So betitelte ihn einst Ernst Happel. Seine Geschichte stand bei mir schon in der Liste Noch-zu-Posten, da kam Erpie mit dem Beitrag zu Sinti & Roma-Sportlern um die Ecke, in dem auch Walter Laubinger erwähnt wird:
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Abseits.at hat geschrieben:(2022) Hamburg-Wandsbek – dort ist der 54-jährige Walter Laubinger heute zuhause. Der Nordosten der Hansestadt war und ist seine Heimat; in Billstedt begann er mit dem Kicken, ehe er beim Bramfelder SV mit Stefan Effenberg Freundschaft schloss. „Stefan war eigentlich fast jeden Tag bei uns zu Besuch. Er hat bei uns irgendwie mit dazugehört.“, erinnert sich der Ex-Spieler. Später ging „Laube“ zum HSV, wo er Liebling von Ernst Happel wurde: „Zauberer“ rief ihn der knorrige Wiener zärtlich und jeder, der sich auskennt, weiß ein größeres Kompliment vergab der Wödmasta in der Regel nicht. Während Effenberg jedoch Karriere als „aggressive leader“ bei Mönchengladbach, den Bayern und der deutschen Nationalmannschaft machte, wurde aus „Laube“ nicht einmal ein gestandener Bundesligaspieler. Für den jungen Mann mit dunklem Vokuhila und Schnauzbart war plötzlich die Partyszene der Hansestadt interessanter; er beteiligte sich an Schlägereien, verlor mehrfach seinen Führerschein und beendete seine Fußballkarriere schließlich mit 21 Jahren bevor sie noch richtig begonnen hatte.
Der Patriarch
Viele erfolgreiche Profis erzählen, dass sie nie die talentiertesten oder besten Spieler in ihren Nachwuchsmannschaften waren, sich aber mit harter Arbeit und Beharrlichkeit nach oben kämpften. Bei Walter Laubinger war es genau umgekehrt: Er konnte seine fantastischen Anlagen nicht in Spiele oder Titel ummünzen. Zu seiner Ehrenrettung muss jedoch gesagt werden, dass die Verhältnisse des Ex‑Stürmers eine ruhige Entwicklung kaum möglich machten: Laubinger wird am 9. November 1967 in eine Sinti-Familie, die mit strenger Hand des Vaters geführt wurde, hineingeboren. Martin Laubinger hat es sich in den Kopf gesetzt aus einem seiner fünf Kinder einen Fußballprofi zu machen und findet, dass die Chancen bei seinem Drittgeborenen dafür am besten stehen. Von Kindesbeinen an wird Walter geformt. Am Billstedter Hartplatz zieht ihm der Vater den rechten Schuh aus, damit der Bub nur seinen schwächeren linken Fuß trainiert. Bruder Domingo ist der Sparringspartner und das lohnt sich, denn der HSV will schon den zehnjährigen Walter in seine Jugendabteilung holen. Martin Laubinger winkt aber zunächst ab. Für seinen Sohn läuft es auch ohne ein Engagement beim einstigen Bundesliga-Dino hervorragend: Erst Hamburger Landesauswahl, dann U 15-Nationalmannschaft. „Ich habe geweint vor Glück.“, erzählt Walter. Kurze Zeit später bietet ihm Günter Netzer, damals HSV-Manager, einen Jugendvertrag und dann einen Profivertrag an. Vater Martin erledigt das Geschäftliche, Walter hat keine Ahnung, worum es geht. Das wird bis zum Ende seiner kurzen Karriere so bleiben.
Walter ist schnell, stark am Ball und (dank Vaters Spezialtraining) beidfüßig. Ernst Happel ist beeindruckt; nach dem ersten Training nimmt er den Spieler in den Arm und sagt ihm, er soll morgen wieder kommen. „Laube“ schwebt auf Wolke Sieben; mit den DFB-Junioren wird er 1986 Dritter bei der Europameisterschaft und hofft, bald seine Schuhe für die Kampfmannschaft der Rothosen zu schnüren. Doch „Aschyl“ lässt ihn nicht spielen. Walter versteht die Welt nicht mehr: „Ich habe meinen Vater angeschrien und geheult. Warum spielen die anderen, obwohl ich doch viel besser bin als sie?“ Für seinen Freund und Kollegen Ralf Jester, der sich zwanzigjährig so schwer verletzte, dass er den Fußball als Sportinvalide aufgeben musste, ist es unverständlich, dass Laubinger nicht früher die Chance gegeben wurde sich bei den Profis zu beweisen: „Ich behaupte, dass Walter das größte Fußballtalent war, das wir in jenen Jahren in Deutschland hatten.“
Kwelle & mehr:
https://abseits.at/fusball-internationa ... ger-kw-28/
Blog trifft Ball hat geschrieben:(2013) Walter Laubinger ist 46 Jahre alt. Vor knapp 30 Jahren wechselte der 17-Jährige als Götze der Achtziger zum HSV. Er kam auf zehn Profi-Einsätze – den Durchbruch schaffte er nicht. Trotzdem gehört „Laube“, der mit Badelatschen und Trainingsanzug durch die Hamburger Discotheken steppte, zu den größten Fußballfiguren der Stadt. Wir sprachen mit ihm. Vor allem über damals.
Herr Laubinger, waren Sie auf der internationalen Gartenschau in Wilhelmsburg?
Ich weiß, eigentlich hätte ich mir das als Gärtner anschauen müssen. Aber ich hatte in der Familie einige Sorgen, da blieb keine Zeit für die Gartenschau. Normalerweise wäre das ein Pflichttermin gewesen.
Dann lassen wir die Gartenarbeit und kommen zum Fußball. Sie hatten ja etwas mehr Talent als andere. Oder wollen Sie über Ihr verkorkstes Fußballleben gar nicht mehr reden?
Ich habe mich ja damit abgefunden. Es war zum Anfang sehr schwierig, aber mit der Geburt meiner Söhne hat sich in meinem Leben unheimlich viel getan. Ich bin Christ geworden und der Fußball war irgendwann nicht mehr so wichtig. Und so schlecht war die Zeit nicht.
Woher hatten Sie dieses unfassbare Talent? Man erzählt sich ja, sie haben Freistöße aus 25 Metern, egal mit welchem Fuß, fast blind in die Torwinkel gedroschen.
Unsere Familie war fußballbesessen. Mein Vater war ein guter Kicker, auch beidfüßig sehr stark. Mein Bruder war Jugend-Nationalspieler, vielleicht war der sogar noch besser als ich. Wir waren alle süchtig nach Fußball, wollten immer auf dem Platz stehen und die Dinger ins Netz hauen.
Leider kannte Ihr Ehrgeiz Grenzen. Zumindest sagen Ihnen Weggefährten das nach.
Ich hatte auch Pech.
Na klar. Und wie lief es wirklich?
Als ich mit 17, 18 zum HSV wechselte, war dort eine Team mit Weltklasse-Format. Da musste ich mich weit hinten anstellen und erstmal warten. Da waren Miroslaw Okonski, Felix Magath, Thomas von Heesen – die waren eingespielt. Das war nicht so wie heute, wo 19-Jährige sofort ihre Einsätze bekommen. Wenn ich heute beim HSV wäre, würde ich da durchmarschieren. Aber Happel wollte mich langsam aufbauen. Das Problem war nur: Ich war ja besser als die Alten. Ich hab‘ die Stars im Training ja weggeputzt.
Aber Sie hatten keine Geduld.
Ich war das nicht gewohnt. Ich war immer im Mittelpunkt, aber nicht auf der Bank. Damit bin ich nicht klargekommen. Und dann denkt man aber trotzdem, weil man ja beim HSV einen Profivertrag hat, man ist wer und kann sich mal einen schönen Abend leisten.
[...]
Was war Ihr größter Fehler?
Ich hätte Hamburg verlassen müssen – einfach raus aus dem bekannten Umfeld. So wie Effenberg. Das ist so im Nachhinein mein Problem gewesen.
Hatten Sie jemals andere Angebote?
Leverkusen wollte mich. Bremen und Bayern München auch. Das waren Granaten-Angebote.
Was haben die Bayern damals für Sie geboten?
Das weiß ich nicht. Das hat Papa alles gemacht.
Was haben Sie beim HSV verdient?
Müsste ich nachdenken.
Denken Sie nach …
… ja, der erste Vertrag war überragend. Ich war 17, bekam einen 6-Jahresvertrag und habe 6000 Mark im Monat verdient.
Kwelle & mehr:
http://www.blog-trifft-ball.de/blog/201 ... rschieren/
Sein jüngerer Bruder Karl Laubinger hat es später in Hamburg zu noch mehr medialer Berühmtheit gebracht: Von der Presse als ''Ausbrecher-König'' (entkam 4x aus der Sicherungsverwahrung) und als ''Berufskrimineller'' tituliert. Inzwischen kommt er auf mehr als 30 Jahre Knast.
https://www.24hamburg.de/hamburg/flucht ... 11781.html
Die Laubingers, gibt es so natürlich nicht, aber er ist häufiger ein Familienname von Sintis & Romas.
taz hat geschrieben:Die Sinteza und Aktivistin Kelly Laubinger sah als Kind, wie die Polizei ihre Puppen durchsuchte. Ein Gespräch über das Leben unter Generalverdacht.
[...]
Ist Ihr Familienname, Laubinger, ein typischer Sinti-Name?
Ich höre oft: Oh, Laubinger, das klingt ja ganz deutsch. Diese Formulierung ist ein Schlag ins Gesicht, denn wir sind ja Deutsche. Vielen Leuten scheint nicht klar zu sein, dass man einer anderen ethnischen Gruppe angehören, aber trotzdem deutsch sein kann. Und ja, es ist ein Name, der in der Minderheit verbreitet ist. Man findet ihn auf vielen Mahnmalen für die Opfer der NS-Zeit.
Sie sind wegen Ihres Namens nicht in einem örtlichen Fitnessstudio aufgenommen worden. Was war da los?
Ich wollte mich anmelden, bin mit Gehaltsnachweis und – es war 2021 – mit Corona-Impfpass hingegangen und wurde abgelehnt, angeblich wegen einer aktuellen Landesverordnung. Doch die gab es gar nicht, zudem warb das Studio um Neumitglieder, und Freundinnen aus der Mehrheitsgesellschaft durften sich anmelden.
Sie haben dann erfahren, dass bereits Mitglieder Ihrer Familie vom selben Studio abgelehnt worden sind – war das vorher nie Gesprächsthema, schluckte man solche Dinge herunter?
Es waren nicht nur Familienmitglieder, sondern auch andere Angehörige der Minderheit. Aber ja, es war nicht üblich, über Rassismus zu sprechen. Tatsächlich mussten wir erst lernen, Rassismus zu erkennen und zu benennen. Wir wussten, dass wir schlechter behandelt wurden, aber das Wort Rassismus haben wir dafür nicht benutzt.
Sie haben das Fitnessstudio wegen Diskriminierung verklagt und gewonnen. War dieser Prozess ein Auslöser für Ihr heutiges Engagement – und war es schwierig, dass Sie sich als Sinti-Frau in die Öffentlichkeit begeben? Denn die Frauen der Minderheit sind oft noch unsichtbarer als die Männer.
Es war nicht nur für mich, sondern für die ganze Minderheit ein Meilenstein. Vor meiner Klage wusste ich nicht, was eine Antidiskriminierungsstelle tut, heute berate ich sie. Dass ich eine Frau bin, spielte für meine Familie keine Rolle, aber die Idee, sich in die Öffentlichkeit zu begeben, fanden meine Angehörigen nicht gut, damit wir uns nicht noch mehr exponieren. Und es stimmt ja: Durch die öffentliche Arbeit erleben wir noch mehr Rassismus, sei es online oder in Gesprächen.
Kwelle & mehr:
https://taz.de/Kelly-Laubinger-ueber-Di ... /!5972181/
Web.de hat geschrieben:Sinti und Roma werden in Deutschland häufig diskriminiert. Ein Historiker erklärt, wo es zu Benachteiligungen und Stigmatisierung kommt und wie vor allem die politische Rechte Antiziganismus in der Migrationsdebatte einsetzt.
Kelly Laubinger konnte gar nicht glauben, was sie da in einer E-Mail zu lesen bekam. Laubinger hatte ausdrücklich im Namen der Sinti Union Schleswig-Holstein für eine Literaturveranstaltung ein Hotelzimmer für einen Gast gebucht. Erst wurde Laubinger ein Zimmer in Aussicht gestellt, doch dann kam die Absage. "Weil man schlechte Erfahrungen mit der Familie Laubinger gemacht habe", so die Begründung. Sie selbst sei noch nie in diesem Hotel gewesen, sagt Laubinger, und der Nachname sei ein sehr weit verbreiteter Sinti-Name. Dementsprechend seien auch nicht alle Menschen mit dem Namen Laubinger miteinander verwandt. Der Hotelbesitzer sagt, er habe nicht diskriminieren wollen, wie er gegenüber SAT1 erklärte.
[...]
In der Öffentlichkeit scheint es eine zweischneidige Entwicklung zu geben im Umgang mit Rassismus gegen Sinti und Roma. So sieht es der Antiziganismus-Forscher Frank Reuter von der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. "Es gibt eine Fülle von lokalen und regionalen Erinnerungszeichen und Gedenkstätten, aber dieses gewachsene Wissen führte nicht zu verminderten antiziganistischen Einstellungen." Auf der politischen Ebene gebe es vielfache symbolische Anerkennung. Auch die Bundesregierung hat mit Mehmet Daimagüler einen eigenen Antiziganismus-Beauftragten.
Auf der anderen Seite finde derzeit ein gesellschaftlicher Rechtsruck statt, sagt Reuter. Die Vorurteile gegenüber Sinti und Roma hätten sich über die Zeit verändert, sagt Reuter. Historisch habe es ein stark exotisierendes Motiv gegeben. Dies sei verbunden mit dem Vorurteil von Magie, mit Wahrsagefiguren oder Naturverbundenheit. In der heutigen Gesellschaft sei indes das "Motiv der Verachtung" stärker geworden. Hier gehe es um den Vorwurf von fehlender Arbeitsdisziplin und mangelnder Zugehörigkeit. Es gehe konkret um die Zuschreibung von Kriminalität und von Asozialität, so Reuter.
Der Fokus auf die Armutsmigration führt nach Ansicht von Frank Reuter auch dazu, dass die Vielfältigkeit der Sinti- und Roma-Communitys in der öffentlichen Wahrnehmung verloren gehe. Einwanderung von Roma habe es seit dem späten 19. Jahrhundert gegeben, andere seien als Gastarbeiter, als Kriegsflüchtlinge aus Jugoslawien oder erst in den letzten Jahren nach Deutschland gekommen. "Sie alle bringen unterschiedliche Erfahrungen und Selbstverständnisse mit, sagt Reuter. Insbesondere die Alteingesessenen seien ohnehin eher wertkonservativ und betonten ihre vielhundertjährige Geschichte in Deutschland.
Forscher: Antiziganismus auch in der politischen Mitte salonfähig
Auch für die Mehrheitsgesellschaft habe diese Diskriminierung eine bestimmte Funktion, sagt Reuter. Sie solle Binnenkonflikte einhegen und Leitvorstellungen stärken, etwa "eine rigide bürgerliche Sexualmoral oder Arbeitsdisziplin". Dafür brauche man Gegenfiguren, denn dann bräuchten in der Gesellschaft kaum noch soziale Konflikte und grundlegende Fragen sozialer Ungleichheit thematisiert werden. Es sei erkennbar, dass dies gerade von der politischen Rechten in der Migrationsdebatte eingesetzt werde, "denn der Antiziganismus ist auch in der politischen Mitte salonfähig und lässt sich so als Waffe einsetzen", sagt Reuter.
Der Antiziganismus solle ja gerade den Eindruck vermitteln, dass Sinti und Roma alle gleich und unterschiedlich zur Mehrheitsgesellschaft seien, erklärt Frank Reuter. Ausdrücklich warnt der Historiker vor generalisierenden Aussagen. Spezifische Integrationshemmnisse, bezogen auf die ethnische Zugehörigkeit als solche, gebe es erst recht nicht. Hier spielten vielmehr soziale Faktoren eine Rolle, erklärt der Forscher: "Man nimmt Sinti und Roma nicht als Individuen wahr, sondern nur durch ein Raster von Vorurteilen."
Kwelle & mehr:
https://web.de/magazine/panorama/antizi ... r-39462754
Von uns die Arbeit, von Gott den Segen.