05.12.2023,
Tangier Island im amerikanischen Virginia geht unter. Für Umweltschützer ist sie ein warnendes Exempel. Die Bewohner selbst – überwiegend Trump-Wähler – glauben allerdings nicht an den steigenden Meeresspiegel und den Klimawandel.
Tangier Island mit seinen 450 Einwohnern liegt in der Chesapeake-Bucht im Gliedstaat Virginia und versinkt langsam in der See. Kein Punkt liegt höher als 1,5 Meter über dem Meeresspiegel, die Fläche der Insel wird immer kleiner. Anfang des 20. Jahrhunderts waren es 600 Hektaren, jetzt sind es noch 300, wobei nur noch 35 bewohnbar sind. Immer mehr Fläche wird zu Marschland, die früher verbreitete Landwirtschaft ist wegen der Versalzung des Bodens unmöglich geworden. Jeder Hurrikan, wie letztmals «Sandy» im Jahr 2012, zerstört weitere Teile der Insel und kann das Aus für die Bewohner bedeuten.
![Bild](https://img.nzz.ch/2023/12/04/eb225816-e609-4892-88ee-91e580ffa7c1.jpeg?width=1952&height=1301&fit=bounds&quality=75&auto=webp&crop=6720,4480,x0,y0)
Er grüsst eine Frau in Gummistiefeln, die auf dem Strässchen vorbeischlurft. Die 75-jährige Brenda Laird ist schlecht gelaunt. «Dieses verfluchte Hochwasser», schimpft sie. Sie erzählt von ihrem Mann, der hier begraben war. «Eines Tages, während der Flut, wurde sein Sarg aus dem Boden geschwemmt. Da liess ich ihn kremieren, obwohl er das nie gewollt hatte. Nun steht die Urne mit seiner Asche in meinem Wohnzimmer – im Trockenen. Ihm zuliebe bin ich hierhergezogen. Ich wäre schon lange wieder aufs Festland zurückgegangen, aber meine Söhne leben hier als ‹watermen›.»
Das Thema Hochwasser und die Angst, dass die Insel irgendwann ganz verschwindet, sind hier allgegenwärtig. In den 1940er Jahren hatte Tangier Island noch 1000 Einwohner, jetzt sind es weniger als die Hälfte. Laut den Autoren eines «Nature»-Artikels wird sie in 25 Jahren unbewohnbar sein; die Wissenschafter sprechen von «Amerikas ersten Klimaflüchtlingen».
Was aber irritiert: Sobald man das Stichwort «Anstieg des Meeresspiegels» erwähnt, tritt peinliche Stille ein. Dann sagen die Leute: «Das Wasser in den Strassen geht auf den Regen von gestern zurück», obwohl es am Vortag gar nicht geregnet hat. Oder: «Der Untergang unserer Insel hängt mit der Erosion zusammen, nicht mit dem Anstieg des Meeresspiegels.» Manche sagen, nicht der Meeresspiegel steige, sondern die Insel senke sich. Andere wiederum stellen zwar einen Anstieg fest, sagen aber, er habe nichts mit dem Klimawandel zu tun. Manche schliesslich konstatieren einen Klimawandel, glauben aber, er sei nicht menschengemacht. Manche vertreten auch alle diese Ansichten hintereinander im Laufe einer Diskussion.
Die Bewohner von Tangier Island sind konservativ. Im Jahr 2020 haben hier 88 Prozent für Trump gestimmt. Kommt man mit dem Boot an, stechen einem als Erstes all die Trump-Fahnen am Hafen ins Auge, mit dem Slogan: «2024 – He’ll be back!» Washington ist nur 150 Kilometer entfernt, aber die gefühlte Distanz ist riesig. Die Isolation zeigt sich auch an der Sprache: Sie ähnelt eher dem Britischen als dem Amerikanischen und ist durchsetzt mit Wörtern, die niemand auf dem Festland versteht. Die meisten Jungen ziehen weg, vor allem die jungen Frauen, für die in der Fischerei kein Platz ist. «Eine Frau auf dem Boot bringt Unglück», sagen die «watermen».
Zwischen Watts und Sinclair erzählt Ooker die Geschichte mit dem Anruf von Trump. Im Juni 2017 gab der Bürgermeister CNN ein Interview, in dem er erklärte, dass er trotz den Problemen auf der Insel nicht an den Klimawandel und den steigenden Meeresspiegel glaube. Das wahre Problem sei die Erosion. Dann sagte er, er liebe Trump so sehr, als gehörte er zur Familie. Er wandte sich direkt an den damaligen Präsidenten und sagte: «Bauen Sie eine Mauer um Tangier.»
Drei Tage später rief Trump Ooker an. «Ich erklärte ihm, wie sehr ich schätzte, was er für die Amerikaner tue», erzählt Ooker auf dem Boot. «Trump sagte, wir sollten uns keine Sorgen machen wegen des Meeresspiegels. Unsere Insel gebe es seit Jahrhunderten, und sie werde für weitere Jahrhunderte hier sein.»Drei Tage später rief Trump Ooker an. «Ich erklärte ihm, wie sehr ich schätzte, was er für die Amerikaner tue», erzählt Ooker auf dem Boot. «Trump sagte, wir sollten uns keine Sorgen machen wegen des Meeresspiegels. Unsere Insel gebe es seit Jahrhunderten, und sie werde für weitere Jahrhunderte hier sein.»
Ooker ist wohlgemerkt ein überaus sympathischer, herzlicher Mensch. Er wehrt sich vehement gegen Gewalt, Rassismus und Antisemitismus und hat mit seiner Frau nach den zwei leiblichen Söhnen vier indische Waisenmädchen adoptiert. Er ist offen und humorvoll, aber sehr religiös und konservativ, wie die Mehrheit hier. Die meisten sind evangelikale Christen. Sie sind gegen Alkohol, den es auf der Insel nirgends zu kaufen gibt, und strikte Verteidiger Israels. Die Juden sind Gottes auserwähltes Volk, und die Gründung des Staates Israel war aus ihrer Sicht eine Erfüllung der biblischen Prophezeiung. Deshalb weht vor der New-Testament-Kirche nebst der amerikanischen die israelische Flagge. Der Konflikt im Nahen Osten gilt als Vorbote der Endschlacht von Armageddon, die zur Wiederkunft Jesu führen wird.
Für manche ist auch das Versinken von Tangier, das sie mit Sodom und Gomorrha vergleichen, eine Prüfung Gottes. Wie es Allen Parks, einer der Prediger, formuliert: «Die Erosion unserer Insel ist auch Ausdruck einer Erosion der Moral.»
Der Ozeanograf David Schulte, einer der Autoren des «Nature»-Artikels über Tangier Island, hält den Streit darüber, ob der steigende Meeresspiegel oder Erosion für den Untergang verantwortlich sei, für sinnlos. Aus seiner Sicht ist es beides. Der Meeresspiegel ist in der Chesapeake Bay in den letzten achtzig Jahren um 40 Zentimeter angestiegen; das führte auch zu Erosion, die die Insel noch schutzloser macht. Daneben gibt es tatsächlich auch lokale Faktoren wie die übermässige Abnahme von Grundwasser, die zum Absinken der Insel führt. Eine Mauer um die Insel würde laut Schulte den Untergang nicht verhindern, nur hinauszögern. Helfen würde einzig ein Anheben der gesamten Insel. Das wäre aber extrem teuer.
Ausgerechnet das Meer, von dem die Bewohner Tangiers seit Generationen leben, wird ihnen nun zum Verhängnis. Der Untergang ihrer Insel zeigt stellvertretend, was bald auch mit grösseren Orten wie Miami passieren könnte. Touristen sagen angesichts der Gemächlichkeit und des Traditionsbewusstseins Tangiers gerne, der Besuch sei wie eine Reise in die Vergangenheit. Aber möglicherweise vermittelt uns die Insel eher eine Vorahnung der Zukunft.
https://www.nzz.ch/international/usa-di ... ld.1763666
selbst fürs festkleben ist auf der insel der vollidioten zu spät.
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