Ein letzter Beitrag zu dem Religiot (danke jeck).
Als er vor zwei Jahren beim VfL Wolfsburg vorgestellt wurde, bezeichnete Felix Nmecha seinen Glauben als seinen größten Antrieb. „Ich spiele für Gottes Herrlichkeit“, sagte er. „Wenn ich juble, deute ich in den Himmel. Um zu zeigen, dass Jesus für meine Sünden gestorben ist.“ Auch auf seinen Social-Media-Profilen räumt er seinem Glauben viel Platz ein. „Ich könnte den Ballon d’Or, die Weltmeisterschaft oder die Champions League gewinnen“, schreibt er zum Beispiel auf Instagram. „Aber wenn ich sterbe und Jesus nicht kenne, wird das nichts bedeuten als die ewige Hölle.“
Dass Felix Nmecha streng gläubiger Christ ist, kann ihm niemand vorwerfen. Doch der gebürtige Hamburger teilte in der vergangenen Saison mehrfach christlich-fundamentalistischer Beiträge, die sich gegen die LGBTQ-Community richten. So tauchte im Februar etwa ein Video des US-amerikanischen Rechtspopulisten Matt Walsh auf Nmechas Instagram-Profil auf. Walsh, der sich selbst als „theokratischen Faschisten“ und zeitweise als „Transphoben des Jahres“ bezeichnete, attackiert in dem Beitrag den Vater eines transgeschlechtlichen Kindes, der sich öffentlich vor seinen Nachwuchs gestellt hatte. Nmecha unterstützte Walshs Thesen mit den vielsagenden Worten: „Wenn wir nicht sehen, was daran falsch ist…“.
Nachdem er damals hierfür heftig kritisiert wurde, löschte Felix Nmecha den Beitrag. In einer Instagram-Story stellte er klar, dass er mit „einem Großteil“ der Aussagen Walshs nicht übereinstimme, weil dessen Art, Menschen zu behandeln, „nicht liebevoll“ sei. Er bedauere, das Video geteilt zu haben. Eine klare Entschuldigung, sollte er jemanden verletzt haben, enthielt das Statement allerdings nicht.
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Das jüngste Statement Nmechas enthält jedenfalls keine Entschuldigung gegenüber Menschen, die durch seine Aktionen möglicherweise verletzt wurden. Dem Vorwurf, diskriminierende Inhalte geteilt zu haben, stellt der Spieler lediglich die Beteuerung entgegen, niemanden zu diskriminieren und alle Menschen zu lieben. Seine Worte können als unbeholfene Erklärung oder Rechtfertigung gelesen werden. Als Drahtseilakt zwischen Gottesfurcht und der Erfüllung öffentlicher Erwartungshaltungen. Oder eben als halbgarer Versuch, die Wogen um seine Person zu glätten – auch, um im Fußballgeschäft nicht zur Persona non grata zu werden. Dann wäre das Statement auch als Reaktion auf die Kritik der BVB-Fans zu werten, die in den letzten Tagen immer lauter wurde.Der Fanklub nimmt damit Bezug auf ein Leitbild, auf das sich Borussia Dortmund im vergangenen Jahr verständigt hatte. Demzufolge möchte der BVB für „ein Vereinsleben und eine Gesellschaft ohne Rassismus, Antisemitismus, LSBTI+-Feindlichkeit, Sexismus, Gewalt und Diskriminierung“ einstehen. Viele Fans sehen dieses Engagement bei einem möglichen Nmecha-Wechsel konterkariert. Die Verpflichtung wäre dem Fanzine schwatzgelb zufolge „ein Schlag ins Gesicht“ für Fans, die sich für Akzeptanz und Gleichberechtigung einsetzen – und würde zukünftige Engagements des BVB gegen Diskriminierung unglaubwürdig machen.
Diesen Vorwurf stützen viele Fans. Die Initiative ballspiel.vereint! forderte den Klub zuletzt auf, „von einer Verpflichtung Felix Nmechas Abstand zu nehmen“. Sogar ein wichtiger Sponsor der Borussia sei mittlerweile auf die Diskussion aufmerksam geworden, berichtet der Spiegel. In diesem Zuge seien der Vereinsführung um Hans-Joachim Watzke ernsthafte Bedenken mitgeteilt worden.
Doch Felix Nmecha erhält auch Unterstützung aus dem Fußballkosmos. „Amen!“, kommentierte etwa Dodi Lukebakio von Hertha BSC die jüngste Erklärung des 22-Jährigen. Und Cacau, ehemaliger Stürmer des VfB Stuttgart und bis 2021 Integrationsbeauftragter des DFB, schrieb: „Bleibt Stark!“ – dazu das Emoji betender Hände. Besonders viel Zuspruch gibt es aber vor allem aus der fundamentalistisch-christlichen Community. „Bleib Stark, Felix“, schreibt ein User zum Beispiel. „Wir brauchen Christen wie dich im Sport!“
https://11freunde.de/artikel/in-teufels-kueche/8762771
und
So weit, so gut. Dass Nmecha überzeugter Christ ist, dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Allerdings offenbarte er am Montag nicht zum ersten Mal eine, gelinde gesagt, eigentümliche Weltanschauung. In einer Instagram-Story erklärte er zunächst, Jesus sei die objektive Wahrheit, zu der „diese Generation“ finden müsse. Weiter schreibt er: „We are now in a time of ‚cancel culture‘ where what used to be called free speech has now been called ‚hate speech‘ if it doesn’t agree with certain people“. Seiner Ansicht sei es also nicht mehr möglich, frei zu sprechen ohne dass dies als Hassrede diffamiert werde – zumindest wenn man nicht die Meinung „gewisser Leute“ teile.
Viele Fußballer haben in der Vergangenheit ihren Glauben offensiv kundgetan. Dabei ließe sich darüber streiten, ob Religion nicht vor allem Privatsache sein sollte und der missionarische Auftrag, den manch Profi mit sich zu tragen scheint, wirklich sein muss. Sicher ist zumindest: Die „I love Jesus“-Botschaften eines Lucio oder Zé Roberto, die diese jubelnd unter ihren Trikots zeigten, haben Bundesliga-Legendenstatus.
Doch dass ein Bundesliga-Spieler im Jahre 2023 seine Reichweite nutzt, um sich unter dem Deckmantel seines Glaubens gegen geschlechtliche und sexuelle Vielfalt zu stellen und dabei in rechtspopulistische Argumentationen verfällt, sollte für Aufsehen sorgen. Nmecha teilt seine Ansichten öffentlich und sucht die Bühne der sozialen Medien – so kann man seine Aussagen kaum als Privatangelegenheit abtun.
https://11freunde.de/artikel/um-gottes-willen/8349798
Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.
(Oscar Wilde)
Weil das Denken so schwierig ist, urteilt man lieber.
(Sandor Márai)
Gruß
erpie