„In der Bundesregierung läuft etwas grundsätzlich falsch“

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erpie
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„In der Bundesregierung läuft etwas grundsätzlich falsch“

Beitrag von erpie »

Interessantes Interview:
Zur Person:
Der 1954 in Pforzheim geborene Volkswirtschaftsprofessor Peter Bofinger ist einer der bekanntesten Ökonomen des Landes. Als Vertreter einer stärker nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik vertritt er im deutschen Wissenschaftsbetrieb gleichwohl eine Minderheitenposition.

Von März 2004 bis Februar 2019 gehörte Bofinger dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung an. Seine Mitglieder werden die „fünf Wirtschaftsweisen“ genannt.

Seit seinem Eintritt in den Ruhestand hat er an der Universität Würzburg die Seniorprofessur für Volkswirtschaftslehre, Geld und internationale Wirtschaftsbeziehungen inne.

Herr Bofinger, Sie haben angesichts der jüngsten Konjunkturprognose des Internationalen Währungsfonds kürzlich den Bundesfinanzminister auf Twitter gefragt, ob Deutschland angesichts der geringsten Wachstumsaussichten und des gleichzeitig geringsten Budgetdefizits vielleicht etwas falsch macht. Hat Christian Lindner geantwortet?
Nein, hat er nicht.

Im Gegensatz zu ihm scheinen Sie durchaus der Meinung zu sein, dass die Ampel-Regierung finanz- und wirtschaftspolitisch einen falschen Weg eingeschlagen hat.
Wir stehen in Deutschland vor sehr vielen Herausforderungen – in der Klima-, Energie- und Industriepolitik, aber beispielsweise auch beim Wohnungsbau. Unser größtes Problem ist, dass wir in dieser Lage unser kleinstes Problem zur obersten Priorität erklären.

Wie meinen Sie das?
Die politische Festlegung, keine zusätzlichen Schulden zu machen, bestimmt alles andere und ist zugleich überhaupt nicht nachvollziehbar, weil Deutschland im Vergleich zu anderen großen Industrieländern die geringste Verschuldungsquote hat. Das schränkt unseren Spielraum bei der Bewältigung dieser Herausforderungen unnötig ein. Wir haben dafür dieselben Möglichkeiten wie China, die USA, Frankreich oder Italien, nutzen sie aber nicht, weil die FDP in der Ampel eine andere Prioritätensetzung durchgesetzt hat. Also ja: In der Bundesregierung läuft etwas grundsätzlich falsch.

Sie kennen sicher eines der Gegenargumente der FDP, nämlich die Verfassung. Es handele sich anders als bei Corona und dann im vergangenen Jahr beim Ukrainekrieg nicht mehr um unvorhersehbare Krisen, die ein weiteres Aussetzen der Schuldenbremse rechtfertigten.
Ich kann diese vermeintliche Normalität nicht erkennen. Zumindest müssten SPD und Grüne thematisieren, ob wir mit einer sehr engen Gesetzesinterpretation noch richtig liegen. In dieser strengen Auslegung ist die Schuldenbremse eine Zwangsjacke, die uns wirtschaftspolitischer Perspektiven beraubt.

Was wäre Ihr Rat?
Die SPD könnte ein Sondervermögen von 50 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau vorschlagen. Vor zwei, drei Jahren wäre das auf einem ohnehin überhitzten Markt keine gute Idee gewesen. Aber in einer Phase, in der die Baukonjunktur einbricht und wir ein riesiges Wohnungsproblem in den Städten haben, wäre das eine geniale Chance.
Die FDP müsste erst einmal erklären, warum sie dagegen ist. Leider haben SPD und Grüne bereits eine koalitionspolitische Schere im Kopf, nach dem Motto: Das geht sowieso nicht. Insofern finde ich es gut, wenn Grünen-Chefin Ricarda Lang nun immerhin von einer „Investitionsagenda“ spricht.
https://www.tagesspiegel.de/politik/kle ... 40081.html
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(Oscar Wilde)
Weil das Denken so schwierig ist, urteilt man lieber.
(Sandor Márai)
Gruß
erpie
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Lattekversteher
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Re: „In der Bundesregierung läuft etwas grundsätzlich falsch“

Beitrag von Lattekversteher »

Dafür braucht man keinen Volkswirt,um das festzustellen!
Das hätte auch Teresa Tibulski aus Meppen, Mutter von 5 Kindern,sagen können.
"Wer Visionen hat, muss zum Arzt gehen!"

Helmut Schmidt
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Hoellenvaart
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Re: „In der Bundesregierung läuft etwas grundsätzlich falsch“

Beitrag von Hoellenvaart »

die vwl ist als wissenschaft leider sehr problematisch, da alle ihre theorien auf relativ einfachen modellen basieren, die bei weitem nicht alle faktoren/interdependenzen der realität abbilden könnnen. daher findet man auch zu jeder realen situation mindestens zwei gruppen von wissenschaftlern, die genau das gegenteilige empfehlen. und dann stelle man sich den philosophen und philologen Habeck vor, der entscheiden soll, welche dieser beiden gruppen gerade die besseren argumente hat.

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„...Politiker! Du kennst die Ethik dieser Leute, die liegt noch ein Grad unter der von Kinderschändern...“ (Alvy Singer) :twisted:
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