Interview mit Josef Hader

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erpie
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Interview mit Josef Hader

Beitrag von erpie »

Er ist der erfolgreichste Kabarettist Österreichs, Josef Hader hat aber auch eine Vergangenheit in der Friedensbewegung. In den Achtzigern protestierte er gegen die Stationierung von Pershing-Raketen in Deutschland. Und jetzt, in Zeiten des Ukraine-Kriegs? Ein Treffen in Zürich, wo Josef Hader mit seinem Solostück "Hader on Ice" gerade vor vollen Sälen aufgetreten ist als Trump-Figur - an diesem Wochenende kommt er damit auch nach München.
SZ: Sollte der Westen Waffen an die Ukraine liefern, Herr Hader?

Josef Hader: Ganz ehrlich, ich bin etwas ratlos. Ich kann nicht mit dem Brustton der Überzeugung sagen, dass man alle Waffen liefern soll, die möglich sind. Umgekehrt wäre es zynisch, von der Ukraine zu verlangen, sich mit den Mitteln der Friedensbewegung der Achtzigerjahre zu verteidigen. Als wir damals auf die Straße gingen, um gegen die Stationierung von Pershing-Raketen in Deutschland zu protestieren, waren alle handelnden Politiker von Moskau bis Washington ältere Herren, die den Zweiten Weltkrieg erlebt hatten. Die wussten alle, wie schlimm Krieg ist, niemand wäre auf die Idee gekommen, einen Krieg vom Zaun zu brechen. Wir sind damals aus einer Luxusposition heraus auf die Straße gegangen.

Heute ist das anders?
Heute haben wir einen Aggressor, der Krieg als politisches Mittel einsetzt, als hätte es keine zwei Weltkriege gegeben. Der Unwahrheiten und Propaganda als politische Mittel verwendet. Und populistische Politiker in Europa, die dasselbe versuchen. Wir leben in einem anderen, neuen Zeitalter.

Was hilft Ihnen gegen Ratlosigkeit?

Wir leben im Westen in Demokratien, was ja den Vorteil hat, dass man Auseinandersetzungen offen führen kann. Daher bin ich überzeugt, dass wir die Demokratie nicht nur verteidigen, indem wir der Ukraine Waffen liefern, sondern auch indem wir einen offenen, demokratischen Diskurs führen. Das, finde ich, ist in den Medien noch ein bisschen ausbaufähig.

Sie würden gerne mehr von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht hören, die Verhandlungen mit Putin fordern?

Ich bin auch für Verhandlungen. Sobald sich Putin aus der Ukraine zurückgezogen hat! Wenn ein Staat einen anderen überfällt und wir dann zu verhandeln beginnen, was dieser Staat behalten darf, dann öffnen wir Tür und Tor und geben eine Errungenschaft auf, die wir seit 1945 hatten: dass Krieg als politisches Mittel in Europa nicht akzeptiert wird.

Was vermissen Sie im öffentlichen Diskurs an Meinungen, wenn für Sie klar ist, welche Grenzen nicht überschritten werden dürfen?


Ich würde gerne öfter Gedanken wie die des Autors Alexander Kluge lesen. Der hat kürzlich in einem Interview den Krieg als einen gordischen Knoten aus überlappenden Konflikten beschrieben. Das Problem ist, dass solche abwägenden Texte keine Klicks bekommen in den Online-Ausgaben. Deswegen gibt es auch in den Qualitätszeitungen viele Zusammenhaltsartikel mit der ewigen Wiederholung derselben Argumente. Oder gefühlige Friedensappelle für Frieden um jeden Preis. Das ist vielleicht nur ein katholischer Reflex, aber mir kommt das ein wenig wie Rosenkranzbeten vor.
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In Ihrem Bühnenprogramm begibt sich Ihre Figur auf eine Plattform, die schlimmer sei "als die härteste Pornografie". Gemeint ist Twitter.

Meine Haltung dazu ist ganz klar: Hass hat nichts mit Diskurs zu tun. Aber es ist wie beim Autofahren: Wenn man beobachtet, wie die Leute sich im Straßenverkehr verhalten, dann weiß man, wie dünn die Schicht der Zivilisation ist. Sobald man nur noch ein Kennzeichen ist, glauben einige, dass sie nicht mehr in jedem Moment für ihr Fahrverhalten die Verantwortung übernehmen müssen. Ich bin ganz klar für Namenspflicht bei Meinungsäußerungen - auch in den sozialen Medien.

Sie sind aus Österreich. Korruption und Vetternwirtschaft sind auch in Ihrem Land Dauerthema.

Das Problem ist nicht, wenn ein einzelner kleiner Staat wie Österreich schlecht funktioniert. Sondern dass die Staaten untereinander in einem wirtschaftlichen Konkurrenzkampf stehen - deshalb sind sie sich nicht einig und schwach gegenüber weltweiten Konzernen. Wären sich nur die Staaten der sogenannten westlichen Welt einig und hätten einheitliche Regeln, wären der Finanzkapitalismus und Konzerne wie Twitter bei uns auf eine Weise reguliert, dass sie keine Wirtschaftskrisen auslösen könnten. Der Staat an sich ist gar nicht so schwach, wie immer alle tun, der kann einiges in Bewegung setzen, das hat man ja während der Pandemie gesehen.

So entschieden wie in unserem Gespräch sind Sie in Ihrem Bühnenprogramm nicht.

Ich bin ja nicht blöd. Ich stelle mich doch nicht mit meinen Meinungen auf die Bühne. Das ist sinnlos. Vollkommen. Und keine Satire.

Nicht?

Die Aufgabe von Satire ist es nicht, sich hinzustellen und zu sagen: Hier habe ich eine ganz klare Meinung. Das kann man als Bürger machen, aber nicht in seiner Kunst. In der Satire geht es darum, das, was einen stört am Menschen und an der Gesellschaft, so zu überspitzen, dass man provoziert. Das schaffe ich nicht mit Vorträgen über Finanzkapitalismus. Aber vielleicht, indem ich sage, Sklaverei wäre eine super Idee für Europa. Es kommen dann weniger Flüchtlinge. Und genau die richtigen. Die da sind, sind dann richtig gut geschützt. Weil nichts ist bei uns so gut geschützt wie Eigentum.
...
Erstaunlich, dass das im Alltag und selbst auf der großen Politbühne so gut funktioniert.

Trump und Putin markieren jedenfalls eine neue Qualität der bewussten Fehlinformation, die es bis dahin nach 1945 nicht gab. Meine Generation ist aufgewachsen nach zwei großen Weltkriegskatastrophen. Daraus hat man für ein paar Jahrzehnte den Schluss gezogen, dass eine Demokratie eine gute Sache ist, wo man auf Basis von verlässlichen Informationen miteinander streitet - und sich dann auf Kompromisse einigt. Es sterben auf diese Art weniger Leute, es kommt seltener zu Kriegen.

Das hat sich geändert?

Wenn ein Politiker in den Siebzigern abstruse Dinge behauptet hätte, dann hätte der keine Anhänger gefunden. Richard Nixon ist wegen Unwahrheiten, die im Vergleich zu Trump harmlos erscheinen, mit Schimpf und Schande aus dem Amt gejagt worden. Ich dachte, die Wende hin zur Vernunft wäre ein allgemeiner menschlicher Fortschritt. Allem Anschein nach war das aber nur auf eine bestimmte Zeit begrenzt. Die liberale Demokratie mit sozialer Marktwirtschaft war vielleicht nur ein lokaler Werbegag nach zwei Weltkriegen.

Bedeutet das in letzter Konsequenz, dass die Menschheit mal wieder eine richtig schreckliche Erfahrung machen müsste, um zur Vernunft gebracht zu werden?

Das weiß man nicht. Die Weltgeschichte ist nichts, was man vorhersagen kann. Man kann immer nur zurückschauen und sagen, es war so. Zurzeit sind wir wieder an einem Punkt in der Weltgeschichte angekommen, an dem jemand irgendetwas behaupten kann. Und wenn er laut schreit und eine ausreichende Zahl an Menschen findet, die daran glauben, dann ist es scheißegal, ob das stimmt oder nicht. So wie in der Zwischenkriegszeit. Aber ich hoffe sehr, dass sich jetzt nicht alles wiederholt, was danach kam
https://www.sueddeutsche.de/kultur/jose ... -1.5765701
Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.
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Weil das Denken so schwierig ist, urteilt man lieber.
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Hoellenvaart
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Stupid facts

Beitrag von Hoellenvaart »

wenn ich mich nicht irre, dann gabs in den 70er kein internet.

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„...Politiker! Du kennst die Ethik dieser Leute, die liegt noch ein Grad unter der von Kinderschändern...“ (Alvy Singer) :twisted:
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Re: Stupid facts

Beitrag von bolz_platz_kind »

Hoellenvaart hat geschrieben: Sonntag 12. März 2023, 00:18 wenn ich mich nicht irre, dann gabs in den 70er kein internet.

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Aber die "Süddeutsche".
Das muss reichen ...

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erpie
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Re: Stupid facts

Beitrag von erpie »

Hoellenvaart hat geschrieben: Sonntag 12. März 2023, 00:18 wenn ich mich nicht irre, dann gabs in den 70er kein internet.

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Ja und? Ändert doch nichts daran das heutzutage niemand mehr eine Debatte aushält.
Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.
(Oscar Wilde)
Weil das Denken so schwierig ist, urteilt man lieber.
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Gruß
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