Spiegel hat geschrieben:Die unwahrscheinliche Geschichte von Rosa und Maka
Eine ältere Italienerin und ein junger Malier betreiben in einem verlassenen Dorf in Kalabrien Landwirtschaft, trotz aller Widerstände. Ist ihre Beziehung ein Modell für die Zukunft?
Pentedattilo heißt das Dorf an der Südspitze Italiens, in dem etwa jedes dritte Haus kein Dach mehr hat. Zehn Katzen, ein Hund und drei Menschen leben hier. Für sie läutet jede Stunde die Glocke der Dorfkirche. Als sie an einem Frühlingsabend Ende April sechsmal schlägt und der Hund hinterherbellt, strömt ein Dutzend amerikanischer Touristen auf die Terrasse eines einstöckigen, weißen Hauses.
Von hier aus haben die Besucher einen weiten Blick ins Tal, über die Ruinen der alten Häuser, die Agaven und Feigenkakteen, bis zum Ionischen Meer und noch weiter. Sogar der Ätna ist zu sehen, gerade noch mit Schnee bedeckt. Ein einheimischer Reiseführer hat die Touristen hierher gebracht, um ihnen das Dorf zu zeigen. Und um die beiden Menschen zu treffen, die sich für ein Leben mitten im Nichts entschieden haben: Rosa Aquilanti und Maka Tounkara. Eine Frau aus Italien, Mitte 60, früher Briefträgerin, und ein Mann aus Mali, Mitte 30, geflüchtet. Zusammen sind die beiden selbst zu einer Art Touristenattraktion geworden.
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2023 Jahr kamen über 157.000 Geflüchtete über das Meer nach Italien. Dass diese Menschen gebraucht werden, gerade in einer alternden Gesellschaft, daran glaubt der Touristenführer auf der Terrasse. Daran glaubte auch Mimmo Luciano, der ehemalige Bürgermeister von Riace, einem Dorf in der Nähe. Aufgrund seiner migrationsfreundlichen Politik stand er sogar wegen Amtsmissbrauch vor Gericht, wurde schließlich freigesprochen. Luciano hatte Migranten aufgenommen und sie unter anderem in der Verwaltung seines Städtchens beschäftigt, legal. Etwa jeder Fünfte in Kalabrien arbeitet ansonsten schwarz, oft in der Landwirtschaft, wo Tomaten und Orangen geerntet werden. In Riace wurden Migrantinnen und Migranten zu dauerhaften Einwohnern, Kinder wurden geboren, Familien entstanden. Ein Anfang. Für Orte wie Riace bedeutet Einwanderung eine Chance auf Zukunft.
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Als Aquilanti Pentedattilo zum ersten Mal sah, sagt sie, sei sie sofort beeindruckt von der Größe des Felsens und der Schönheit der Aussicht gewesen. Der Name Pentedattilo stammt aus dem Altgriechischen und bedeutet fünf Finger: Das Dorf liegt an einem Bergmassiv, an dem fünf Felsnadeln in den Himmel ragen. Als Tounkara Pentedattilo zum ersten Mal sah, sei er schockiert gewesen, sagt er. Nach drei Monaten wollte er wieder gehen, aber er blieb. Warum?
Die Antwort hat mit strukturellen Machtverhältnissen zu tun, mit der Schwierigkeit eines ehemaligen Analphabeten mit prekärem legalem Status, über sein Leben selbst zu bestimmen. Aber nicht nur.
An Aquilanti bewundere er ihre Menschlichkeit, ihre Fähigkeit, ihn wie einen Sohn aufzunehmen, sagt Tounkara. Das Leben in Pentedattilo gefalle ihr, sagt Aquilanti. Sie fühle sich dort wohl, im direkten Kontakt mit der Natur. Tounkara sagt, er arbeite gern dort, auf dem Land. Aber er würde lieber in der nächsten Stadt wohnen, wo es mehr Menschen gibt. Oder ein eigenes Haus im Dorf haben, Aquilanti sei ihm zu unordentlich.
Kwelle & mehr:
https://www.spiegel.de/ausland/landfluc ... d48745a2c2
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