbykontakte in seinem Ministerium ganze Arbeit geleistet haben.“ Aus ihrer Sicht handelt es sich bei der Strategie ohnehin um eine „Scheinlösung“, da vorübergehend auch aus fossilem Erdgas gewonnener Wasserstoff eingesetzt werden soll: „Sie hat mit echtem Klimaschutz, wie es von der Bundesregierung verkauft wird, wenig zu tun.“
https://www.tagesspiegel.de/politik/zu- ... 29470.html
Grundsätzlich ist ja eine Technologie-Offenheit nicht verkehrt, wenn man es denn marktwirtschaftlich regeln will. Entscheidend ist, das die Schadstoffe runterkommen, wie dann Grenzwerte erfüllt werden, ist ja letztendlich wurscht. Was nicht passieren darf: das man Grenzwert-Verschärfungen verschiebt, weil diese nur mit einer bestimmten Technologie erreicht werden können zum jetzigen Zeitpunkt. Die Zeit hat man halt vertrödelt, die die theoretisch denkbaren Lösungen zur Entwicklung benötigen würde.

Und deshalb sind ja diese Lösungen ala Wasserstoff für Heizungen, Sprit für Autos etc so ein Schwachsinn. Davon gibt es auf absehbare Zeit einfach viel zu wenig, als das man diese Stoffe für so einen Kasperkram vergeudet.

Und ob das jetzt ausschließlich im Lobbyismus begründet ist bei den Liberalen, keine Ahnung. Kann natürlich auch wahltaktisch bedingt sein.
Aber so oder so: es hinterlässt halt Skepsis. Ebenso aber das Agieren der Grünen, das Gebashe der FDP ist ja auch ermüdend. Denn da gibt es ja auch keine klare Vorstellung, in welchem Zeitrahmen - denn nicht irgendwelche Abkommen oder aber die mehr als berechtigten Hinweise aus der Klima-Wissenschaft, sondern die Machbarkeit - man was zu erledigen hat und das dann jetzt nach klaren Vorgaben abarbeitet.
Mir nützen nix die tollen Berechnungen von Angora und Co, das das alles machbar ist, das ist Theorie. Nette Grundlage, aber entscheidend ist die Praxis. Und da ist eben nicht alles machbar, was sinnvoll wäre.

Denn Klima hin oder her: das kann man nicht lösgelöst von den Rahmenbedingungen angehen. Fängt schon ganz simpel beim Energiepreis an und endet irgendwo dabei, das man ja nicht nur die Zeit vertrödelt hat, um die klimarelevanten Schadstoffe runterzubekommen. Sondern aus der Ecke, die diese Wichtigkeit begriffen hat, kommt seit 50 Jahren nix anderes als Verzichtsforderungen. Und Verzicht in Teilbereichen ist natürlich unumgänglich, aber in anderen Teilbereichen muß auch mal was angeboten werden an Verbesserung. Dieses Gelabere von Demut, Bescheidenheit, Verzicht... damit kannste auf nem evangelischen Kirchentag punkten, aber das war es auch.
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Re: Liberale sind von neuer Wasserstoffstrategie angetan

Beitrag von erpie »

jeck3108 hat geschrieben: Montag 31. Juli 2023, 22:23
erpie hat geschrieben: Montag 31. Juli 2023, 13:49 Diese Regierung kannste doch nur in die Tonne treten. Alles mit Lobbyisten durchsetzt und wenn einer beim Koalitionspartner "auffliegt" wird schön mit drauf eingedroschen!
"Mr. Wasserstoff" :lol: so sieht "Technologieoffenheit" bei der FDP aus...

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Grundsätzlich ist ja eine Technologie-Offenheit nicht verkehrt, wenn man es denn marktwirtschaftlich regeln will. Entscheidend ist, das die Schadstoffe runterkommen, wie dann Grenzwerte erfüllt werden, ist ja letztendlich wurscht. Was nicht passieren darf: das man Grenzwert-Verschärfungen verschiebt, weil diese nur mit einer bestimmten Technologie erreicht werden können zum jetzigen Zeitpunkt. Die Zeit hat man halt vertrödelt, die die theoretisch denkbaren Lösungen zur Entwicklung benötigen würde.

Und deshalb sind ja diese Lösungen ala Wasserstoff für Heizungen, Sprit für Autos etc so ein Schwachsinn. Davon gibt es auf absehbare Zeit einfach viel zu wenig, als das man diese Stoffe für so einen Kasperkram vergeudet.

Und ob das jetzt ausschließlich im Lobbyismus begründet ist bei den Liberalen, keine Ahnung. Kann natürlich auch wahltaktisch bedingt sein.
Aber so oder so: es hinterlässt halt Skepsis. Ebenso aber das Agieren der Grünen, das Gebashe der FDP ist ja auch ermüdend. Denn da gibt es ja auch keine klare Vorstellung, in welchem Zeitrahmen - denn nicht irgendwelche Abkommen oder aber die mehr als berechtigten Hinweise aus der Klima-Wissenschaft, sondern die Machbarkeit - man was zu erledigen hat und das dann jetzt nach klaren Vorgaben abarbeitet.
Mir nützen nix die tollen Berechnungen von Angora und Co, das das alles machbar ist, das ist Theorie. Nette Grundlage, aber entscheidend ist die Praxis. Und da ist eben nicht alles machbar, was sinnvoll wäre.

Denn Klima hin oder her: das kann man nicht lösgelöst von den Rahmenbedingungen angehen. Fängt schon ganz simpel beim Energiepreis an und endet irgendwo dabei, das man ja nicht nur die Zeit vertrödelt hat, um die klimarelevanten Schadstoffe runterzubekommen. Sondern aus der Ecke, die diese Wichtigkeit begriffen hat, kommt seit 50 Jahren nix anderes als Verzichtsforderungen. Und Verzicht in Teilbereichen ist natürlich unumgänglich, aber in anderen Teilbereichen muß auch mal was angeboten werden an Verbesserung. Dieses Gelabere von Demut, Bescheidenheit, Verzicht... damit kannste auf nem evangelischen Kirchentag punkten, aber das war es auch.
Hast Du natürlich vollkommen Recht ! Mir ging es ja eigentlich auch um diesen "Mr. Wasserstoff" in Wissing's Ministerium. Was haben die Liberalen sich bei dem Fall Graichen echauffiert, und haben selbst einen ähnlichen Fall in Ihrem Ministerium sitzen.
Ich will das auch gar nicht allein auf Lobbyismus bei den "Liberalen" herunterreduzieren, in vielen Fällen hast Du halt, gerade bei diesen Themen nur wenige Experten zur Auswahl um die strategisch wichtigen Stellen im Ministerium zu besetzen. Man schaue sich allein die Vita von Graichen an:
Graichen war von 2001 bis 2012 im Bundesumweltministerium tätig, zunächst als Referent für internationalen Klimaschutz (2001 bis 2006), später als persönlicher Referent des Staatssekretärs und schließlich als Referatsleiter für Klima- und Energiepolitik (2007 bis 2012).[7][4] In dieser Zeit verhandelte er federführend die Ausgestaltung der ökonomischen Instrumente des Kyoto-Protokolls, das Integrierte Energie- und Klimaprogramm der Bundesregierung (2007), das EU-Klima- und Energiepaket (2008) sowie die Gesetzgebungsverfahren im Bereich des Energiewirtschaftsrechts.[4] Im Jahr 2012 war er einer der Gründer der Denkfabrik Agora Energiewende und stand von 2014 bis 2021 als Exekutivdirektor und Geschäftsführer an deren Spitze.[7][8]
https://de.wikipedia.org/wiki/Patrick_Graichen
Seine Vorgesetzten Minister:
Jürgen Trittin 27. Oktober 1998 22. November 2005 Grüne
Sigmar Gabriel 22. November 2005 28. Oktober 2009 SPD
Norbert Röttgen 28. Oktober 2009 22. Mai 2012 CDU
Peter Altmaier 22. Mai 2012 17. Dezember 2013 CDU

Ich will damit nur sagen das es in diesen Bereichen Nachhaltigkeit / Umweltschutz / Regenerative Energien etc. nicht allzuviele Experten gibt, da werden dann schon mal die, die man hat unabhängig vom Parteibuch weiter beschäftigt. Da liegt dann wahrscheinlich auch das Problem, Sie sind schwer auszutauschen und wahrscheinlich alle so mit einander vernetzt das Du da kaum einen "unabhängigen" finden wirst. Das geht ja noch nicht einmal primär um die Lobbyisten von der Wirtschaft.
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Re: Liberale sind von neuer Wasserstoffstrategie angetan

Beitrag von jeck3108 »

Natürlich ist die Aufregung um Graichen nen Lacher gewesen. Nicht mal in der Sache, obwohl Du da sicher Recht hast, das die Zahl begrenzt ist. Zumal es ja eben keine Wissenschaftler braucht, sondern Wissenschaftler, die eben in Verbandsarbeit etc vernetzt sind. Und das idealerweise eben nicht in der Endform Lobbyist, sondern die Stufen davor, wo Du versucht, die Sache voranzubringen.
Sondern wer sie geäußert hat. Und da hätte es Dein Beispiel gar nicht gebraucht, aber das zeigt die ganze Dreistigkeit.

Was mich aber fuxxt, das ist die Handwerkliche Unfähigkeit der Agierenden bei den Grünen. Gehen wir mal davon aus, es ging nicht nur um plumpes family business, dann muß einem doch klar sein, welche Angriffsfläche man damit bietet.

Und das andere wesentlich tiefer im Dreck stecken, spielt dabei keine Rolle. Denn das zieht in der Diskussion nicht - fair oder nicht -, sondern man gibt sich zum Abschuß frei, wo der Jäger eh auf der Lauer liegt und nur wartet. Und dann liefert man ihm die Munition frei Haus und malt sich ne Zielscheibe aufs Hirn.

Ich weiß nicht, was ich schlimmer finden würde: das die Grünen genau so korrupt sind. Oder doof. Ich glaub fasst, ich entscheid mich für korrupt. Damit lässt es sich besser umgehen.
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Re: Liberale sind von neuer Wasserstoffstrategie angetan

Beitrag von erpie »

So nun der Vorsitzende und Bundesfinanzminister!
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat bei der Produktion eines amtlichen Video-Grußworts für die Karlsruher BBBank verschwiegen, dass er bei derselben Bank zugleich Schuldner eines privaten Immobilienkredits ist.

Das bestätigte Lindners Ministerium, nachdem es vom Verwaltungsgericht Berlin auf einen Eilantrag des Tagesspiegels hin zu einer entsprechenden Auskunft verpflichtet wurde (Az.: VG 27 L 28/23).

Zugleich betonte das Ministerium, dass Lindner aus juristischer Sicht nichts vorzuwerfen sei. Wörtlich hieß es: „Eine rechtlich nicht notwendige Bekanntgabe der privaten Kreditaufnahme bei der BBBank durch Bundesminister Lindner gegenüber den Mitarbeitern im Bundesministerium der Finanzen, die für die Videoproduktion des betreffenden Grußwortes verantwortlich gewesen sind, fand nicht statt.“
Die Generalstaatsanwaltschaft prüfte, aber ermittelte nicht

Lindner hatte sich noch als Abgeordneter eine Grundschuld über 2,35 Millionen Euro zugunsten der BBBank eintragen lassen, um einen Kredit für seinen Hauskauf in Berlin-Nikolassee abzusichern. Als Minister sprach er dann im Frühjahr 2022 einen Videogruß zum 100-jährigem Bestehen der Bank ein und erweiterte wenige Wochen später die Grundschuld auf insgesamt 2,8 Millionen Euro.

Die Generalstaatsanwaltschaft prüfte den Fall wegen möglicher Korruptionsdelikte, sah jedoch keinen Anfangsverdacht und verzichtete auf ein förmliches Ermittlungsverfahren.

Statt in dem Vorgang Transparenz zu schaffen, ließ Lindners Ministerium wesentliche Fragen unbeantwortet. Das Verwaltungsgericht sah in vier Fällen einen presserechtlichen Auskunftsanspruch als gegeben an, in fünf Fällen dagegen nicht. Eine Beschwerde des Tagesspiegels wies das Oberverwaltungsgericht zurück (Az.: OVG 6 S 34/23).
https://www.tagesspiegel.de/politik/fin ... 85828.html

Ja juristisch kein Fehlverhalten und nichts nachzuweisen!
Stellen wir uns einmal vor Habeck hätte so eine Causa. Da wären Springer und CDU aber schon voll am durchstarten...

Graichen war juristisch auch kein Fehlverhalten vorzuwerfen, ein Schelm...
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Re: Liberale sind von neuer Wasserstoffstrategie angetan

Beitrag von erpie »

Neues von der Technologie Offenheit
Wenn man so hört, was einige Politiker über Wasserstoff sagen, könnte man fast glauben, er würde alle Probleme lösen: auch beim Heizen und Autofahren. Technologieoffenheit? Manche Wissenschaftler sprechen lieber von technologischer Ahnungslosigkeit.

In diesem Industriegebiet bei Augsburg fällt das Wort Technologieoffenheit an einem einzigen Vormittag so oft, dass man mit dem Zählen gar nicht mehr hinterherkommt. Das ist insofern nicht überraschend, weil der Bundesverkehrsminister da ist. Es ist Sommer, es ist heiß und Volker Wissing besucht heute das Lkw-Start-up Quantron. Der Minister von der FDP ist im Hybrid-Mercedes angereist. Gekommen ist er aber für den Wasserstoff.

Kein chemisches Element kommt im Universum so häufig vor wie Wasserstoff. Und irgendwie gilt das mittlerweile auch für die politischen Debatten in diesem Land. Ob es um Heizungen geht, um den Straßenverkehr oder um den sogenannten Standort Deutschland: Ständig ist von dem Molekül mit der Abkürzung H2 die Rede. Nur wenn es darum geht, wofür es eigentlich gut ist, gehen die Meinungen ziemlich weit auseinander. Für die einen ist Wasserstoff der „Champagner der Energiewende“, viel zu kostbar, um ihn überall einzusetzen, weil er auf absehbare Zeit knapp und teuer bleiben wird und bestimmte Bereiche auf ihn angewiesen sind, die Stahlindustrie und die Schifffahrt zum Beispiel. Politiker wie Wissing erzählen eine andere Geschichte. Glaubt man ihnen, dann ist Wasserstoff etwas, von dem Deutschland überall profitieren könnte. Der Stoff, aus dem die Träume sind.

Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie hat im Juni eine sogenannte Metastudie veröffentlicht, eine Zusammenfassung von zwölf aktuellen Wasserstoff-Studien. Vor allem zwei Bereiche werden besonders viel Wasserstoff brauchen, heißt es darin: die Industrie und die Energiewirtschaft. Die Industrie, weil sie ihn als Grundstoff braucht, um Stahl und bestimmte Chemikalien klimaneutral produzieren zu können. Allein das Stahlwerk von Thyssenkrupp in Duisburg steht für 2,5 Prozent des deutschen CO₂-Ausstoßes und soll dank Wasserstoff und Milliardensubventionen sauberer werden. Die Energiewirtschaft braucht Wasserstoff, weil sie damit die Versorgung sichern soll in einem Stromnetz ohne Kohle- und Atomkraftwerke. Wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint, sollen Gaskraftwerke einspringen, die auch mit Wasserstoff betrieben werden können. Ohne Wasserstoff keine Energiewende, könnte man also sagen.

In dem Papier steht aber auch, wofür Wasserstoff eher nicht gebraucht wird: „Aus Gründen der Effizienz und verfügbarer Alternativen gehört ein H₂-Einsatz für die Beheizung von Wohngebäuden und als Kraftstoffbasis für das Pkw-Segment des Verkehrssektors aus heutiger Sicht nicht zu den als prioritär einzuordnenden Bereichen.“ Heißt: Man kann mit Wasserstoff Auto fahren. Man kann mit Wasserstoff auch heizen. Ergibt nur wenig Sinn, solange es effizientere Alternativen gibt. Strom zum Beispiel.

Trotzdem ist dieses Jahr fast die Regierung an der Frage zerbrochen, ob das Heizungsgesetz auch für wasserstofffähige Gasheizungen gelten soll. Trotzdem fährt Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger seit Monaten mit einem Wasserstoff-BMW durchs Land und sagt, dass Wasserstoff „ideologisch“ ausgebremst werde. Trotzdem warnt Volker Wissing in Gersthofen vor Planwirtschaft. Und die Frage ist: Warum eigentlich? Bremsen tut ja eher der Markt. Zum Beispiel beim Auto: Die Deutschen können Wasserstoffautos kaufen, diese Autos werden auch gefördert. Sie werden aber nicht gekauft. 198 Wasserstoff-Pkws wurden dieses Jahr bisher in Deutschland zugelassen, 362 534 Elektroautos. Und sogar der Ölkonzern BP, der Milliarden mit Wasserstoff verdienen will, geht davon aus, dass das so bleibt. In seinem „Energy Outlook“ hat er prognostiziert, wie viel Prozent der weltweiten Pkws bis 2035 mit Wasserstoff fahren werden: null.
...
Volker Quaschning hat mehr als 130 000 Follower bei Twitter. Er ist Wissenschaftler. Er sagt aber auch gern seine Meinung. Und seine Meinung ist, dass die Menschen gerade in falsche Entscheidungen getrieben werden. „Das ist das Fatale daran“, sagt er. „Diese Skrupellosigkeit.“ Das Heizungsgesetz war ja das beste Beispiel. CSU-Chef Markus Söder sagte, dass der Einbau einer Wärmepumpe bis zu 300 000 Euro kosten könnte. Wo er diese Zahl herhat, sagte er nicht. Der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler bezeichnete das Heizungsgesetz als „Atombombe“ für Deutschland, ein Parteikollege sprach von einer „Wärmepumpen-Ideologie“. Und jetzt? Ist der Absatz von Wärmepumpen eingebrochen. Kein Wunder, wenn ständig von Technologieoffenheit die Rede ist und eine besonders effiziente Technologie wie die Wärmepumpe in die „woke, grüne Spinnerecke“ gestellt wird. So nennt Quaschning das.

Und weil in den Kommentarspalten auch der Professor öfter mal in diese Ecke gestellt wird, sollte man die Sache mit der vermeintlichen Alternative Wasserstoff jetzt besser auf ein paar nüchterne Zahlen runterkochen, angefangen vielleicht erst mal mit dem Wasserstoffauto. Nur wenige Hersteller bieten überhaupt welche an, Toyota zum Beispiel oder Hyundai. Der BMW, mit dem Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger rumfährt, ist nur ein Prototyp. 100 SUVs hat BMW umgerüstet. Ob das Auto in Serie geht, will das Unternehmen 2024 entscheiden. Die Münchner tüfteln noch an Wasserstoff-Pkws, während VW und Mercedes sich weitgehend davon verabschiedet haben. Ist ja auch kompliziert, zumindest wenn man das Auto mit grünem Wasserstoff betreiben will.
https://www.sueddeutsche.de/projekte/ar ... n-e915512/
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Re: Liberale sind von neuer Wasserstoffstrategie angetan

Beitrag von erpie »

Was bekommen die FDPler denn von den Lobbyisten?
Finanzminister Christian Lindner (FDP) zeigt sich entschlossen, E-Fuels steuerlich zu begünstigen, um damit angetriebene Verbrennerfahrzeuge nicht schlechter zu behandeln als E-Autos. Seine Steuerpläne zugunsten des synthetischen Kraftstoffs sind nach F.A.Z.-Informationen in einem fortgeschrittenen Stadium. „Einen entsprechenden Gesetzentwurf wird das Bundesfinanzministerium noch in diesem Herbst vorlegen“, heißt es in seinem Haus
Sein Konzept sieht vor, E-Fuel-Fahrzeuge komplett von der Kraftfahrzeugsteuer zu befreien. Darüber hinaus enthält es Vorgaben zur Besteuerung von Dienstwagen, die ausschließlich mit E-Fuels betrieben werden können.

Ziel ist es, ihre private Nutzung in der Einkommensteuer nicht stärker zu belasten als die von betrieblichen Elektro- und Hybridelektrofahrzeugen. Auch in der Gewerbesteuer plant der Finanzminister Erleichterungen für synthetische Kraftstoffe. Die Begünstigungen für Elektrofahrzeuge und extern aufladbare Hybridelektrofahrzeuge will er auf alle Fahrzeuge übertragen, „die ausschließlich mit E-Fuels betrieben werden können“.

Außerdem dringt Lindner darauf, die Energiesteuer in diesen Fällen so niedrig zu halten, wie es europarechtlich nur möglich ist. Er will sich deshalb auf europäischer Ebene für einen geringen Mindeststeuersatz für klimaneutrale E-Fuels einsetzen. Schließlich verspricht Lindner, E-Fuels von der Mehrwertsteuer frei zu halten, sobald dies europarechtlich möglich ist. „Der Nullsteuersatz auf die Lieferung von E-Fuels soll den Anreiz für deren Nutzung erhöhen, den Übergang zu einer nachhaltigen und umweltfreundlichen Mobilität unterstützen und den Markt für alternative Energieträger unter Wahrung der Technologieoffenheit stärken“, heißt es im Finanzministerium.
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ ... 48136.html

Interessant finde ich ja nur, das kaum "öffentliche Empörung" kommt. Was wäre wohl wieder im Blätterwald (Springer) los, wenn Habeck so etwas planen würde... ? :think:
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Re: Liberale sind von neuer Wasserstoffstrategie angetan

Beitrag von erpie »

Oh was ist denn da passiert? Wird es doch zu heiß?
Das Bundesverkehrsministerium zieht die Reißleine: Vorerst bearbeitet das Haus von Volker Wissing (FDP) keine Anträge auf Wasserstoff-Förderungen mehr, Gelder werden bis auf Weiteres nicht bewilligt. Ein entsprechendes Schreiben von Staatssekretär Stefan Schnorr liegt der Süddeutschen Zeitung vor; zuerst hatte der Spiegel darüber berichtet. Wenige Tage zuvor hatte Verkehrsminister Wissing einen seiner Abteilungsleiter entlassen, weil dieser sich im Jahr 2021 in eine millionenschwere Förderanfrage eines befreundeten Lobbyisten eingemischt haben soll.

Das Ministerium befürchtet mittlerweile, dass es sich dabei nicht um einen Einzelfall handelt. Bereits in der vergangenen Woche hatte Schnorr angekündigt, neben jenem Förderantrag des Chefs des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbands (DWV) noch vier weitere Einzelförderungen aus dem gleichen Jahr prüfen zu lassen. Die Höhe der Fördersumme: 25,9 Millionen Euro. Auch eine Förderung des Innovations- und Technologiezentrums für Wasserstoff (ITZ) in Höhe von 290 Millionen Euro wird demnach untersucht.

Der jetzige totale Förderstopp ist die nächste Eskalationsstufe in der Sache. Das Ministerium begründet diesen mit den laufenden Untersuchungen der Innenrevision: Man wolle sicherstellen, dass künftige Bescheide "erst nach sorgfältiger Aufarbeitung der Gesamtsituation ergehen". Schließlich gehe es hierbei um Steuergelder in Millionenhöhe.
https://www.sueddeutsche.de/politik/wis ... -1.6381458
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Beitrag von erpie »

Passende Beschreibung der aktuellen Zustände:
Hedwig Richter lehrt Geschichte an der Uni­versität der Bundeswehr in München. Soeben ist erschienen: „Demokratie und Revolution – Wege aus der selbstverschuldeten ökologischen Unmündigkeit“ (zusammen mit Bernd Ulrich).
Egal, was auf der Welt geschieht: Die deutsche Politik schreckt vor den kleinsten Zumutungen zurück. Aber ist das Volk wirklich so selbstsüchtig, wie seine Vertreter meinen?
...
Neulich sagte der FDP-Verkehrsminister Volker Wissing im morgendlichen Radiointerview mit dem Deutschlandfunk etwas Denkwürdiges, das die Menschheit nicht so schnell vergessen sollte. Eigentlich hätten in dem Augenblick alle Deutschen mindestens für Sekunden den Atem anhalten und die Vögel mit ihrem Piepsen innehalten müssen (denn die Vögel betrifft es ähnlich wie die Menschen), und vor allem für die Autos wäre ein Probe-Stopp angemessen gewesen. Der Minister der Partei, die gezielt Politik für jene drei Prozent Wähler macht, die nicht nur ihr Auto lieben, sondern auch glauben, dass diese Liebe über allem steht (als hätte Paulus im Korintherbrief geschrieben: Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die bedingungslose Autoliebe ist die größte un­ter ihnen), dieser Mann erklärte, dass CO2-Emissionen nichts Abstraktes seien, sondern sich konkret aus dem Verhalten der einzelnen Menschen zusammensetzen, also auch aus dem Autofahren seiner Auto-über-alles-Wähler. Was nun anstünde, sei ein Autofahrverbot am Wochen­ende.

Wie kann das zugehen?

Denn all das ist komplett richtig, und man wünscht es sich ja zutiefst, dass die liberale Partei aufhört, in der Regierung als fesche Oppositionspartei und freche Lobbygroup aufzutreten, man wagte in dieser frühen Morgenstunde plötzlich zu hoffen, dass die Liberalen damit beginnen, Verantwortung zu übernehmen. Ein Autofahrverbot gab es schon mal in schweren Zeiten, die Westdeutschen haben das 1973 gut verstanden. Es betraf geopolitische Ge­fahren, vielen dämmerte auch, dass es um die ökologischen Grundlagen des Lebens ging. Die Regierung gewann damals an Autorität, weil sie in der Lage war, das Notwendige und offensichtlich Gebotene umzusetzen. Diese Sonntage sind mit einem geradezu zauberhaften Glanz ins kollektive Gedächtnis eingegangen, mit Stolz, mit Fahrrad auf der Autobahn, Kinder auf Rollschuhen. Jugendliche zelten in den Bergen auf dem Asphalt. Mit: Wir haben das geschafft. Die Republik: Das sind wir.

Aber der FDP-Minister meinte das gar nicht. Er ging vielmehr fest davon aus, ein autofreier Sonntag sei das ultimative Horrorszenario der Deutschen. Noch verblüffender: Er glaubt, dass der Hinweis, CO2 werde von Einzelpersonen emittiert, die Menschen nicht motiviert, sondern, im Gegenteil, eine Emissionsreduktion unmöglich macht. Emissionsreduktion sei nur möglich, so die Subbotschaft, wenn sie für die Bürgerinnen und Bürger zu hundert Prozent zumutungslos abläuft. Alles, was Herr Wissing sagte, war eine Farce, eine Drohung, mit der er die Koalitionspartnerinnen dazu zwingen wollte, von seinem Verkehrssektor keine angemessenen Einsparungen mehr zu verlangen.
...
Das ist die eigentliche Nachricht dieser FDP-Groteske.

Denn auch wenn die Umfrageergebnisse das nicht hergeben: Die FDP steht für so viel mehr als für ihre drei bis vier Prozent Wähler. Sie ist das hässliche Unterbewusstsein der Deutschen, das permanent das vernünftige Über-Ich torpediert. Und Olaf Scholz ist ganz dabei: Er lässt die li­berale Regierungspartei so umfassend gewähren und schubst dafür immer wieder die Grünen unter den Bus (wie oft kann man eigentlich unter den Bus geschubst werden, bis man tot ist oder Schluss macht?). Das nährt den Verdacht, der Kanzler nutze die FDP als Bauchsprechpuppe: Sie redet das, was er, der Schwarze-Null-Hardliner und Null-Zumutungen-Kanzler, in dieser verblüffenden Plattheit nicht sagen kann.
...
Dafür gibt es eine Erklärung: die Po­pulisten, deren Kernkompetenz dieses Down­grading ist, die Abwärtsspirale der niedrigen Instinkte. Sie behaupten immer lauter, dass Demokratie ihre Legitimität aus einem plebiszitärvulgären Volkswillen bezieht – das Volk sei ein launischer Souverän, jederzeit zu Wutausbrüchen be­reit. Die Regierungen müssten liefern und das Volk bei Laune halten. Im Osten fügen sie gern hinzu: Wozu sei man 1989 auf die Straße gegangen? Dieses Demokratiekonzept ist nicht originell, Populismus ist immer eine Versuchung in Demokratien. Aber liberale Demokratien haben sich bisher als überlegen und fair und schlagkräftig erwiesen, weil sie den Populismus eingeschränkt und das politische System so arrangiert haben, dass – um im Bild zu bleiben – das Unterbewusstsein nicht das Über-Ich ausschalten konnte (und wenn doch, ging es böse aus).

Freiheit, so hingegen der Populismus, sei die Freiheit, Egoismus möglichst ungestört ausleben zu können (und, ja, warum eigentlich nicht dafür auch noch vom Staat unterstützt zu werden mit Steuergeschenken, Pendlerpauschalen, Dienst­wagenprivilegien, Tankrabatten, E-Fuel-Subventionen für alle Porsches aller Christians). Selbstverständlich hat diese Ego-Freiheit nichts mit der Freiheit des anderen zu tun. Ich impfe mich nicht, nein, meine Impfung mach ich nicht. Auf Autofahrten und Flüge verzichten, nur weil deswegen andere eine saubere Luft und eine ruhige Wohnung haben, auf CO2-Ausstoß gar, weil die Kinder auch mal ein gutes Leben führen wollen, Waffen liefern, obwohl die Öldiktaturen (scheinbar) nur den andern wehtun?

Diese Suppenkasper-Freiheit dringt in alle Poren der Politik ein. Immer mehr Politikerinnen und Politiker reden ihren Text. Cem Özdemir, einer der begabtesten Politiker der Republik und einer der ganz wenigen Grünen mit dem kühnen Bekenntnis zum Vegetarismus, spricht ihn in jedes Mikrofon: Essen Sie Fleisch, als ob es kein Morgen gäbe (bitte, bitte, bitte); Krieg gegen Putin – puh, erklärten neulich die Uckermärker CDU-Politiker, darauf hätten ihre Wähler echt keine Lust mehr. Die Menschen wollen keine Migration, tja, dann müssen wir ihnen Massenabschiebungen versprechen, selbst wenn das Versprechen in allen Dimensionen keinen Sinn ergibt. Demokratie wird zum plebiszitären Amor Fati. Sie wird auf den Kopf gestellt zur völligen Stagnation, und um suppenkasperisch mit den Beinen in der Luft zu strampeln. Die FDP übernimmt direkt für ihre Vielleicht-doch-noch-Wähler, im Tax-Life-Balance-Rechner durchzukalkulieren, was noch zumutbar wäre: nichts.

Als gelte es, eine zweite Nazidiktatur zu bewältigen

So füttert die Regierung den bequemsten, unbürgerlichsten, am wenigsten republikanischen Teil des Volkes. Den andern Teil lässt sie verhungern oder wirft ihn den Populisten zum Fraß vor. Dabei hat beispielsweise die Corona-Pandemie ein ganz anderes Volk gezeigt: Es war die Hochzeit der informierten Bürgerin, in Scharen hörten die Menschen Podcasts, sahen Informationssendungen, diskutierten, und sie nahmen bereitwillig die Zumutungen der Politik in Kauf. Nur zweimal war eine Mehrheit mit der Politik unzufrieden, und zwar weil die Pandemie­maß­nahmen in ihren Augen nicht streng genug waren. Auch wenn alle wussten, dass die Politik in diesen beispiellosen Zeiten Fehler macht und der Stand der Wissenschaft sich oft nicht so schnell entwickeln konnte, wie die Viren mutieren, so akzeptierten und unterstützten die Bürgerinnen und Bürger doch mehrheitlich die Politik. Nun aber überlässt man es dem Narrensaum der Corona-Leugner und rechten X-Trolle, diese Zeit „aufzuarbeiten“, als gelte es, eine zweite Nazidiktatur zu bewältigen.
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Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.
(Oscar Wilde)
Weil das Denken so schwierig ist, urteilt man lieber.
(Sandor Márai)
Gruß
erpie