Italien wählt

Benutzeravatar
Heinz B.
Urgestein
Beiträge: 8424
Registriert: Dienstag 30. Juni 2020, 11:28

Re: Italien wählt

Beitrag von Heinz B. »

Atlan hat geschrieben: Sonntag 2. Oktober 2022, 20:52
erpie hat geschrieben: Sonntag 2. Oktober 2022, 17:43 Der Doppel Wumms kommt nicht gut an in Bella Italia:
https://www.sueddeutsche.de/politik/ita ... -1.5667501

Wäre nicht ganz verkehrt, wenn in Italien besser gewirtschaftet würde. Auf andere schauen und von anderen Hilfe fordern, bzw. erwarten, kann auf Dauer nicht die Lösung sein.
Und wenn sich die gewählte "Schwester Italiens" mit der EU anlegt, dann beißt sie hoffentlich auch dort auf Granit.
Vergiss es. Die EU ist ein zahnloser Tiger, wenn es um solche Leute geht. Siehe Orban oder auch Polen. Außer großen (leeren) Worten haben Uschi und Co. da nichts zu bieten.
Ich diskutiere nicht, ich erkläre lediglich, warum ich Recht habe. :wink:
Benutzeravatar
erpie
Urgestein
Beiträge: 6947
Registriert: Freitag 26. April 2019, 18:24
Wohnort: Berlin

Re: Italien wählt

Beitrag von erpie »

Respekt der Schulleiterin!
Schon die Schläge waren ein nationaler Schock: Am Samstag vergangener Woche, kurz vor dem Klingeln zur ersten Stunde um acht Uhr, wurden in Florenz zwei Schüler vor ihrem Gymnasium ins Krankenhaus geprügelt. Ihr Vergehen: Sie hatten mit Mitgliedern von „Azione studentesca“ gestritten, der Schülerorganisation der Partei von Premierministerin Giorgia Meloni, die gerade dabei waren, Flugblätter vor der Schule zu verteilen.

Auf einem Video ist zu sehen, wie ein Schüler, der bereits zu Boden gegangen ist, von mehreren Angreifern brutal geschlagen und getreten wird. Erst das Eingreifen einer Lehrerin beendete den Überfall. Inzwischen wird gegen sechs mutmaßliche Beteiligte ermittelt. Drei Betroffene sind volljährig, der jüngste Verdächtige soll 16 Jahre alt sein.
...
Auf den Schock vom Montag folgte am Donnerstag ein weiterer: Nachdem tagelang nur dröhnendes Schweigen aus dem Regierungslager in Rom zu vernehmen war, bot jetzt der Brief einer Schulleiterin aus Florenz dem Schulminister Anlass zur Stellungnahme – allerdings weiter ohne ein Wort des Bedauerns über die Gewalt.

Annalisa Savino, Direktorin des naturwissenschaftlichen Leonardo-da-Vinci-Gymnasiums hatte sich am Tag nach der Tat an die Schüler:innen und Eltern ihrer Schule gewandt: Sie vertraue darauf, dass alle sich über die Ereignisse „vor einer Schule wie unserer“ und die fehlenden Reaktionen ihr eigenes Bild machten.

Aber sie wolle doch erinnern: „Der Faschismus in Italien ist nicht auf Kundgebungen von mehreren tausend Menschen entstanden. Er begann auf irgendeinem Bürgersteig, mit dem Opfer einer politisch motivierten Prügelattacke, das von gleichgültigen Passanten sich selbst überlassen blieb.“

Solcher Gewalt müsse immer entgegengetreten werden, auch in Zeiten der Unsicherheit wie jetzt, wo Totalitarismen bevorzugt entstünden. Sie fügte hinzu: „Diejenigen, die den Wert der Grenzen preisen, diejenigen, die das Blut der Vorfahren im Gegensatz zu anderen ehren und weiter Mauern bauen, muss man isolieren, beim Namen nennen und bekämpfen, mit Bildung und mit der Macht des Gedankens.“
Schulminister sieht Schule politisiert

Das war Schulminister Giuseppe Valditara, einem Mitglied der ebenfalls rechtsradikalen „Lega“, früher Parteifreund Melonis in der Vorgängerpartei Alleanza nazionale, offensichtlich zu viel: Italien rutsche „nicht in Gewalt und in ein autoritäres System ab“, sagte er im Fernsehen.

„Es steht einer Schulleiterin nicht zu, solche Botschaften zu verbreiten“, ihr Brief sei „völlig unangemessen“, eine faschistische Gefahr zu sehen „lächerlich“. Eine offene Drohung schloss der Minister an: Die Wortmeldung der Direktorin sei „Ausdruck einer Politisierung, von der ich hoffe, dass sie keinen Platz mehr in der Schule haben wird. Sollte es allerdings dabei bleiben, werden wir sehen, ob wir Maßnahmen ergreifen müssen.“
https://www.tagesspiegel.de/internation ... 06871.html
Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.
(Oscar Wilde)
Weil das Denken so schwierig ist, urteilt man lieber.
(Sandor Márai)
Gruß
erpie
Benutzeravatar
Atlan
Nordlicht
Beiträge: 7492
Registriert: Dienstag 30. April 2019, 14:43
Wohnort: Unweit vom Weserstadion
Lieblingsverein: SV Werder Bremen
2. Verein: SV Atlas Delmenhorst

Re: Italien wählt

Beitrag von Atlan »

erpie hat geschrieben: Samstag 25. Februar 2023, 07:44 Respekt der Schulleiterin!
Schon die Schläge waren ein nationaler Schock: Am Samstag vergangener Woche, kurz vor dem Klingeln zur ersten Stunde um acht Uhr, wurden in Florenz zwei Schüler vor ihrem Gymnasium ins Krankenhaus geprügelt. Ihr Vergehen: Sie hatten mit Mitgliedern von „Azione studentesca“ gestritten, der Schülerorganisation der Partei von Premierministerin Giorgia Meloni, die gerade dabei waren, Flugblätter vor der Schule zu verteilen.

Auf einem Video ist zu sehen, wie ein Schüler, der bereits zu Boden gegangen ist, von mehreren Angreifern brutal geschlagen und getreten wird. Erst das Eingreifen einer Lehrerin beendete den Überfall. Inzwischen wird gegen sechs mutmaßliche Beteiligte ermittelt. Drei Betroffene sind volljährig, der jüngste Verdächtige soll 16 Jahre alt sein.
...
Auf den Schock vom Montag folgte am Donnerstag ein weiterer: Nachdem tagelang nur dröhnendes Schweigen aus dem Regierungslager in Rom zu vernehmen war, bot jetzt der Brief einer Schulleiterin aus Florenz dem Schulminister Anlass zur Stellungnahme – allerdings weiter ohne ein Wort des Bedauerns über die Gewalt.

Annalisa Savino, Direktorin des naturwissenschaftlichen Leonardo-da-Vinci-Gymnasiums hatte sich am Tag nach der Tat an die Schüler:innen und Eltern ihrer Schule gewandt: Sie vertraue darauf, dass alle sich über die Ereignisse „vor einer Schule wie unserer“ und die fehlenden Reaktionen ihr eigenes Bild machten.

Aber sie wolle doch erinnern: „Der Faschismus in Italien ist nicht auf Kundgebungen von mehreren tausend Menschen entstanden. Er begann auf irgendeinem Bürgersteig, mit dem Opfer einer politisch motivierten Prügelattacke, das von gleichgültigen Passanten sich selbst überlassen blieb.“

Solcher Gewalt müsse immer entgegengetreten werden, auch in Zeiten der Unsicherheit wie jetzt, wo Totalitarismen bevorzugt entstünden. Sie fügte hinzu: „Diejenigen, die den Wert der Grenzen preisen, diejenigen, die das Blut der Vorfahren im Gegensatz zu anderen ehren und weiter Mauern bauen, muss man isolieren, beim Namen nennen und bekämpfen, mit Bildung und mit der Macht des Gedankens.“
Schulminister sieht Schule politisiert

Das war Schulminister Giuseppe Valditara, einem Mitglied der ebenfalls rechtsradikalen „Lega“, früher Parteifreund Melonis in der Vorgängerpartei Alleanza nazionale, offensichtlich zu viel: Italien rutsche „nicht in Gewalt und in ein autoritäres System ab“, sagte er im Fernsehen.

„Es steht einer Schulleiterin nicht zu, solche Botschaften zu verbreiten“, ihr Brief sei „völlig unangemessen“, eine faschistische Gefahr zu sehen „lächerlich“. Eine offene Drohung schloss der Minister an: Die Wortmeldung der Direktorin sei „Ausdruck einer Politisierung, von der ich hoffe, dass sie keinen Platz mehr in der Schule haben wird. Sollte es allerdings dabei bleiben, werden wir sehen, ob wir Maßnahmen ergreifen müssen.“
https://www.tagesspiegel.de/internation ... 06871.html
Italien heute: Meinungsfreiheit - Nein Danke!
Grün/Weiße Grüße :wave:
Alle wollen zurück zur Natur. Aber keiner zu Fuß.
Benutzeravatar
erpie
Urgestein
Beiträge: 6947
Registriert: Freitag 26. April 2019, 18:24
Wohnort: Berlin

Re: Italien wählt

Beitrag von erpie »

Tja so wird es dann in Zukunft aussehen...
Die Regierung spricht bisher zwar von einer schrecklichen Tragödie, lehnt aber jede Verantwortung ab. Aus dem offiziellen Rom hat bisher nur Staatspräsident Sergio Mattarella einen Kondolenzbesuch in Crotone gemacht, wo die mittlerweile 70 Särge aufgebahrt sind.

Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, derzeit in Abu Dhabi, übernahm am Samstag die Sprachregelung ihrer Minister: „Von Frontex gab es keinerlei Notfallmeldung.“ Ob man denn wirklich glaube, ihre Regierung habe den Tod so vieler Menschen gewollt? Davon sind jene NGOs überzeugt, die für Samstag in Mailand zu einer Demonstration aufgerufen hatten.
https://www.tagesspiegel.de/internation ... 45778.html
Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.
(Oscar Wilde)
Weil das Denken so schwierig ist, urteilt man lieber.
(Sandor Márai)
Gruß
erpie
Benutzeravatar
Heinz B.
Urgestein
Beiträge: 8424
Registriert: Dienstag 30. Juni 2020, 11:28

Re: Italien wählt

Beitrag von Heinz B. »

erpie hat geschrieben: Dienstag 7. März 2023, 15:53 Tja so wird es dann in Zukunft aussehen...
Die Regierung spricht bisher zwar von einer schrecklichen Tragödie, lehnt aber jede Verantwortung ab. Aus dem offiziellen Rom hat bisher nur Staatspräsident Sergio Mattarella einen Kondolenzbesuch in Crotone gemacht, wo die mittlerweile 70 Särge aufgebahrt sind.

Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, derzeit in Abu Dhabi, übernahm am Samstag die Sprachregelung ihrer Minister: „Von Frontex gab es keinerlei Notfallmeldung.“ Ob man denn wirklich glaube, ihre Regierung habe den Tod so vieler Menschen gewollt? Davon sind jene NGOs überzeugt, die für Samstag in Mailand zu einer Demonstration aufgerufen hatten.
https://www.tagesspiegel.de/internation ... 45778.html
Ja nee, ist klar. Die italienische Regierung fördert den Tod von Bootsmigranten. :facepalm:

Gewisse Leute haben wirklich jeden Realitätssinn verloren. Wer solche Behauptungen publik macht, sollte auch Beweise vorlegen.

Jedem, der sich den verbrecherischen Schleusern anvertraut und sich auf die mörderische Überfahrt macht, sollte doch klar sein, was ihm auf dem Meer erwartet.
Ich diskutiere nicht, ich erkläre lediglich, warum ich Recht habe. :wink:
Benutzeravatar
erpie
Urgestein
Beiträge: 6947
Registriert: Freitag 26. April 2019, 18:24
Wohnort: Berlin

„Glaube, Ehre, Disziplin“

Beitrag von erpie »

Das ist schon bedrohlich.
Der Parlamentspräsident sammelt Duce-Büsten

Die Normalisierung des Postfaschismus – und damit eben doch wieder des Faschismus selbst, Parlamentspräsident La Russa etwa verfügt daheim in Mailand über eine beeindruckende Sammlung von Mussolini-Büsten – hat nicht erst im vergangenen Herbst begonnen. Sie ist fast 30 Jahre alt. 1994 ging der spätere Mehrfachpremier Silvio Berlusconi ein Wahlbündnis mit der MSI-Nachfolgerin Alleanza Nazionale ein.

Seit Herbst gehören sie zum Geist der führenden Regierungspartei. Zur Ideologie kommt nun die Macht, sie durchzusetzen. Als kürzlich in Florenz Mitglieder der FdI-nahen rechtsextremen Schülervereinigung Azione studentesca Schüler, die ihnen entgegentraten, brutal attackierten, schwieg Bildungsminister Giuseppe Valditara lange. Der Lega-Mann, früher in AN aktiv, reagierte erst, als eine Florentiner Schulleiterin den Vorfall zum Anlass nahm, in einem Brief an ihre Schülerinnen und Schüler an die Anfänge des Faschismus zu erinnern. Der habe ebenfalls mit Gewalt „auf dem Bürgersteig“ begonnen.
Ein alter Kämpe als Berater

Valditara nannte die Erinnerung an den „squadrismo“, die organisierte politische Gewalt in den Anfängen des Faschismus – wie übrigens auch im deutschem Nationalsozialismus – „lächerlich“ und „unangemessen“ und fügte eine Drohung an: Sollten solche Haltungen bleiben, werde er „Maßnahmen ergreifen“.

Kürzlich wurde bekannt, dass der Minister einen alten Kämpen als Berater berufen hat, der in seiner bisherigen Tätigkeit als Chef der regionalen Schulbehörde von Molise Kinder und Jugendliche zu „Glaube, Ehre und Disziplin“ ermahnte und dessen öffentliche Verherrlichung von Krieg und Schützengräben sogar Anlass zu einer parlamentarischen Untersuchung gab.

Der Ton wird rauer, die Drohung gegen die Florentiner Schulleiterin ist kein Einzelfall. Als nach der Havarie eines Flüchtlingsschiffs vor Kalabrien ein Arzt und erfahrener Rettungsfreiwilliger wagte, an der offiziellen Version zu zweifeln, man habe den Verunglückten nicht helfen können, riskierte auch er einen Maulkorb, der noch während der Sendung bekannt wurde: Man werde seine „schwerwiegenen falschen Beschuldigungen an die Justiz weitergeben“ und „durch alle Instanzen die Ehre“ des Ministers und aller beteiligten Behörden verteidigen, hieß es aus dem Haus von Innenminister Matteo Piantedosi.

Der Ton wird rauer, die Drohung gegen die Florentiner Schulleiterin ist kein Einzelfall. Als nach der Havarie eines Flüchtlingsschiffs vor Kalabrien ein Arzt und erfahrener Rettungsfreiwilliger wagte, an der offiziellen Version zu zweifeln, man habe den Verunglückten nicht helfen können, riskierte auch er einen Maulkorb, der noch während der Sendung bekannt wurde: Man werde seine „schwerwiegenen falschen Beschuldigungen an die Justiz weitergeben“ und „durch alle Instanzen die Ehre“ des Ministers und aller beteiligten Behörden verteidigen, hieß es aus dem Haus von Innenminister Matteo Piantedosi.
Die speziellen Drohungen gegen Journalist:innen unter der Regierung Meloni haben bereits den Europarat auf den Plan gerufen: In seinem jüngsten Jahresbericht zum Stand der Pressefreiheit in Europa wirft das Gremium der Regierung Meloni vor, bewusst juristische Mittel zu nutzen, „um die zum Schweigen zu bringen, die sie kritisieren“. Der Bericht zitiert unter anderem Verteidigungsminister Guido Crosetto: „Ich bin überzeugt, dass in puncto Beleidigung Zivil- und Strafurteile die einzige Methode sind, die Herausgeber, Redaktionen und Journalisten verstehen.“
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaf ... 32073.html
Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.
(Oscar Wilde)
Weil das Denken so schwierig ist, urteilt man lieber.
(Sandor Márai)
Gruß
erpie
Benutzeravatar
erpie
Urgestein
Beiträge: 6947
Registriert: Freitag 26. April 2019, 18:24
Wohnort: Berlin

Re: Italien wählt

Beitrag von erpie »

Unfaßbar:
Dass die rechte „Erinnerungskultur“ zwar gratis zu haben, aber alles andere als unschädlich ist, zeigte sich auch am 24. März, dem Jahrestag des deutschen Massakers in den Ar­deatinischen Höhlen in Rom, als Nazischergen 335 Männer erschossen, um den Tod von 33 deutschen Soldaten bei einem Partisanenanschlag zu rächen. Die Märtyrer seien umgebracht worden, „bloß weil sie Italiener waren“, fiel Ministerpräsidentin Meloni dazu ein: Selbst der Massenmord, begangen von den mit den italienischen Faschisten verbündeten deutschen Nazis, wurde ihr zum Anlass, die italienische Fahne zu schwingen.

Nein, gaben der Partisanenverband, die Jüdische Gemeinde Rom, die Linksparteien zurück, die 335 Männer waren auf die Todesliste nicht als „Italiener“ gekommen, sondern weil sie Juden oder Antifaschisten gewesen waren – und Meloni konterte diese Kritik nur mit der dummdreisten Frage, ob denn die Antifaschisten „etwa keine Italiener gewesen“ seien?

Bei ihrer Wählerschaft verfängt diese Tour, ebenso wie das Unterfangen dieser Regierung, die zwar materiell nichts groß zu verteilen hat, deshalb aber auch auf einem ganz anderen Feld „immaterielle“ Gratispolitik betreibt, auch dort mit Kollateralschäden: auf dem Feld der Bürgerrechte.
...
Dass man es mit zu vielen Bürgerrechten nicht übertreiben soll, demonstriert die Regierungskoalition auch beim Folterparagrafen, der erst vor wenigen Jahren ins Strafgesetzbuch geschrieben wurde, vor allem um Häftlinge vor Übergriffen der Vollzugsbeamten zu schützen.

Die Meloni-Partei Fratelli d’Italia hat jetzt einen Antrag ins Parlament eingebracht, den Paragrafen ersatzlos zu streichen, weil der – so Meloni – „die Beamten daran hindert, ihre Arbeit zu tun“. Und wenn die „Arbeit“ dann verrichtet ist, und sei es auch mit systematischen Prügeleinsätzen gegen wehrlose Gefangene, wie sie in den letzten Jahren mehrfach vorkamen, dann schmeckt ein Teller „ur­italienischer“ Spaghetti Carbonara umso besser.
https://taz.de/Unesco-Kulturerbe/!5923014/
Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.
(Oscar Wilde)
Weil das Denken so schwierig ist, urteilt man lieber.
(Sandor Márai)
Gruß
erpie
Benutzeravatar
Heinz B.
Urgestein
Beiträge: 8424
Registriert: Dienstag 30. Juni 2020, 11:28

Re: Italien wählt

Beitrag von Heinz B. »

UNGLAUBLICH:

Spaghetti Carbonara mit (möglichen) Übergriffen auf Gefangene in Zusammenhang zu bringen, dazu gehört schon etwas. :clap:

Frage mich ernsthaft, ob ich bei meiner Pizza Marinara am Freitagabend beim Italiener nicht ein schlechtes Gewissen hätte haben sollen... :think:

Wahrscheinlich ist der Autor Veganer.

Denn ein Rheinischer Sauerbraten oder ein bayrischer Schweinebraten kommen wegen der Nazi-Vergangenheit nicht infrage, ebenso wie das Wiener Schnitzel. Russische Piroschki oder Borschtsch gehen gar nicht. Und die chinesische Entenbrust mit den sieben Köstlichkeiten - igitt. Vielleicht aber Gyros und Tsatziki? Nee, da war ja mal Alexander der Große. Steaks und Hamburger sind wegen des Genozids an den indigenen Ureinwohnern Amerika ebenfalls tabu. Und englische Speisen sind ja bekanntlich für sich schon gesundheitsgefährdend. Da bedarf es keinen Hinweis auf die koloniale Vergangenheit. Usw, usw.

Ja, der politisch Korrekte wird es in Zukunft schwer haben, sich auch politisch korrekt und mit gutem Gewissen zu ernähren.

:ironie:
Ich diskutiere nicht, ich erkläre lediglich, warum ich Recht habe. :wink:
Benutzeravatar
erpie
Urgestein
Beiträge: 6947
Registriert: Freitag 26. April 2019, 18:24
Wohnort: Berlin

Re: Italien wählt

Beitrag von erpie »

So nun geht es gegen Kulturschaffende und unbequeme Personen:
DIE ZEIT: Herr Saviano, von einem Tag auf den anderen hat die staatliche RAI jetzt die Ausstrahlung der vier Folgen Ihrer Sendung Insider gestrichen, die von November an geplant war und deren Thema die Mafia ist. Welche Gründe wurden Ihnen genannt?

Roberto Saviano: Mir selbst wurden gar keine Gründe genannt. Niemand hat mit mir gesprochen. Der Verwaltungsratsvorsitzende und damit der operative Chef der RAI, der von der Meloni-Regierung eingesetzte Roberto Sergio, hat mich nicht angerufen. Dazu war er wohl zu feige. Er hat über die Presse trocken mitgeteilt, meine Sendung sei "nicht mehr im Programm". Der Hintergrund ist, dass ich den Lega-Chef und Vizeministerpräsidenten Matteo Salvini ein paar Tage zuvor als "Minister der Mala Vita", als "Minister der Unterwelt", bezeichnet hatte. Ich hatte damit auf einen lügnerischen Post Salvinis geantwortet, der Carola Rackete – die jetzt von der Linken in Deutschland als Kandidatin für die Europawahl im Juni 2024 aufgestellt worden ist – verleumdet hat als "die, die Schiffe rammt", wegen ihres Rettungseinsatzes im Mittelmeer im Jahr 2019 als Kapitänin auf einem NGO-Schiff. Jener Einsatz hatte ihr damals in Italien einige Tage Haft eingebracht, weil sie mit ihrem Schiff voller Flüchtlinge die vom damaligen Innenminister Salvini verhängte Hafenblockade durchbrochen hatte. Ihr Tun wurde dann aber von den hiesigen Gerichten als völlig rechtens bewertet.

ZEIT: Es heißt, der "Ethikkodex" der RAI lasse nicht zu, dass Sie dort auf Sendung gehen.

Saviano: Das wurde in der Presse verbreitet, aber der RAI-Chef selbst hat diesen Kodex mit keinem Wort erwähnt. Das wäre auch merkwürdig – schließlich habe ich Salvini schon vor fünf Jahren als "Minister der Unterwelt" attackiert und stehe deshalb gegenwärtig wegen Verleumdung vor Gericht. Dieses Verfahren und auch meine früheren Äußerungen gegen Salvini haben die RAI bisher nicht daran gehindert, meine Sendung auszustrahlen.
https://www.zeit.de/2023/33/roberto-sav ... te-italien

Lustig bzw. interessant dürfet das hier werden:
Italiens Premierministerin will Brian Molko wegen Beleidigung vor Gericht bringen. Zum ersten Mal trifft das einen internationalen Star. Kritische Italiener:innen kennen die Reizbarkeit der Regierung Meloni schon länger.

Von gutem Stil lässt sich schlecht sprechen. „Ein Stück Sch...“ nannte der Sänger Brian Molko Italiens Ministerpräsidentin, eine „Faschistin, Rassistin“ und rief ihr „Verpiss dich“ zu. Alles in verständlichem Italienisch – Italiens Medien gaben die Inhalte mit vielen Auslassungszeichen wieder – und vor Tausenden Fans auf einer Bühne bei Turin. Weshalb die Turiner Staatsanwaltschaft praktisch unmittelbar nach dem Abend des Konzerts von Molkos Band Placebo gegen den Musiker vorging – wegen „Herabwürdigung von Repräsentanten des Staats“. Nun aber wurde bekannt: Auch die Ministerpräsidentin persönlich hat Molko verklagt.
https://www.tagesspiegel.de/internation ... 58339.html
Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.
(Oscar Wilde)
Weil das Denken so schwierig ist, urteilt man lieber.
(Sandor Márai)
Gruß
erpie
Benutzeravatar
erpie
Urgestein
Beiträge: 6947
Registriert: Freitag 26. April 2019, 18:24
Wohnort: Berlin

Ein Zensurversuch wühlt Italien auf

Beitrag von erpie »

Wenige Tage vor dem Feiertag zur Befreiung hat Italien einen Medienskandal: Eine kritische Rede gegen Ministerpräsidentin Meloni wurde verhindert - und entfaltet jetzt erst recht Wirkung.
...
Scuratis jüngstes Buch ist dem Verhältnis von Faschismus und Populismus gewidmet und Mussolinis Bedeutung heute. Damit ist es wie geschaffen als Ausgangspunkt für einen Vorgang vom Wochenende, der über Nacht ein veritabler Medienskandal geworden ist und das politische Italien aufwühlt - keinesfalls zufällig wenige Tage vor dem Nationalfeiertag zur Befreiung Italiens am 25. April. Regelmäßig zu diesem Datum kämpft das Land um die Meinungshoheit, von wem Italien vor 79 Jahren befreit worden ist: Ist es nur die deutschen Nazi-Besatzer losgeworden? Oder wurde es eben auch vom selbst gemachten Faschismus befreit- und was lernt man daraus für heute?
...
In diesem Sinne hatte Autor Antonio Scurati eine Rede geschrieben, die er am Samstagabend in der Sendung "Chesarà" (Was wird sein) von Rai 3 vortragen sollte. In der öffentlich-rechtlichen Rai sind allerdings viele Führungsposten mittlerweile mit Sympathisanten der rechten Regierung besetzt, weshalb auch schon vom "Meloni-TV" die Rede ist. Kurzfristig wurde der Scurati-Auftritt aus dem Programm gekippt. Moderatorin Serena Bortone ließ sich jedoch nicht beirren und trug Scuratis Text selbst vor.

Darin wird an die Ermordung des Sozialistenführers Giacomo Matteotti durch Faschisten und an andere Verbrechen von Mussolini und seinen Gesinnungsgenossen erinnert. Scurati wirft Meloni vor, sie habe sich zwar von solchen Verbrechen, aber nie ausdrücklich vom Faschismus als Ideologie distanziert, die Rechte versuche die Geschichte umzuschreiben.

In dieser Hinsicht bringt der Text nichts Neues, ist aber auf den Punkt formuliert - und wird gerade berühmt. Bekannte italienische Künstler haben ihn mittlerweile fürs Internet nachgesprochen, Bürgermeister im ganzen Land haben angekündigt, ihn am 25. April öffentlich vortragen zu lassen.

Die Debatte hat eine solche Kraft entfaltet, dass Meloni selbst sich äußerte, was sie normalerweise demonstrativ nicht tut. Zensur sei so ziemlich das Letzte, was ihr in den Sinn komme, schließlich sei sie selbst in ihrem Leben ständig zensiert worden, schrieb sie auf Facebook, und zum Beweis hängte sie die heiß diskutierte, nicht gehaltene Rede im Wortlaut an.

Zuletzt hatte Meloni eher Schlagzeilen gemacht, weil sie ihre Kritiker notfalls sogar bis vor Gericht verfolgt. Einige Künstler und Schriftsteller sind wegen Beleidigung der Regierungschefin bereits zu Geldstrafen verurteilt worden oder haben Sendeplätze im Fernsehen verloren, darunter der bekannte Anti-Mafia-Autor Roberto Saviano. In Bari läuft ein Prozess gegen den emeritierten Alt-Philologen und Kommunisten Luciano Canfora, 81, der Meloni noch zu deren Oppositionszeit als "Neonazi im Herzen" bezeichnet hatte, was diese bis heute nicht zu tolerieren bereit ist.
https://www.sueddeutsche.de/politik/ita ... -1.6565049
Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.
(Oscar Wilde)
Weil das Denken so schwierig ist, urteilt man lieber.
(Sandor Márai)
Gruß
erpie