tcb hat geschrieben: ↑Donnerstag 2. März 2023, 14:19
So ist halt das Gesetz. Aber ist das auch angemessen?
Für ''angemessen'' eine eindeutige Aussage zu finden, ist kaum möglich. Im Prinzip hängt diese Einschätzung vom eigenen inhaltlichen Standpunkt ab. Bei Juristen vielleicht noch davon, inwieweit sie dem Rechtsrahmen (geltendes Gesetz) zustimmen und ob sie innerhalb dessen eine Strafabweichung nach unten oder oben juristisch begründen können (z.B. Revision einlegen). Dass es bei schweren Straftaten wie Dieselgate so lange dauert und desöfteren zu geringen oder sogar keinen Strafen kommt, liegt nicht allein am geltenden Gesetz. Auch wenn man da sicherlich öfters nachschärfen könnte. Wie man es z.B. bei einem ganz anderen Straftatbestand, dem Stalking mal (in Ansätzen) gemacht hat. Letztlich sind bei Umwelt- und Wirtschaftskriminalität oft so viele Untergebene beteiligt, aber teilweise eingeweiht (need to know), dass es immer schwer ist die Köpfe ganz oben gerichtsfest dranzukriegen. Irgendwo ist fast immer die Kette der Beweise unterbrochen. Dazu geschickte teure Verteidiger, die aus der Kaffeekasse bezahlt werden. Eine oft unzureichend ausgerüstete und unterbesetzte Justiz, die fast immer mit Querschüssen aus den eigen Reihen und der Politik unter Druck gesetzt und gebremst oder gleich ganz aus dem ''Spiel'' genommen wird. Zeit und Verfahrenskosten tun dann ein letztes. Wenn gar nix mehr geht: Krankheit/Alter der Beschuldigten. Und Geld statt Strafe. Da hat man es bei einer recht einfachen personellen Zuordnung - X und Y haben sich festgeklebt und wurden dabei erwischt - einfach leichter.
In der Mopo gab es vor ein paar Wochen ein lesenswertes Interview mit zwei jungen Klimaaktivisten:
https://www.mopo.de/im-norden/wissen-ja ... ration-an/
Mopo hat geschrieben:Gegen Eichler laufen ihrer Aussage nach mehr als 30 Verfahren. Bei Jeschke seien es etwa zwei Dutzend – einige davon eingestellt. Beide saßen schon häufig in Polizeizellen. Katastrophen und Hungersnöte – vor dieser Zukunft habe sie Angst, sagt Eichler, die für den Aktivismus ihr Abitur abgebrochen hat. „Nicht die Zukunft, die ich eventuell im Gefängnis verschuldet oder sonst wo verbringen werde.“
Staat „reagiere über“ aus Sicht der Aktivisten
Dass der Staat in der Auseinandersetzung mit der „Letzten Generation“ aus ihrer Sicht überreagiert, ist dabei einkalkuliert. Das bringe der Bewegung Sympathien ein und verleihe der Thematik Brisanz, sagt Jeschke. Und wie soll es nach seiner Vorstellungen weitergehen? Ein erster Schritt wäre aus seiner Sicht, wenn die Regierung Forderungen nach Tempolimits und einem dauerhaften 9-Euro-Ticket nachkommen würde. Dann würde man die Blockaden stoppen. „Wenn nicht mal das kommt, dann ist offensichtlich, dass die Regierung nicht auf dem Fuß der Verfassung steht.“ Weiter schwebt ihm die Einsetzung eines Bürgerrates vor, von dem er sich stärkeren Klimaschutz verspricht.
Mit ''nicht auf dem Fuß der Verfassung stehen'', da ist gar nicht mehr so weit entfernt von anderen Gruppen - ohne sie jetzt gleichzusetzen! Die Reichsbürger lehnen ja gleich die ganze Verfassung ab. Die Regierung halte sich angeblich nicht an die alte und einzig wahre Verfassung. Letztlich sind die Klimaaktionen eine gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung. Sie ist auch ein Generationenkonflikt und weltweit ein Konflikt, inwieweit die have nots wirtschaftlich zu den haves aufschließen dürfen oder ob nur Reduzierung durch alle hilft.
Dass diese Konflikte von jungen Leuten geführt werden,find ich grundsätzlich sinnvoll. Und das nur zum Teil, weil sie am meisten davon betroffen wären, wenn einige der prognostizierten Szenarien tatsächlich auch so eintreten. Nur dass kann bisher niemand wirklich wissen. Es sind halt Prognosen. Aber Jugend sollte grundsätzlich etwas anders machen wollen als die Alten. Sonst gibt es einen gesellschaftlichen Stillstand. Und der wäre aus meiner Sicht am gefährlichsten. Nur Veränderung bringt die Menschheit letztlich entscheidend voran. Das war schon in der Vergangenheit so. Darum hat der Mensch eine solche Entwicklung genommen. Auch dass einige Aktionen radikaler als andere sind und zu bewegten, manchmal sogar melodramatischen Diskussionen (Klima-RAF
) führen, gehört mit dazu. Müssen die Aktivisten aber auch damit leben, dass es nicht alle akzeptieren. Peinlich finde es dagegen, wenn sich 50-jährige oder Omas for Future bemüssigt fühlen sich festzukleben oder ähnliche Aktionen durchzuführen. Da erwarte ich mehr Lebensweisheit statt sturer apokalytischer Erzählungen, die als alternativloses Bedrohungsszenario und damit auch Rechtfertigung verkauft werden.
Dass ein Klimawandel im Gange ist, der stark menschengemacht ist und katastrophale Folgen haben kann, liegt für mich auf der Hand. Dass aber nur bestimmte Ziele/Zahlen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht werden müssen, weil sonst der Untergang unausweichlich sei, das halte ich für zu viel Drama. Und mancher von den jungen Aktivisten wird sich in drei Jahrzehnten noch einmal umschauen. Was aus seinen Prognosen/Warnungen geworden ist und wo er dann selbst steht. Ein Familienmitlied war vor 30 Jahren schwerst auf dem ökologischen Trip. Er hatte sich damals sehr viel angelesen. Da wurde dann auch viel missioniert. Inklusive fürchterlichster Katastrophenszenarien. Heute kümmert er sich nicht mehr viel um die Umwelt, besitzt einen ganzen Fuhrpark an Motorrädern, hat inzwischen erwachsene Kinder und genießt einfach das Leben. Gönne ich ihm vom Herzen. Aber wenn ich an unsere Diskussionen von damals denke
- die Welt war laut ihm kurz vorm Untergang.
Meine 2.000 cents
Von uns die Arbeit, von Gott den Segen.